20 Menschen fliehen vor den Flammen. Ein Feuerwehrmann verliert zum zweiten Mal in sechs Monaten seine Wohnung durch einen Brand.

Tangstedt. Die Menschen tragen Schlafanzüge und Hausschuhe. Fassungslos schauen sie auf das Dach des Mehrfamilienhauses, in dem sie eben noch friedlich geschlafen haben. Meterhohe Flammen schlagen durchs Gebälk. Die Feuerwehr der Gemeinde Tangstedt (Kreis Stormarn) hat Verstärkung aus den benachbarten Orten angefordert, doch gegen dieses Feuer sind die Einsatzkräfte nahezu machtlos.

Die Flammen und das Löschwasser zerstören sämtliche Wohnungen in dem Gebäude an der Dorfstraße. 15 Erwachsene und fünf Kinder haben kein Zuhause mehr und werden Weihnachten in Notunterkünften verbringen.

Gegen 0.40 Uhr hatten Bewohner den Brand im Dachgeschoss bemerkt und die Feuerwehr gerufen. Da sich die Flammen rasend schnell ausbreiteten, entschloss sich die Einsatzleitung, das Gebäude sofort zu räumen. Feuerwehrleute trommelten gegen die Haustüren und riefen die Menschen auf, sich sofort ins Freie zu retten. "Manche Leute sind barfuß und im Schlaf aus dem Haus gekommen", berichtet Bürgermeister Hans-Detlef Taube. Die Menschen überstanden das Unglück unverletzt, doch viele standen sichtlich unter Schock. Notfallseelsorger übernahmen im Rathaus die Betreuung.

An der Einsatzstelle mussten die Löschmannschaften die Versuche abbrechen, den Brand im Innern des Gebäudes zu löschen. Teile des brennenden Daches stürzten in die darunter liegende Wohnung. Die Löschtrupps mussten sich zurückziehen. Zuvor war es ihnen noch gelungen, mehrere Haustiere aus den Wohnungen zu retten. "In der Nacht haben wir Kaninchen und Vögel herausgeholt", berichtet ein Feuerwehrmann. "Als das Feuer gelöscht war, haben wir zwei Katzen gefunden, die sich verkrochen hatten." Die Tiere leben. Ein Feuerwehrmann erlitt an der Unglückstelle einen Schwächeanfall.

Der Feuerwehrmann Danny Wartmann steht am Morgen nach dem Brand in seiner Einsatzkleidung vor dem abgesperrten Eingang des Hauses. Der 33-Jährige, der in dem Gebäude wohnte, hat zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten sein Zuhause verloren. Damals brannte seine Wohnung aus. Sachverständige der Polizei stellten fest, dass ein Kurzschluss zum Ausbruch des Feuers geführt hatte. "Das war ein Totalschaden", sagt Wartmann. Schnell fand er nach dem Brand im selben Haus eine Einzimmerwohnung, die als Notunterkunft gedacht war. Jetzt ist auch dieses Zuhause zerstört. "Es ist alles nass", sagt Wartmann. Bis zum Morgen hatte er seine Kameraden bei den Löscharbeiten unterstützt. Jetzt denkt er über Weihnachten nach. Seine Ex-Freundin hat ihn eingeladen, die Festtage bei ihr mit den gemeinsamen Kindern zu verbringen.

Im Rathaus bemühen sich der Bürgermeister und seine Mitarbeiter, die Bewohner des Hauses zu versorgen. "Die Leute besitzen nur noch das, was sie am Körper tragen", sagt ein Helfer. In der Kleiderkammer des Roten Kreuzes erhalten die Menschen neue Kleidung. Das Ordnungsamt mietet kurzfristig neue Wohnungen in Tangstedt und in den Nachbardörfern an. Das Rote Kreuz hilft bei der Beschaffung von Möbeln. "Außerdem versuchen wir, Ausstellungsstücke bei Möbel Kraft zu bekommen", sagt Reiner Lietsch von der Amtsverwaltung. Am späten Vormittag sind alle Bewohner in ihre neuen Wohnungen eingezogen.

Viele Tangstedter Bürger brachten Spenden ins Rathaus. Im Foyer wurde eine kleine Sammelstelle eingerichtet. Dort stapelten sich Kleidersäcke, Spielzeug und Hygieneartikel.

Im Gemeindekindergarten trafen sich Mütter, um weitere Hilfen zu organisieren. Eine Familie hatte einen Kinderwagen für ein Mädchen aus dem Haus an der Dorfstraße gespendet. Das Kind, deren Eltern aus dem Kosovo stammen, war in der Unglücksnacht ein Jahr alt geworden.

"Ich habe für 50 Euro eingekauft", sagt eine junge Tangstedterin. Sie hat Duschgel, Kinderkleidung und ein Geschenk für das kleine Geburtstagskind mitgebracht.

In dem Haus an der Dorfstraße beginnen Ermittler der Norderstedter Kripo mit der Suche nach der Brandursache. Sie sind sicher, dass das Feuer im Dachgeschoss ausgebrochen war. Ein Sachverständiger des Landeskriminalamts in Kiel unterstützt sie dabei. Die Polizei geht von einem Schaden von mindestens 500 000 Euro aus.

Ob die Bewohner jemals wieder in das Haus zurückkehren können, ist unklar. Nach dem achtstündigen Brand könne man das Haus eigentlich nur noch "umstoßen", sagt Rudolf Körner, Einsatzleiter der Feuerwehr.