Die Sonnabend-Serie: Wir stellen Vereine und ihre Mitglieder vor. Heute: Der Briefmarkensammlerverein Glinde, den es seit über 30 Jahren gibt.

Wenn es um Hans-Michael Dettmanns liebstes Hobby geht, kann er sehr überzeugend sein. "Doch, das geht", ist ein Satz, den er dann häufig sagt. "Doch, das geht", sagt er zu den Kindern, die mit acht, neun Jahren anfangen, Briefmarken zu sammeln und für die die Arbeit mit den dicken Katalogen manchmal eine Herausforderung ist. "Bisher hatte ich noch nie ein Problem damit, die Kinder zu begeistern", sagt Dettmann. Er widmet nicht nur den Großteil seiner Zeit den zackigen Marken, sondern ist auch selbst auf zack.

Überzeugen wollte der heute 61-Jährige auch den Vorstand, als er vor 30 Jahren den Vorsitz des Briefmarkensammlervereins Glinde übernahm und wenig später auch den der Jungen Briefmarkenfreunde Stormarn und Umgebung. "Früher haben die Jugendlichen nur den Erwachsenen zugeguckt", sagt Dettmann. Das habe er ändern wollen. Der Erfolg ließ aber zunächst auf sich warten. Er solle sich nicht wie ein "wild gewordener Berufsjugendlicher" benehmen, das hörte Dettmann, damals einer der jüngsten Vorsitzenden im Norden, oft.

Seit Januar 1978 gibt es den Verein, 1982 gründete sich die Jugend, die heute rund 40 Mitglieder hat. "Das Schöne am Briefmarkensammeln ist, dass man als Kind anfangen und bis ins hohe Alter dabeibleiben kann", sagt Dettmann.

In den Jugendgruppen erhalten die Mitglieder Hilfe beim Aufbau ihrer Sammlungen. "Es ist toll, wenn ich eine Reihe vollständig habe, Briefmarken sind cooler als Fußballbilder", sagt Luca, 10. Einmal im Monat organisiert der Verein einen Tauschtag. Etwa alle sechs Monate bauen die Philatelisten einen Infotisch in der Reinbeker Bibliothek auf. "Viele sammeln Briefmarken, aber die meisten für sich", sagt Dettmann, "so haben sie einen Ansprechpartner."

Engagement: Projektwochen in Schulen und Jugendfahrten nach Ungarn

Um die Kinder zu begeistern, scheut der Vorsitzende keinen Aufwand. Vier bis sechs Stunden Arbeit investiere er pro Tag in die Briefmarken. "Wenn eine Projektwoche ansteht, komme ich locker auf einen Zehn-Stunden-Tag", sagt der Frührentner. Entscheiden sich Schulen dafür, eine Unterrichtseinheit der Philatelie zu widmen, stellt sich Dettmann als Experte zur Verfügung. "Mir und den Kindern macht das viel Spaß. Oft wollen sie sogar die Pausen durcharbeiten."

Im Haus des Kuddewörders und seiner Frau Roswita, der Schriftführerin des Vereins, stapeln sich gelbe Postschwingen, gefüllt mit Briefumschlägen. "Mein Arbeitgeber überlässt mir seine geleerte Post, damit ich Briefmarken für die Kinder mitnehmen kann", sagt Roswita Dettmann, die eigentlich "in erster Linie" Teddys sammelt.

Um mit der Arbeit überhaupt hinterherzukommen, hat das Ehepaar sogar Briefmarken mit in den Ungarn-Urlaub genommen. Wie das meiste im Leben der Dettmanns hat auch ihr Ferienziel eine Vereinshistorie. Hans-Michael Dettmann ist seit 20 Jahren auch Mitglied im Sammelverein von Kaposvár, der Glinder Partnerstadt. "Wir waren die ersten in Glinde, die einen rein privaten Austausch auf die Beine gestellt haben", sagt Roswita Dettmann.

Anfang der 1980er-Jahre fuhr das Ehepaar zum ersten Mal mit einer Jugendgruppe nach Ungarn. "Dort herrschte noch tiefster Kommunismus. Wir mussten die Familien davon überzeugen, uns bei sich zu Hause aufzunehmen", sagt Dettmann. "Doch, das geht", habe er schon damals gesagt. "Den Ungarn haben wir dann ganz schnell gezeigt, dass wir nicht die ernsten Deutschen sind", erinnert sich seine Frau. "Meine Oma sitzt im Hühnerstall und fährt Motorrad" hat die heute 56-Jährige mit den Schülern gesungen. "Da war das Eis schnell gebrochen."

Aktuelles: Heute liegen andere Motive im Trend als früher

Noch heute besuchen die Dettmanns die ungarischen Schüler. Für die Kinder in Glinde bringen sie ungarische Briefmarken mit. "Es ist ja so, dass man heute anders sammelt als früher", sagt der Vorsitzende. Die älteren Mitglieder seien meist über ihre Familien zum Sammeln gekommen. "Heute gewinnen wir die jungen Mitglieder über die Projektwochen in den Schulen."

Früher habe man zudem eher "hässliche Marken" gesammelt. "Die waren sehr einfach, konnten aber im Laufe der Zeit durchaus wertvoll werden. Die Jugendlichen heute wollen lieber bunte Motive", sagt der 61-Jährige. So wie Moritz. "Ich sammle zurzeit Automotive", sagt der Zehnjährige. Den Dettmanns gefällt das. "Jeder soll seine Sammlung nach seinen persönlichen Vorstellungen gestalten", sagt die Schriftführerin. Ihre private Sammlung sei nicht besonders wertvoll. "Richtig große Brocken sind nicht dabei", sagt Hans-Michael Dettmann. Ihn interessierten sowieso mehr die besonderen Marken, die eine Geschichte erzählten.

Erfolg: Sammler finden gelegentlich zufällig wertvolle alte Marken

Einmal stieß der Vorsitzende auf Marken der sogenannten "Gelben Flotte", der Schiffe, die von 1967 bis 1975 im Suezkanal festsaßen. "Die Seeleute hatten Stempel aus Kartoffeln hergestellt und ihre eigenen Briefmarken geschaffen", sagt Dettmann. "So etwas zu finden ist schon toll." Ein anderes Mal übernahm er eine Sammlung, "die sonst keiner haben wollte". "Ein Mann überließ mir seine Post, die er aus der Kriegsgefangenschaft in Russland geschrieben hatte." Die Marken seien nicht wertvoll gewesen, dafür aber "Geschichte". "Als ich den Mann das nächste Mal auf der Straße getroffen habe, musste ich beichten, dass ich alle seine Briefe gelesen hatte."

Oft stoßen die Philatelisten aus reinem Zufall auf besondere Stücke.

Wenn er die Briefmarken anderer Sammler schätzt, macht Hans-Michael Dettmann das üblicherweise kostenlos. "Andere Vorsitzende nehmen dafür Geld, aber damit würde ich mir mein Hobby kaputtmachen." Im Gegenzug überlassen ihm einige Sammler Briefmarken als Dankeschön. Dabei ergibt sich manchmal Überraschendes. "Einmal habe ich eine ganz große Sammlung geschätzt, die leider nicht viel wert war", sagt der Kuddewörder. Zum Dank sollte er eine China-Sammlung bekommen. "Beim Durchsehen stellten wir fest, dass die Marken alle aus den 1960er-Jahren stammten, aus der Mao-Zeit", berichtet seine Frau. Während der Kulturrevolution waren viele der Marken vernichtet worden. "Dass wir diese Briefmarken auf dem Tisch hatten, war eine Sensation."

Zunächst allerdings sei es ein "heilloses Chaos" gewesen. Roswita Dettmann: "Wir haben vier Monate lang sortiert." Dann boten sie die Marken zum Verkauf an. "Der Preis ging immer weiter in die Höhe", sagt der Vorsitzende. Für 45 000 Mark - rund 23 000 Euro - habe der Besitzer sie schließlich verkauft. "Das war eigentlich noch zu früh. Heute würde er für die Sammlung einen sechsstelligen Eurobetrag bekommen."

Probleme: Es ist schwierig, Räume für Gruppentreffen zu finden

Immer öfter soll der Vorsitzende Sammlungen bewerten, häufig von Erben. "Zum Teil schenken sie mir dann auch ihre Briefmarken", sagt Dettmann. Die Marken bringen seine Frau und er den Kindern zu den Treffen mit. In Aumühle kommt alle 14 Tage eine Gruppe zusammen. "Dank des Roten Kreuzes haben wir dort jetzt wieder einen Platz", sagt Roswita Dettmann.

Es sei schwierig, geeignete Räume zu finden. "Schulen sind auch nicht die glücklichste Option. So ab 15 ist das Briefmarkensammeln ja eher verpönt, und die Jugendlichen haben Angst, dabei von Gleichaltrigen erwischt zu werden", sagt Hans-Michael Dettmann mit einem Lächeln. Dass sie darauf Rücksicht nehmen, versteht sich für die Dettmanns von selbst. Sie haben mit den Jugendlichen in drei Jahrzehnten viel erlebt. "Erste große Lieben, Streit mit den Eltern", zählt der Vorsitzende auf. Ein gute Tipp habe sich immer finden lassen.

"Doch, das geht", mit diesem Satz haben die Dettmanns den Verein während der vergangenen drei Jahrzehnte ausgebaut. Doch manchmal stießen sie auch an ihre Grenzen. "Einmal wollte ich eine Gruppe in Hamburg-Mümmelmannsberg aufbauen", sagt Roswita Dettmann. Viele türkische Mädchen hätten Interesse gehabt und wollten gern kommen. "Aber sie durften gar nicht oder nur in Begleitung ihrer Brüder." Die Hindernisse waren schließlich zu groß. "Irgendwann musste ich leider aufgeben", sagt die Schriftführerin, und man sieht ihr an, dass sie diesen Schritt bedauert.

Die Dettmanns sind stolz auf ihre jungen Vereinsmitglieder. "Ob es um den Kennedy-Mord geht oder darum, sämtliche Bundesländer mit Hauptstädten aufzuzählen", sagt der Vorsitzende, "die Kinder wissen ganz viel durch ihre Briefmarken." Ein bisschen Lernen gehöre auch dazu. Hans-Michael Dettmann: "Aber uns geht es darum, dass das Sammeln ein Hobby bleibt."

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