Nach dem Feuer in Tangstedt gab es eine Welle der Hilfsbereitschaft. Die Familie Dahlheim hat alles verloren - und dennoch viel gewonnen.

Tangstedt. Der Tannenbaum ist mit bunten Kugeln und Schleifen geschmückt, auf dem niedrigen Couchtisch steht Torte, der Fußboden des Wohnzimmers ist ein Meer aus Spielsachen- "Das ist das beste Weihnachten überhaupt", sagt der elf Jahre alte Alexander. So viele Geschenke auf einmal hat der Schüler noch nie bekommen.

Seine Familie dagegen hatte sich die Festtage eigentlich ganz anders vorgestellt. Tanja, 35, und Günther Dahlheim, 50, aus Tangstedt und ihre Kinder Alexander, 11, Katja, 10, Tonja, 6, und Ole Maximilan, 2, haben bei einem Feuer in der Nacht vor Heiligabend ihr Zuhause verloren. Alle 18 Bewohner des Mehrfamilienhauses in der Dorfstraße wurden wegen eines Brandes im Dachstuhl obdachlos. Und doch sitzen die sechs Dahlheims am zweiten Weihnachtsfeiertag mit Verwandten und Freunden im Wohnzimmer eines 100 Quadratmeter großen Hauses in Tangstedt-Wilstedt, packen Geschenke aus und feiern. "Wir haben so viel Hilfe aus der Gemeinde bekommen, das ist einfach toll", sagt Tanja Dahlheim.

Das Haus stellten die Handwerker Stephan Doriwat und Andreas Schacht der Familie zur Verfügung. "Zwei Kameraden von der Feuerwehr haben uns morgens von dem Unglück erzählt. Das Haus stand gerade leer, und wir wollten helfen", sagt Doriwat. Schon am Vormittag nach dem Brand hatte die Gemeinde für alle 18 Bewohner eine Bleibe gefunden. Viele Dorfbewohner gaben Kleidung, Lebensmittel und anderen Spenden. "Die Leute hatten ja nur ihre Schlafanzüge an", sagt Brigitte Schippmann, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes in Tangstedt. "Die Ersthilfe funktionierte wunderbar. Bürger, Gastronomen und Firmen haben geholfen." Nun will die Gemeinde ein Spendenkonto für die Familien einrichten. Schippmann: "Die Menschen brauchen jetzt auch die Möglichkeit, sich selbst Dinge kaufen zu können."

Den Schulranzen des elfjährigen Alexander konnte Familie Dahlheim noch aus dem zerstörten Haus retten. Der von Tochter Katja verbrannte. "Eine Freundin erklärte sich sofort bereit, neue Schulsachen einzukaufen", sagt ihre Mutter. Für die Familie ist es nun am wichtigsten, eine neue Wohnung zu finden. "Mit vier Kindern ist das schwer. Preiswert müsste es sein, und natürlich würden wir gerne in der Gemeinde bleiben, schon damit die Kinder nicht die Schule wechseln müssen."

Das Weihnachtsessen spendierte die Tangstedter Mühle den Dahlheims. "Wir haben eine tolle Dorfgemeinschaft", sagt Tanja Dahlheim. "Es ist einfach schön, dass wir auch so viele Geschenke für die Kinder bekommen haben." Sogar einen Tannenbaum hat ein Nachbar vorbeigebracht. "Wir wissen noch nicht einmal, von wem der Baum kommt. Die Kinder waren schon ganz traurig, weil der Weihnachtsbaum in der Wohnung verbrannt ist und auf einmal stand ein neuer da." Die Haustiere der Familie konnten die Feuerwehrleute bei dem Unglück retten. Sieben Kaninchen und zwei Vögel holten die Einsatzkräfte aus den Flammen. "Mein Meerschweinchen haben sie erst danach gefunden. Es hatte sich vor lauter Angst verkrochen", sagt Tanja Dahlheim. "Aber alle sind gesund, das ist total cool."

Die Familie lebte Wand an der Wand mit dem Nachbarn, dessen Wohnung vor sechs Monaten schon einmal ausgebrannt war. Das Feuer wurde damals schnell entdeckt, so dass bei den Dahlheims kein großer materieller Schaden entstand. "Damals musste ich sogar ins Krankenhaus mit Verdacht auf Herzinfarkt, weil ich so unter Schock stand", erzählt Mutter Tanja. Dieses Mal chattete die 35-Jährige gerade am Computer mit einer Freundin, als ihr Nachbar um 0.26 Uhr an der Tür klingelte. "Er rief: 'Es brennt!'. Da habe ich nur schnell die Kinder gepackt und mich ins Auto gesetzt. Wir sind durch eine weiße Nebelwand gefahren, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen", erzählt sie. Die 35-Jährige erinnert sich, dass kurz nach Mitternacht der Fernseher auf einmal ausging. "Da muss das Feuer die Kabel auf dem Dachboden angegriffen haben. Danach hat es bestimmt noch eine halbe Stunde weiter gebrannt, bis die Feuerwehr kam."

Bis auf einige wenige Dinge hat die Familie alles bei dem Feuer verloren. Trotzdem sind sie froh und dankbar über die Hilfe von Freunden, Verwandten und auch Fremden. "Wir hatten das schönste Weihnachtsfest, das in dieser Situation möglich war", sagt Tanja Dahlheim. "Wir haben gemerkt, dass in unserer Dorfgemeinschaft jeder für jeden da ist."

(abendblatt.de)