Neuer Eigentümer Takeda schließt Barsbütteler Forschungszentrum - aus finanziellen Gründen. Er will Stellen in Deutschland streichen.

Barsbüttel. Vor sechs Jahren wurden hier noch 23 Millionen Euro investiert, nun ist Schluss: Die Tierversuchsanstalt im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen wird geschlossen. Was die Bürger mit ihren Protesten gegen Tierversuche nicht geschafft haben, erledigt eine milliardenschwere Firmenübernahme. Die Firma Nycomed, zu der das Forschungszentrum zuletzt gehörte, wurde vor knapp einem Jahr von dem japanischen Pharmakonzern Takeda übernommen. Danach gab es das, was es in solchen Fällen häufig gibt: die Suche nach Rationalisierungsmöglichkeiten, die in einen Stellenabbau mündet. Insgesamt 1200 Stellen will Takeda in Deutschland streichen. Und dazu gehören eben auch die 100 Stellen in der Tierversuchsanstalt, deren offizieller Name wesentlich uneindeutiger ist: "Institut für Pharmakologie und Präklinische Arzneimittelsicherheit".

Ursprünglich hatte Takeda einen Käufer für das Forschungszentrum und seine Beschäftigten finden wollen. Aber daraus wird nun wohl nichts. Dazu Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller: "Ich habe gehört, dass das Forschungszentrum schon in Auflösung begriffen ist und im März ganz schließen wird." Eine Stellungnahme der Firma Takeda mit Sitz in Osaka war nicht zu bekommen.

Auf dem Grundstück an der Straße Am Walde in Willinghusen wird schon seit 80 Jahren geforscht. Anfangs wurden dort Wirkstoffe von Kräuterpflanzen unter die Lupe genommen, später ging es um Wirkstoff-Tests an Tieren. Was hinter den Mauern der Tierversuchsanstalt wirklich geschah, blieb der Öffentlichkeit lange Zeit verborgen. Im Jahr 2002 hatte die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn erstmals die Gelegenheit, das Forschungszentrum zu besichtigen. 200 Beagles wurden dort als Versuchshunde gehalten. Ein Versuch dauerte maximal zwölf Monate, danach wurden die Hunde getötet und die Organe untersucht.

Damals gehörte das Forschungszentrum noch zu dem Konstanzer Pharmariesen Byk Gulden, der wiederum Teil des Firmenimperiums der Großindustriellen-Familie Quandt war. Günther Quandt hatte vor und während des Zweiten Weltkriegs den Grundstein dafür gelegt. Er kam ursprünglich aus der Textilwirtschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb er die Aktienmehrheit an der Berliner Batteriefabrik AFA. In den Zwanzigerjahren war er mit Magda Ritschel verheiratet, der späteren Ehefrau des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels. Die AFA stellte unter anderem Batterien für U-Boote und Torpedos her. Sie erwarb 1941 die Oranienburger Pharmafirma Byk Gulden, die 1873 von dem jüdischen Chemiker Heinrich Byk gegründet worden war. Byk Gulden wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nach Konstanz verlagert.

1977 wurde das Unternehmen Bestandteil der Altana AG, an der die Quandts noch heute die Mehrheit halten. Die Pharmasparte wurde 2002 in die Altana Pharma AG ausgegliedert. Konzernsitz wurde Konstanz. 2006 erwarb die kleine dänische Firma Nycomed Altana Pharma und damit auch Byk Gulden - angeblich zum Preis von 4,7 Milliarden Euro. Mehrheitsaktionärin von Altana war damals Susanne Klatten, Enkelin von Günther Quandt.

Mit der Übernahme wurde auch der Standort Willinghusen ein Teil von Nycomed. Auf dem streng bewachten Gelände war zuvor kräftig investiert worden. Für 23 Millionen Euro entstanden neue Büros und Labore. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von 17 auf weit über 100. Ursache: In Hamburg-Wandsbek, wo die Pharmafirma an Ratten, Mäusen und Kaninchen geforscht hatte, gab es keinen Platz für notwendige Erweiterungen. Also wurde in Willinghusen neu gebaut, und die Wandsbeker Mitarbeiter waren von nun an in Barsbüttel tätig.

In Willinghusen hatten die Erweiterungspläne für massive Proteste gesorgt. Regelmäßig wurde vor dem Werkstor demonstriert. Im November 2002 stimmte die Gemeindevertretung dennoch für eine Änderung des Bebauungsplans.

Seitdem war es ruhig geworden in Willinghusen. Im Jahr 2006 waren die neuen Büros und Labore fertig. Die Gemeinde freute sich über hohe Gewerbesteuerzahlungen. Dann hatten die Finanzinvestoren, die hinter Nycomed standen, das Interesse an der Firma verloren. Takeda kaufte.