Bank-Geheimnisse: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Martin Lüdiger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Holstein.

Bad Oldesloe. Vorstandsvorsitzender. Das klingt gewichtig. Das klingt nach edlen Anzügen, dickem Auto und Unerreichbarkeit. Bei Martin Lüdiger hält sich all das in Grenzen. "Ich achte ein bisschen drauf. Sonst pass' ich nicht mehr in die Sachen", sagt der mit 65 Kilogramm eher leichtgewichtige Chef der Sparkasse Holstein, der mit Kollegen mittags Salat in der Kantine isst und selbst bei Pressekonferenzen so wenig aufträgt, dass er schon mal mit dem Filialleiter verwechselt wurde.

Acht Anzüge hängen in seinem überschaubaren Kleiderschrank. Auch das ist angesichts der Position eher bescheiden. Abgesehen davon: Wenn legere Kleidung auch nur irgendwie zum Anlass passt, lässt Martin Lüdiger die Jacketts hängen und erscheint zu Terminen im Ringelpulli. Gewichtig? Unkonventionell trifft es eher. "Wenn ich im Kino nichts sehen kann, hole ich mir eben einen Kindersitz als Auflage. Da kenne ich nix", sagt der Vorstandsvorsitzende. Warum die Körpergröße von 1,67 Meter mit großen Gesten und Worten aufplustern, wenn es praktische und wirksame Lösungen gibt.

Das mit dem dicken Auto für einen Vorstandsvorsitzenden stimmt schon eher. Und einen Chauffeur gibt es natürlich auch. "22 Jahre alt, der Sohn eines Mitarbeiters, total engagiert", sagt Martin Lüdiger, der sofort weg will vom Eindruck, es handele sich um ein Statussymbol. "Das ist einfach toll, weil ich durcharbeiten kann." Mails, Telefonate, lesen, Vorträge vorbereiten - das geht alles problemlos unterwegs im Auto. Und das ist ziemlich schnell, wie es sich für den Wagen eines Managers gehört. Aber bei Tempo 150 ist meistens Schluss. "Mein Leben ist auch so spannend genug", sagt Martin Lüdiger, "und ich möchte schließlich gesund ankommen."

Beruflich angekommen ist der 54-Jährige schon längst. "Ich wollte immer Vorstand einer Sparkasse werden", sagt der Oldesloer, der unkonventionell und im Termin-Nebel höherer Etagen durchaus noch erreichbar, aber auch zielstrebig ist. 2000 landete er im Vorstand der Sparkasse Stormarn. Sechs Jahre später fusionierte das Geldinstitut mit der Sparkasse Ostholstein zur neuen Sparkasse Holstein - mit Martin Lüdiger als Vorstandsvorsitzendem an der Spitze.

Er wollte gar nicht so hoch hinaus, sagt Martin Lüdiger. Aber dass die Sparkasse damals eine kritische Größe hatte und eine größere Einheit zwingend geboten war, sagt er auch. Und dass nicht jede Fusion eine Erfolgsgeschichte ist. Und dass er stolz ist auf die vergangenen elf Jahre. "Das war eine gute Zeit. Wir haben viel erreicht, viel Neues auf den Weg gebracht. Und wir sind ein gutes Team und haben hervorragende Leute", betont er und macht eine kleine Pause. "Ja, ich bin angekommen. Hier bleibe ich."

Martin Lüdiger hat ein großes Büro und kann Vorgaben machen. Er ist ganz oben. Ein Überflieger ist er nicht. Das Tempo muss beherrschbar sein. So ging es auch nicht mit 200 Sachen ohne Rücksicht auf Verluste auf die Überholspur. Es ging Schritt für Schritt: Sparkassenlehre nach dem Abitur, Studium der Volkswirtschaft, Auslandssemester in London, Promotion, Basisarbeit als Kreditsachbearbeiter und Firmenkundenbetreuer bei der Kieler Landesbank, Aufstieg zum stellvertretenden Bereichsleiter der Vertriebsabteilung Immobilienfinanzierung, dann ausgestiegen, um noch einmal bei der WestLB in Düsseldorf als Großkundenbetreuer im internationalen Geschäft neu einzusteigen.

Das Rechnen hat er in all der Zeit nicht verlernt, auch nicht in den Chefetagen. "Für mich sind zwei und zwei immer noch vier", sagt der Sparkassen-Chef und meint: Ehrlichkeit ist wichtig. "Auch wenn andere um Wahrheiten herumreden." Und hinter dem Rücken anderer zu reden, das geht für den Stormarner schon gar nicht. "Ich war immer unbequem, manchmal auch frech und bestimmt kein Diplomat. Ich bevorzuge das direkte Gespräch. Das hat mir auch Kritik eingebracht", sagt der Banker, der nicht nur erfolgreich, sondern auch gradlinig sein will: Ringelpulli statt Jackett - das hat bei ihm etwas Programmatisches. Vielleicht, weil er die Klischees über Banker zu Genüge kennt und unangenehm eindrucksvollen Exemplaren dieser Spezies auch schon gegenübergesessen hat. "Es war ein toller Deal, Unternehmenszukauf in Korea, mit Börsengang und allem Drum und Dran", erinnert sich Martin Lüdiger, "ich sehe ihn noch vor mir, mit dicker Zigarre." Auch an die Botschaft des Geschäftspartners erinnert er sich noch genau: "The only thing we want to make is money", was so viel heißt wie: Wir wollen Geld machen, sonst nichts. "Ja, so etwas gibt es auch", sagt der Sparkassenchef, "solche Typen können einem nur leid tun."

Aber warum ist er denn überhaupt Banker geworden? "Mich reizt die Analyse. Was ist möglich? Wie sind die Zusammenhänge? Wie lassen sich Dinge neu ausrichten? Das finde ich spannend - und den engen Kontakt zum Kunden", sagt Martin Lüdiger. Genauso spannend wie das Thema seiner Doktorarbeit? "Schwankungen des realen Wechselkurses und ihre makroökonomischen Implikationen für Beschäftigung, Volkseinkommen und Geldwert"? Da ließen sich andere Themen denken. "Stimmt", sagt der Sparkassenchef und schmunzelt norddeutsch sparsam, aber durchaus verständnisvoll. "Na ja, ursprünglich wollte ich über 'Die Bank als Kunstmäzen und Kunstsammler' schreiben", sagt Martin Lüdiger. Als wenn er's geahnt hätte: Die Sparkasse Holstein ist stark im Mäzenatentum. Sie hat ihre Stiftungen im vergangenen Jahr mit 4,2 Millionen Euro gefüttert, auch für Kulturprojekte.

Ein Zeichen der Kunstförderung hängt im Büro des Vorstandsvorsitzenden: ein großformatiges Bild der aus Großensee stammenden Malerin Katharina Duwe von ihrer jüngsten Ausstellung im Ahrensburger Marstall. Es passt zum Sparkassenchef: Es hat etwas Heiteres und trotz der Kraft, die dahintersteckt, auch eine Leichtigkeit.

Und was läuft beim Vorstandsvorsitzenden sonst noch so kulturell? "Mit Freunden die Westside-Story in der Staatsoper Hamburg ansehen und Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals anhören. Ich habe früher auch Klavier gespielt. Das war vielleicht gut fürs Taktgefühl. Ansonsten war ich ein hoffnungsloser Fall. Es ist gut für die Menschheit, dass ich damit aufgehört habe." Täglich eine halbe Stunde Jogging ist dagegen Pflicht - in aller Herrgottsfrühe um 6.45 Uhr. Dann noch 20 Liegestütze hinterher. Der Vorstandsvorsitzende schnallt auch gern die Ski an. Zieht er sich dann einen Muskelfaserriss zu, wie gerade im Urlaub in Österreich, jammert er nicht, sondern fängt früher an zu laufen, als der Arzt erlaubt. "Ich kann einfach nicht so lange warten", sagt der 54-Jährige, der es auch am Wochenende nicht lange im Bett aushält. "Spätestens um 7.30 Uhr bin ich sonnabends hoch, sonntags allerspätestens um 8.30 Uhr."

Also trotz äußerer Gelassenheit doch ein Getriebener? "Nein. Innere Ruhe bedeutet, das Gute zu haben, ohne danach zu streben", sagt Lüdiger. Das klingt philosophisch und fällt sicher leichter, wenn das Konto stimmt. "Klar ist das Leben komfortabler, wenn etwas übrig bleibt. Aber dafür müssen die Ausgaben niedriger als die Einnahmen sein. Als Handelsvorstand habe ich zuerst die Tagesspekulationen abgeschafft. Ich bin da ganz konservativ", bekennt der Sparkassen-Chef, der auch privat auf Nummer sicher geht. "Geldmarktkonto, Rentenpapiere, feste Aktien."

Das scheint vererbbar zu sein. "Meine Kinder sind alle Sparfüchse", sagt der dreifache Vater, der seit 27 Jahren verheiratet ist. Der älteste Sohn studiert bereits Betriebswirtschaft. Ob die anderen in die Branche folgen? "Muss nicht sein", sagt Martin Lüdiger. Es gebe auch Anderes. "Wenn die mich hier eines Tages nicht mehr haben wollten, würde ich mich selbstständig machen. Mir würde schon was einfallen. Aber bestimmt nicht, zwischen Flughäfen und Terminen hin- und herzuhetzen. Das ist es nicht", sagt der etwas andere Vorstandsvorsitzende.