Zahl der Einbürgerungen nimmt ab. Das Netzwerk Migration und der Flüchtlingsbeauftragte Schleswig-Holsteins wollen das ändern.

Ahrensburg. Am Sonnabend um 10 Uhr war es wieder so weit. Hans Peter Weiß hat jedem einen Fragebogen in die Hand gedrückt und "viel Glück" gewünscht. Dann wurde es ernst. Eine Stunde Zeit hatten die Prüflinge, um 33 Fragen zu beantworten. In dem schlichten Raum in der Ahrensburger Volkshochschule sind viele Plätze unbesetzt geblieben. Nur acht Ausländer haben sich angemeldet, um den Einbürgerungstest zu machen. "Es werden immer weniger", sagt Weiß, der seit Jahren im Ahrensburger Netzwerk Migration tätig ist. In Stormarn wurden 2011 nur noch 163 Einbürgerungen vorgenommen, 2010 waren es 178. Schleswig-Holstein meldete 2011 das zweitschlechteste Ergebnis der vergangenen zehn Jahre: 3029 Einbürgerungen.

Stefan Schmidt, der Beauftragte für Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein, blickt voller Neid aufs Nachbarland Hamburg. Dort wurde im November 2010 die Werbekampagne "Hamburg. Mein Hafen. Deutschland. Mein Zuhause" gestartet. Prominente warben auf Plakaten dafür, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Seit Dezember 2011 werden die Bürger direkt angesprochen. Monat für Monat erhalten 4000 Ausländer, die schon länger in Hamburg leben, einen Brief vom Bürgermeister Olaf Scholz. Die Hamburger gehen nach Alphabet vor. In diesen Tagen bekommen diejenigen Post, deren Nachnamen mit "Gün-" beginnen. "Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich für die Einbürgerung entscheiden würden", heißt es in den Schreiben. Schmidt findet: "Ein offensives Werben um Einbürgerung ist sinnvoll, das sollten wir auch tun."

In der Tat hat sich in Hamburg etwas verändert. 2011 wurden in der Hansestadt 5639 Menschen eingebürgert, das ist der höchste Wert seit 2003. Bis Ende August dieses Jahres sind bereits 4645 Einbürgerungsanträge gestellt worden, rund 37 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Senat stellt in seiner Antwort auf eine Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Kazim Abaci fest, "dass das persönliche Werben des Bürgermeisters als positives Signal einer gelebten Willkommenskultur wahrgenommen wird und eine enorme Sogwirkung entfaltet hat".

Von einer solchen Sogwirkung ist Schleswig-Holstein weit entfernt. Zwar hat sich die damals noch schwarz-gelbe Landesregierung 2011 einen "Aktionsplan Integration" verordnet, verwirklicht wurde davon bislang kaum etwas. Ove Rahlf, Sprecher des Innenministeriums: "Zur Umsetzung des Plans wird das Ministerium auf die an der Einbürgerung beteiligten Akteure zugehen. Vorgesehen ist eine Informationsreihe zum Thema Einbürgerung. Zielgruppen orientiert sollen mögliche einbürgerungshindernde Informationsdefizite durch Vermittlung von Sachinformationen ausgeräumt werden." Laut Zentralregister lebten Ende 2011 rund 133.000 Ausländer in Schleswig-Holstein. In den Kreisen und kreisfreien Städten differieren die Zahlen stark. Im Kreis Pinneberg wohnen 21 406 Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben - das sind 16,05 Prozent aller Pinneberger. Im Kreis Plön leben nur 2938 Ausländer (2,2 Prozent). In Stormarn sind es 9988 (7,49 Prozent) im Kreis Segeberg 13.447 (10,09 Prozent). Zum Vergleich: In Hamburg sind es deutlich mehr: rund 236.000. Das entspricht etwa 13 Prozent der Gesamtbevölkerung, in Schleswig-Holstein sind es nur rund fünf Prozent.

Stefan Schmidt, Flüchtlingsbeauftragter des Landes, findet dennoch, dass es sich lohnt, das Werben um Einbürgerungswillige zu verstärken. "Da ist noch Reserve", sagt er. Die Vorteile für die Antragsteller lägen auf der Hand. "Wer sich einbürgern lässt, kann wählen und gewählt werden", sagt Schmidt. "Er kann tun, was sonst nur die Deutschen können." Wer Deutscher ist, muss nicht mehr zur Behörde, um aufenthaltsrechtliche Fragen klären zu lassen.

Weiterer Vorteil: In der Behörde fällt weniger Arbeit an. In Schleswig-Holstein sind die Behörden der Kreise und kreisfreien Städte für Einbürgerungen zuständig. Die einen laden zu einer Feier in festlichem Rahmen ein, andere machen es unaufwendiger, individueller. Astrid Matern, Fachdienstleiterin in Stormarn, hat in diesem Jahr schon 150 Ausländer zu deutschen Staatsbürgern gemacht. Wann das geschieht, können die Antragsteller entscheiden. "Wenn es jemand vor der Arbeit machen will, dann bürgere ich auch morgens um halb sieben ein", sagt sie. Der Vorteil des kleinen Rahmens liege auf der Hand. "Man kann ganz in Ruhe alle Fragen besprechen, die sich im Zusammenhang mit der neuen Staatsbürgerschaft noch stellen", sagt sie. "Neulich hat jemand wissen wollen: 'Kann ich jetzt eigentlich noch in der Türkei beerdigt werden?' Diese Frage wäre bei einer Feier mit vielen Menschen nie gestellt worden."

Für die meisten ihrer Antragsteller sei die Einbürgerung ein feierlicher Moment. "Kaum jemand kommt allein zu mir", sagt Astrid Matern, "die meisten werden von Freunden oder Familienangehörigen begleitet." Matern wird wohl bald die nächsten Einbürgerungen vornehmen müssen - für die acht Frauen und Männern, die Hans Peter Weiß am Sonnabend in der Volkshochschule Ahrensburg begrüßt hat.