Die Schlossstadt hatte einmal die einzige Synagoge in der Region. Auch daran wird am 9. November erinnert. 2003 neue Gemeinde gegründet.

Ahrensburg. Stolpersteine erinnern daran - so wie jener für den nach 1941 ermordeten Magnus Lehmann am Rondeel. Straßen erinnern daran - so wie die Veronika-Rath-Straße im Süden von Ahrensburg. Und auch der von einer Mauer umgebene jüdische Friedhof am Wulfsdorfer Weg erinnert noch daran. Daran, dass es in der Schlossstadt vor der Herrschaft der Nationalsozialisten eine jüdische Gemeinde gab. Dass sie existierte, jahrhundertelang, und dass sie in der Region etwas Besonderes war. Nur wenige Ahrensburger wissen es heute. Eine besondere Gedenkaktion (siehe unten) wird sich morgen unter anderem diesem Aspekt der Geschichte widmen.

"Ahrensburg hatte bis in die 1930er-Jahre als einziger Ort auf dem Gebiet des heutigen Kreises Stormarn eine jüdische Gemeinde mit eigener Synagoge", sagt die Historikerin Martina Moede, die viel zu dem Thema geforscht hat und die an der morgigen Veranstaltung teilnehmen wird. "Auch in Städten wie Bargteheide und Bad Oldesloe lebten vereinzelt Juden und jüdische Familien. Aber richtige Gemeinden gab es damals nur in Ahrensburg und in Wandsbek, das bis 1937 zu Stormarn gehörte", sagt Martina Moede.

In Ahrensburg hatten sich, so Moede, schon im Jahr 1788 zwei jüdische Familien niedergelassen. Dass sie gerade in dieser Ortschaft, dem damaligen adligen Gut der Familie Schimmelmann, dauerhaft sesshaft wurden, war einer rechtlichen Besonderheit zu verdanken.

"Im Jahr 1812 gab es einen gerichtlichen Erlass, speziell für Ahrensburger Familien. Das königlich-holsteinische Obergericht in Glückstadt erlaubte ihnen offiziell die Niederlassung. Das war in dem Gebiet, das damals zu Dänemark gehörte, eine Besonderheit", sagt die Historikerin. Der Erlass war mit strengen Auflagen versehen, die erst nach und nach erleichtert wurden. Jene beiden Familien, die die Namen Lehmann und Meyer trugen, bildeten die Keimzelle der jüdischen Gemeinde.

Ihr Zentrum war für mehr als 100 Jahre die Synagoge, die im Jahr 1822 eingerichtet werden durfte. "Sie befand sich im hinteren Teil eines Bauernhauses, das in der Nähe der Schlosskirche stand", sagt Martina Moede. Bis in die 1930er-Jahre fanden dort Gottesdienste statt. Historisch umstritten ist, ob die Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 niederbrannte oder später zerstört wurde. Sicher ist, dass sie nach 1945 nicht mehr existierte.

Wer waren die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, wie lebten sie? Laut Martina Moede bestand die Gemeinde die meiste Zeit aus sieben Familien, die sich schon am Anfang des 19. Jahrhunderts angesiedelt hatten. "In den 1930er-Jahren befolgten sie noch die religiösen Regeln. Aber sie nahmen auch am gesellschaftlichen Leben in der Stadt teil", sagt Martina Moede.

Besonders bekannt war die Familie Lehmann - eine wohlhabende Händlerfamilie, deren Kornspeicher in der Nähe des heutigen Lehmannstiegs stand. Hirsch Lehmann, der diesen Speicher in den 30er-Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Ludwig besaß, war Mitglied im Ahrensburger Kegelclub "Solide" - laut Martina Moede ein Zeichen für seinen gesellschaftlichen Rang. Sie betont aber, dass es auch in ärmeren Schichten Juden gab. "Ein Beispiel war Levy Cohn, der in den 20er-Jahren ein sehr bekannter Hausierer im Dorf war. Er hatte einen Bauchladen, handelte mit Dingen wie Obst und Nähnadeln."

Die Nationalsozialisten beendeten mit stetig wachsender Brutalität die Geschichte der Gemeinde. Schon am 1. April 1933 gab es einen reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte - auch in Ahrensburg. Mitglieder der NSDAP standen etwa vor dem Kornspeicher der Lehmanns - und auch vor der noch heute existierenden Adler-Apotheke an der Hagener Allee, die damals dem Juden Siegfried Riess gehörte. Einigen Ahrensburger Juden, wie mehreren Mitgliedern der Familie Lehmann, gelang später die Flucht aus Deutschland. Andere wurden deportiert und ermordet - wie Magnus Lehmann, der in Minsk starb. Im Jahr 1940 wurde die Gemeinde formell aufgelöst.

Erst im November 2003 gründete sich in Ahrensburg eine neue jüdische Gemeinde. Sie hat heute etwa 20 Mitglieder, die überwiegend aus Russland und der Ukraine stammen. "Wir fühlen uns in Ahrensburg sehr wohl. Aber wir haben nicht das Gefühl, dass sich jemand für uns interessiert", sagt die Vorsitzende Antje Rudolph. Am "Gang des Erinnerns" wird die Gemeinde nicht offiziell teilnehmen