Ein 23 Jahre alter Glinder muss sich vor dem Reinbeker Amtsgericht verantworten. Bürgerinitiative mahnt: Das ist kein Einzelfall.

Glinde. Knapp ein halbes Jahr nach der Eröffnung des Thor-Steinar-Geschäftes in Glinde kommt es zu einem ersten Gerichtstermin. Mitte April muss sich ein 23 Jahre alter Glinder vor dem Amtsgericht in Reinbek wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten. Er hatte Ende September in dem Tønsberg-Laden eingekauft und beim Verlassen des Geschäftes gegenüber Mitgliedern der Bürgerinitiative, die dort täglich Mahnwachen abhalten, den rechten Arm gehoben und "Heil" gerufen.

"Es muss so gegen 17 Uhr gewesen sein. Die Mahnwache war an diesem Tag sehr weit vorgerückt, etwa bis zur Mitte des Parkplatzes. Einige hatten ihre Trillerpfeifen ausgepackt, als der junge Mann herauskam", erinnert sich einer der Protestler, der am 17. April als einer von drei Zeugen vor dem Amtsgericht gegen den 23-Jährigen aussagen muss. "Das war reine Provokation", sagt der Zeuge, der gemeinsam mit anderen Teilnehmern der Mahnwache eine Polizeistreife in der Nähe alarmierte, die sogleich die Personalien des jungen Glinders aufnahm. Der soll auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch triumphierend seine Einkaufstüte in die Luft gehoben haben.

Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Anklage erhoben. "Das Zeigen des Hitlergrußes wird laut Paragraf 86 a des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet", sagt Klaus-Dieter Schultz, Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck. Bisher sei der Angeklagte noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten - zumindest nicht im Bereich der Lübecker Anklagebehörde.

+++ Großdemo mit Breakdance und Samba am 17. März +++

In den vergangenen Monaten sei das Zeigen des Hitlergrußes häufiger vorgekommen, sagt Johannes Ratzek, Sprecher der Bürgerinitiative. Immer wieder würden junge Männer mit ihren Autos an der Mahnwache vorbeifahren, aus dem Fenster den rechten Arm heben und die Demonstranten provozieren. "Es ist sogar schon vorgekommen, dass mit Steinen gefüllte Dosen auf unser Zelt geworfen wurden", sagt Ratzek.

Zu weiteren Anzeigen ist es laut Polizei bisher aber nicht gekommen. Bei den Demonstranten, die seit September jeden Nachmittag vor dem Geschäft an der Möllner Landstraße bei Wind und Wetter ausharren, sei manchmal auch Aufregung und Angst zu spüren, so Ratzek. Sie fühlten sich von der Polizei nicht genügend geschützt. "Es dauert bis zu 20 Minuten, bis die Polizei eintrifft, wenn sie einer ruft", sagt Ratzek. Zwar funktioniere die Zusammenarbeit mit den Beamten in Glinde sehr gut, doch dauere es in einigen Fällen einfach zu lange, bis sie nach einem Anruf vor dem Geschäft und der Mahnwache mit einem Streifenwagen auftauchten.

Zu wirklich brenzligen Situationen sei es zwar noch nicht gekommen, so Ratzek. Er schätzt aber, dass dies auch daran liege, dass der Widerstand extrem friedlich sei. Etwa 15 bis 30 Protestler, jung und alt, bauen vor dem Laden täglich ihren kleinen weißen Pavillon auf, legen Gummimatten aus, um keine kalten Füße zu bekommen, stellen alkoholfreien Punsch und Früchtetee zum Aufwärmen bereit. Mit dabei haben sie lediglich Trillerpfeifen, die sie immer dann auspacken, wenn sich ein Kunde dem Laden nähert oder einer wieder herauskommt - mit oder ohne Einkaufstüte.

"Wir fahren jeden Tag Streife und halten auch vor dem Laden, um Präsenz zu zeigen und präventiv tätig zu sein", sagt Joachim Albrecht von der Polizeizentralstation Glinde. Er schätzt die Lage vor dem Geschäft und der Mahnwache an der Möllner Landstraße als insgesamt sehr friedlich ein. Hin und wieder gebe es kleine Wortgeplänkel.

Den Protest einschränken oder gar aufgeben wollen die Mitglieder der Bürgerinitiative aber auf gar keinen Fall. "Es ist momentan die einzige Möglichkeit, gegen den Laden vorzugehen", sagt Johannes Ratzek. Denn juristisch seien die Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Mietvertrag läuft über fünf Jahre.

Nicht nur die Protestler machen sich keine großen Hoffnungen, die unbeliebten Mieter schnell aus der Stadt zu bekommen. Auch Christan Verstege, der Anwalt der Vermieterseite, der vor dem Landgericht Lübeck eine Räumungsklage angestrengt hat, rechnet mit einem längeren Verfahren.

Die Vermieterin fühlt sich arglistig getäuscht. Sie berichtete, dass ihr vor Vertragsabschluss verheimlicht wurde, dass die Marke Thor Steinar in dem Geschäft angeboten werden solle. Als sie den Pächter damit konfrontierte und um die Auflösung des Vertrags bat, habe der Mann gegen eine Zahlung von 200 000 Euro angeboten, Glinde wieder zu verlassen.

Mit einer erstinstanzlichen juristischen Entscheidung kann am 22. März gerechnet werden. Dann treffen sich Vermieter und Mieter erstmals vor dem Landgericht in Lübeck. Für Anwalt Verstege steht fest, dass seine Mandantin den Mietern auf gar keinen Fall Geld zahlen werde, um sie loszuwerden.