Verkehrspolitische Sprecher aus Kiel und Hamburg diskutieren in Bad Oldesloe. Verwirklichung hänge vor allem von der Finanzierung ab.

Bad Oldesloe. Der Mann aus Kiel hatte offenbar mit mehr Widerstand gerechnet. Und so bedankte sich Andreas Tietze, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, gleich mit seinen ersten Worten bei den Besuchern der Diskussionsrunde, dass sie "die Tomaten und Eier zu Hause gelassen" hatten. Das jedoch hinderte viele der im Oldesloer Bürgerhaus erschienenen Parteifreunde und Gäste nicht daran, dem Landespolitiker mit einem gewissen Argwohn zu begegnen.

Grund für das Misstrauen: Das Thema des Abends war die S-Bahn-Linie 4, jenes verkehrspolitische Großprojekt, das sich so viele Stormarner für eine bessere Verkehrsanbindung an Hamburg seit Jahrzehnten sehnlichst wünschen. Und Andreas Tietze war es, der kurz nach Antritt der neuen Kieler Regierungskoalition durch ein Interview mit dem Hamburger Abendblatt für mächtig Wirbel gesorgt hatte. Denn neben der S 4 hat sich die Dänen-Ampel noch zwei weitere Großprojekte in den Koalitionsvertrag geschrieben: den Ausbau der AKN-Strecke Hamburg-Kaltenkirchen zur S 21 und eine StadtRegionalBahn (SRB) in der Landeshauptstadt Kiel. "Wir haben in der Priorität die SRB und die S 21" war der Satz, der seinerzeit vor allem in Stormarn für Ärger gesorgt hatte.

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Zwar war Tietze tags darauf eifrig zurückgerudert, nicht zuletzt angetrieben durch die heftigen Reaktionen, die seine Aussagen auch in den eigenen Reihen hervorgerufen hatten. Und auch bei der von den Stormarner Grünen initiierten Diskussionsrunde in Bad Oldesloe bemühte er sich nochmals, die Wogen zu glätten. "Es war nie meine Absicht, die verschiedenen Verkehrsprojekte gegeneinander auszuspielen, sie zu einem Entweder-Oder zu machen." Wie zum Beweis verlas er seine in der Landtagsdrucksache protokollierten Aussagen aus der parlamentarischen Debatte im Sommer, die den durch seine Formulierungen ausgelösten "Irritationen" gefolgt war. Gleichwohl stellte er aber klar, dass es für die beiden anderen Vorhaben keine "Projektsperre" zugunsten der S 4 geben werde, wenn letztere beim Planungsfortschritt zeitlich hinterherhinke.

Ganz ohne Widerstand ging der Abend für die beiden Diskutanten auf dem Podium - neben Tietze war sein Hamburger Pendant Till Steffen zu Gast - dann aber doch nicht über die Bühne. Doch der Gegenwind blies aus unerwarteter Richtung. Denn unter den Besuchern waren auch einige sich durchaus lautstark artikulierende S-4-Gegner. Manche stellten das Projekt in Gänze in Frage ("Warum sollen wir Hunderte Millionen Euro ausgeben, wenn wir doch eine funktionierende Regionalbahnverbindung haben?"), andere waren aus Hamburg angereist und bemängelten die ihrer Meinung nach unzureichende Bürgerbeteiligung und die Verteilung der neuen Bahnhöfe auf Hamburger Stadtgebiet.

Till Steffen, ehemaliger Hamburger Justizsenator, zeigte sich entsprechend überrascht. "Ich kenne kein anderes Verkehrsprojekt, das in Hamburg so einhellige und parteiübergreifende Zustimmung gefunden hat wie die S 4", stellte er den Stand der politischen Diskussion in der Hansestadt dar. Als Gründe nannte er den Erfolg der S-Bahn-Verlängerung bis Stade, den zu erwartenden Verkehr durch die geplante feste Fehmarnbeltquerung und in erster Linie die Überlastung der Hamburger Hauptbahnhofs.

Einig waren sich Tietze und Steffen in der Einschätzung, dass die Verwirklichung des Projekts vor allem eine Frage der Finanzierung sei. Und hier gelte es, den Bund als Geldgeber mit ins Boot zu holen. Der muss den Löwenanteil der auf derzeit 350 Millionen Euro geschätzten Kosten tragen. Dabei komme es entscheidend auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis an, das in einem für Anfang 2013 erwarteten Gutachten ermittelt wird.

Ruth Kastner, Landesvorsitzende der Grünen, Bargteheiderin und vehemente S 4-Befürworterin, hatte schon zu Beginn der Veranstaltung versucht, der Aufregung um Andreas Tietzes Äußerungen etwas Positives abzugewinnen. "Er hat mit seiner Irritation sensibilisiert", sagte die Moderatorin, "und dadurch ist es ihm gelungen, das Thema noch einmal zu befördern."