Das Abendblatt trifft Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Jochen Weber, der neue Geistliche in der Bargteheider Kirche.

Bargteheide. Runde Brille. Lockenkopf. "Und der Lockenkopf kommt aus Stuttgart", sagt Jochen Weber. Ein Schwabe also. Und wieso hört man davon nichts? "Ich habe gelernt. Hochdeutsch. Die schwierigste Sprache überhaupt. Hebräisch war nichts dagegen", kommt die Antwort. "Aber s' gohd no" schiebt er im fröhlichen Angedenken an seine Heimat hinterher. Als die Kamera auf ihn gerichtet wird, wuschelt sich Jochen Weber über seine Naturlocken. "Ich bin nicht einmal frisiert. Zumindest fühlt sich das so an", sagt er und lacht. Der neue Bargteheider Pastor hat Humor. Am kommenden Sonntag wird er in sein Amt eingeführt.

So fröhlich war Jochen Weber in den vergangenen Monaten nicht immer. "Meine Frau und ich, wir haben uns getrennt", sagt er. Das war auch der Grund, warum er seine Pfarrstelle am Schleswiger Dom nach acht Jahren verlassen hat und nun in Bargteheide einen Neuanfang wagt. "Ich bin hier mit offenen Armen aufgenommen worden. Man hat mich erwartet. Und das tut richtig gut", sagt der Geistliche, der genauso gut in Hamburg hätte landen können. Weber: "Dann würde ich an der A 7 wohnen und wäre deutlich schneller in Schleswig." Dort will er immer noch hin, so oft es geht. Zu seinen drei Kindern: Benjamin ist fünf, Luise ist acht und Martina elf. "Ich besuche sie an den Wochenenden oder hole sie ab. Sie sind gleich am Anfang hier gewesen."

Im November war Jochen Weber nach Bargteheide gekommen. "Das letzte Mal bin ich in meiner Studentenzeit alleine umgezogen. Es war jetzt schon ein komisches Gefühl", sagt der Pastor und schaut sich etwas suchend um.

Seine Bilder sind noch in Kartons. Und da werden sie wohl auch bleiben. Sich von 260 Quadratmetern für eine große Familie - plus Dienstzimmer - auf 90 Quadratmeter umzustellen, ist auch logistisch eine Herausforderung. "Aber die Bücher stehen schon", sagt der 43-Jährige. Und das ist wichtig - auch für eine seiner privaten Lieblingsbeschäftigungen: das Lesen. "Ich liebe Krimis und mittelalterliche Romane." In der nächsten Zeit wird er dazu nicht so oft kommen. Jochen Weber will seine neue Gemeinde kennenlernen. Nach dem Weggang von Pastorin Martina Mayer-Köhn, für die er gekommen ist, wurden die Zuständigkeiten der drei Geistlichen neu geregelt. "Ich bin für einen Zipfel von Bargteheide zuständig", sagt Weber, "dazu kommen Jersbek, Timmerhorn, Klein Hansdorf und Ammersbek." Auch dort wartet man auf ihn. Weber: "Eine Dame aus dem Jersbeker Kirchengemeinderat hat mich gleich angerufen und mich herzlich willkommen geheißen. Das war ein tolles Gefühl." Toll auch deshalb, weil wenigstens das Dienst-Handy funktionierte. Seine Leitung in der Wohnung war noch tot. Ein großes Telekommunikations-Unternehmen hatte es nicht geschafft, den einen Anschluss rechtzeitig zu legen. "Ich war drei Wochen ohne Telefon und ohne Internet. Schrecklich. Jetzt steht das Tor zur Welt für mich wieder offen." Das klingt hoffungsvoll.

In Schleswig war Jochen Weber am Dom. Und fertig. "Jetzt bin ich ein Reisender", sagt er und meint damit sicher mehr als die Fahrten zu den Gemeinden im Amt Bargteheide-Land. Sein Auto wird ihn aufs Land bringen. "Unsere Familienkutsche", sagt er. Die Gedanken sind ihm von der Stirn abzulesen. "Meine Kinder fehlen mir so."

Der Start in die neue Stelle ist der Start in ein neues Leben. Die Theologie hatte darin für Jochen Weber schon immer einen festen Platz. Obwohl er kurz überlegt hatte, Elektrotechnik zu studieren. "Ich hatte Mathematik und Physik als Leistungskurse und Chemie im Grundkurs. Und EDV. Das ganze Programm. Nur Sprachen waren nicht mein Ding", sagt er frei heraus. Deutsch schon gar nicht. "Als Schwabe war das ein Problem. Für die Rechtschreibung bekam ich immer Abzüge. Aber was für ein Genuss das Alte Testament auf Hebräisch zu lesen", sagt er und schürzt entzückt die Lippen.

Jochen Weber entschied sich für das Spirituelle und studierte in Heidelberg und Greifswald. "Ich bin kirchlich groß geworden. Ich habe schon als Schüler in meiner Heimatgemeinde Ostfildern Kindergottesdienste und Freizeiten gestaltet." Die Partnerschaft mit einer DDR-Gemeinde und die gemeinsamen Friedensgebete in der Zeit um die Wende haben seine Bindung an die Kirche noch verstärkt. "Ich bin leidenschaftlich gern Pastor. Den Glauben gemeinsam teilen. Das ist mir wichtig", sagt Jochen Weber, der daher auch gern einen Bibel-Gesprächskreis in Bargteheide gründen möchte.

Am Sonntag, wenn Propst Hans-Jürgen Buhl ihm beim 11 Uhr-Festgottesdienst die Ernennungsurkunde überreichen wird, werden auch seine Kinder da sein. Denn auch diese Gemeinsamkeit will er bewahren, so gut es geht. Vielleicht hören sie ihren Papa beim nächsten Besuch nicht predigen, sondern in der Kirche singen. Auch das tut er leidenschaftlich. "Ich bin Bass und singe solo", sagt Jochen Weber. Und jetzt strahlt der Lockenkopf aus Schwaben wieder.