Die Vermieter des Modeladens der rechten Szene in Glinde fühlen sich getäuscht. Sie hätten nichts über die Geschäfte ihres Mieters gewusst.

Lübeck/Glinde. Wie viele Vertragsvarianten gab es? Wie umfangreich waren sie? Waren sie geringt oder handelte es sich um lose Blätter? Wer war bei der Unterzeichung der Verträge dabei? Und vor allem: Was stand in welcher Vertragsvariante? Es waren die Details, die Claus Fink, Vorsitzender Richter am Landgericht Lübeck, vor dem gestern die Räumungsklage gegen den Glinder Thor-Steinar-Laden Tonsberg weiter verhandelt wurde, akribisch interessierten.

Allein fünf Stunden lang dauerte die Befragung der ersten drei wichtigsten Zeugen, der Angehörigen des Klägers Jürgen Herbst, der aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht zur Verhandlung gekommen war. Dafür beschrieben jedoch seine Ehefrau Margarita Herbst, seine Tochter Sigrid Herbst und sein Schwiegersohn Michael Bijeck-Herbst nacheinander, wie sich die Vertragsunterzeichnung abgespielt hatte.

+++ Streit um Thor-Steinar-Laden - Prozess wird fortgesetzt +++

Vor allem um eine Frage drehte es sich immer und immer wieder: Hatten die Mieter die Glinder Vermieter darauf aufmerksam gemacht, was genau in dem Geschäft verkauft werden soll und welche Konsequenzen sich daraus rund um das Geschäft ergeben könnten?

Denn laut eines Urteils des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe sind Mieter von Gewerberäumen dazu verpflichtet, auch ohne Nachfrage "außergewöhnliche Umstände" mitzuteilen, die dem Vermieter "offensichtlich von erheblicher Bedeutung sind" - dazu zählt auch, dass es vor dem Laden zu Ausschreitungen kommen kann.

Und eben genau das sei dem Vermieter vor Vertragsabschluss nicht mitgeteilt worden. "Es wurde in keiner Weise Thor Steinar erwähnt. Es war immer nur von der Bestmarke die Rede", sagte Sigrid Herbst. Dabei habe sie mehrfach versucht, sich danach zu erkundigen, welche Bekleidungsmarken verkauft werden sollten. "Aber es hieß immer nur, es sei Outdoorbekleidung im norwegischen Stil, ein Gegenstück zu Jack Wolfskin", sagt auch ihre Mutter Margarita Herbst.

+++ Hitlergruß vor Thor-Steinar-Laden +++

Dass es sich letztendlich um die in der rechten Szene beliebte Modemarke Thor Steinar handeln sollte, hätten sie erst später erfahren, als sie mitten in der Nacht nach Vertragsabschluss sich die bereits unterzeichneten Verträge noch einmal ansahen. Denn: Aus dem Vorvertrag hatte sich der Schwiegersohn eine Kopie des Briefkopfes der Firma gemacht, um später aus Neugierde im Internet zu recherchieren, wie das Ladensortiment aussehen könnte. "Erst da fanden wir heraus, dass es Thor Steinar sein könnte", sagte Michael Bijck-Herbst, der seiner Schwiegermutter sofort riet, sich den Inhalt des Mietvertrags noch einmal genauer anzusehen.

Erst dann seien ihnen zwei Absätze aufgefallen, die in einem Vorvertrag, den sie zunächst zu lesen bekommen hatten, fehlten. "Meine Tochter hatte das Papier vor dem Unterschreiben ja vorgelesen, und wir haben es noch einmal einzeln gelesen: Hätte da Thor Steinar dringestanden und dass es zu Ausschreitungen und Tumulten kommen kann, da hätten doch alle Glocken bei uns geläutet", versuchte Margarita Herbst dem Gericht glaubhaft zu machen. Doch die erste Vertragsvariante sei nach dem Unterschreiben aller Parteien verloren gegangen. Viele verschiedene DIN-A4-Papiere hätten auf dem Tisch gelegen, die dann von Mieterseite zusammengelegt und geringt worden seien.

Dass es einen Vorvertrag oder auch ein Sichtexemplar zum Mietvertrag gegeben hätte, bestätigte auch die Gegenseite. Unter den Zeugen war gestern auch der bereits durch die Modemarke Thor Steinar mehrfach in der Presse bekannt gewordene Uwe Meusel. Leger gekleidet, mit Sportsonnenbrille und dunkelblauem Pulli mit V-Ausschnitt bekleidet, erklärte er jedoch, dass auch er nicht wisse, wo das erste Exemplar, das die Herbsts zuerst zu lesen bekamen, abgeblieben war.

Jedoch beharrte Meusel, der ebenfalls bei der Vertragsunterzeichnung dabei war, darauf, dass die Mieter informiert waren. So habe nicht nur im Mietvertrag gestanden, dass es sich bei der Kleidung, die im Geschäft verkauft werden soll, um Thor-Steinar-Kleidung handele. Außerdem habe es eine Klausel gegeben, die darauf hinwies, dass es vor dem Geschäft zu Tumulten und Ausschreitungen kommen kann. Die Textilfachangestellte Franziska Krebes, die nach eigenen Angaben als Gebietsleiterin für die Bestmarke GmbH arbeite und ebenfalls bei Vertragsabschluss anwesend war, konnte sich daran jedoch nicht genau erinnern. "Ich gehe davon aus, dass es dringestanden hat", sagte die blonde 34-Jährige.

Bisher steht im Fall der Räumungsklage nun Aussage gegen Aussage. Am 11. Oktober soll es mit der Beweisaufnahme und weiteren Zeugenbefragungen weitergehen.

Auch einige Glinder und Mitglieder der Bürgerinitiative Glinder gegen rechts waren zur Gerichtsverhandlung gekommen: "Wir hoffen, dass Herbsts Erfolg haben werden."