Die Mitglieder der unabhängigen Expertenkommission kommen am 18. Dezember für Gespräche mit Betroffenen nach Ahrensburg.

Ahrensburg. Eine unabhängige Expertenkommission hat die weitere Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe in der Ahrensburger Kirchengemeinde übernommen. "Ziel ist es, das tatsächliche Ausmaß grenzverletzenden Verhaltens und sexuellen Missbrauchs zu untersuchen und rechtlich zu bewerten", sagt die Kölner Anwältin Petra Ladenburger, die die Expertenkommission nach außen vertritt. Im Zentrum der Vorwürfe: der ehemalige Pastor Dieter K. Er hatte zugegeben, in den 80er-Jahren Jugendliche missbraucht zu haben. Die Kommission will jedoch nicht nur individuelle Täterschaft prüfen, sondern auch das Verhalten kirchlicher Funktionsträger bewerten.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland hatte die Kommission im September eingesetzt. Jetzt hat das vierköpfige Gremium seine Arbeit aufgenommen. Erster Schritt: der Besuch in Ahrensburg. Am 18. Dezember werden die Mitglieder der Kommission Gespräche mit Betroffenen und Mitgliedern der Krisen AG führen.

"Das wird nicht unser letzter Besuch sein", sagt Petra Ladenburger. "Wir wollen alle hören, die sich zu dem Thema äußern können." Die Juristin ruft daher Zeugen auf, eine E-Mail an untersuchung@kanzlei-ladenburger.de zu schreiben und sich mit der Kommission in Verbindung zu setzen - ausdrücklich auch diejenigen, die sich bisher noch nicht geäußert haben. Auch die Aussagen derjenigen, die schon in einem Disziplinarverfahren gehört wurden, sollen einfließen. "Wir werden sie bitten, einer Weiterleitung ihrer Aussagen an die Kommission einzuwilligen", sagt die Anwältin.

Sollen auch diejenigen gehört werden, die als Zeugen geladen, überraschenderweise vor dem Kirchengericht aber nicht zu Wort gekommen sind - wie im Fall des Ahrensburger Pastors Friedrich Hasselmann? Ladenburger: "Auch die gehören zum Umfeld." Hasselmann galt als Mitwisser des Missbrauchsskandals, denn er und Pastor K. waren Kollegen im Kirchsaal Hagen. Das Disziplinarverfahren gegen Hasselmann wegen persönlicher Verfehlungen wurde eingestellt (s. unten).

"Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auf Basis des Disziplinarrechts hat eben ihre Grenzen", sagt der stellvertretende Kirchensprecher Mathias Benckert. "Denn dabei geht es um das Arbeitsverhältnis zwischen Pastor und Kirche und eben nicht um Strafrecht." Nur juristisch komme man aber auch nicht weiter, da die Taten verjährt seien. "Die Kommission dagegen kann Fehler in kirchlichen Verfahrensabläufen aufdecken, Ratschläge für die Prävention geben und psychologisch, systemisch auf die Kirche schauen. "Das können wir nicht", sagt Benckert, "schließlich sind wir involviert."

Anselm Kohn, Stiefsohn von Pastor Dieter K. und Mitbegründer des Vereins Missbrauch in Ahrensburg, sagt: "Wir haben die Kommission lange gefordert. Es ist gut, dass sie ihre Arbeit aufgenommen hat." Er gehört zu denen, die am 18. Dezember, mit den Mitgliedern des Gremiums sprechen werden. Kohn: "Eine Kommission ist allemal sinnvoller als ein Strafverfahren." Das sei nicht geeignet, die Wahrheit herauszufinden. "Die Täter können lügen, die Zeugen müssen die Wahrheit sagen", sagt Kohn, der nun alle Betroffenen dazu aufruft, sich bei der Kommission zu melden.

Im Frühjahr soll eine Zwischenbilanz vorliegen, Ende 2013 der Abschlussbericht. Kohn: "Wir werden die Auswertung kritisch prüfen." An der Besetzung der Kommission gebe es jedoch nichts zu meckern. Auch Ursula Enders, Begründerin der Beratungsstelle "Zartbitter" gegen sexuellen Missbrauch an Kindern, arbeitet mit. Enders: "Wir haben von der Kirche Bedingungen bekommen, unter denen wir inhaltlich wirklich unabhängig arbeiten können. Und das werden wir nutzen."