Schleswig-Holsteins Innenminister Schlie will Personal in Lübecker Einsatzzentrale wieder aufstocken - ohne neue Stellen zu besetzen.

Lübeck. Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie hat zugesagt, die Personalstärke in den landesweit vier Polizeileitstellen im kommenden Jahr hochzufahren. "2012 wird es wieder 200 Planstellen geben", kündigte der CDU-Politiker gestern Nachmittag bei einem Besuch der im Februar ans Netz gegangenen Einsatzleitzentrale Südwind in Lübeck an.

Dort laufen auch alle 110-Notrufe aus Stormarn auf. Die Leistungsfähigkeit der neuen Leitstelle geriet in der vergangenen Woche in die Kritik, nachdem bekannt geworden war, dass 15 Prozent aller Anrufer länger als 20 Sekunden auf das Gespräch mit einem Beamten warten müssen, einige von ihnen sogar bis zu zwei Minuten lang (wir berichteten). Die selbst gesetzte Frist von neun Sekunden wird nur in 60 Prozent aller Fälle eingehalten. Die Polizeidirektion Lübeck selbst hatte auf diesen Missstand aufmerksam gemacht.

200 Beamte - das entspricht fast exakt der Personalstärke vor der Reform des Notrufwesens. Nur gingen sie seinerzeit nicht in vier, sondern in 15 Leitstellen ihrer Arbeit nach. Ursprünglich sei geplant gewesen, das Personal mit der Zentralisierung auf 154 Dienstposten zu reduzieren, so Schlie. "Aber das war blanke Theorie." Inzwischen liege die Zahl der Planstellen "noch etwas unter 200".

Woher werden die zusätzlichen Polizisten an den Dispositionstischen kommen? Für Joachim Gutt vom Landespolizeiamt ist die Sache klar: von der Straße. Gutt: "Mit Respekt, Herr Minister, es wird keinen Mann und keine Maus mehr geben."

+++ Notruf mit Wartezeit jetzt schaltet sich der Innenminister ein +++

Diese Einschätzung teilt auch Manfred Börner aus Ratzeburg, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Das ist so", sagt er, und es sei bedauerlich. "Seit Jahren versuchen wir, durch Umsteuerungsprozesse mehr Personal auf die Straße zum Bürger zu bekommen. Aber dieser Effekt tritt nicht ein." Der Gewerkschafter kritisiert ferner, dass es den Disponenten in den zentralisierten Leitstellen oft an Ortskenntnis mangele. "Dadurch kommt es auch zu Reibungsverlusten", sagt Börner. "Und aushalten müssen das die Kollegen, die die Einsätze fahren und die dem Bürger erklären müssen, weshalb sie erst so spät kommen." Technisch, so Börner, seien die neuen Leitstellen womöglich ein Gewinn, bloß spüre das draußen niemand.

Dass der Direktor der Polizeidirektion Lübeck, Heiko Hüttmann, die Defizite selbst öffentlich gemacht hat, bezeichnet Gewerkschafter Börner als "mutig". Und Innenminister Schlie zeigte sich "dankbar, dass es aktive Öffentlichkeitsarbeit gegeben hat".

Unterdessen drängt sich der Eindruck auf, als distanziere sich die Polizei selbst wieder von ihrer mutigen Botschaft. Leitstellenleiter Helmut Pohlmann bezeichnete die Wartezeiten gestern als "nicht besorgniserregend". "Die Leute müssen einfach dran bleiben", so Pohlmann. Das sei auch die Intention der in der vergangenen Woche veröffentlichten Mitteilung gewesen: "Bleiben Sie dran, legen Sie nicht auf." Helmut Pohlmann: "Wir haben schlicht bekannt gegeben, was überhaupt erst durch die neue, moderne Technik ausgewertet werden konnte." Ins selbe Horn stieß Direktionschef Hüttmann: "Es ist auch in der alten Welt zu Verzögerungen gekommen, aber die konnten nicht statistisch erfasst werden."

Innenminister Schlie machte deutlich, dass die neue Leitstelle in Lübeck seiner Einschätzung nach alternativlos sei. "Das ist ein absoluter Qualitätsgewinn, wenngleich er vielleicht nicht in jedem Einzelfall erkennbar ist." Es sei nicht mehr denkbar und auch nicht wünschenswert, dass die Polizeibeamten noch mit großen Landkarten an den Wänden arbeiteten. Schlie sprach von "mehr Professionalität polizeilichen Handelns".

Von mehr Professionalität, die allerdings auch den einzelnen Beamten vor Herausforderungen stelle. Die neue Leitstelle bedinge höhere Anforderungsprofile derer, die dort arbeiteten. Schlies Vergleich: "Mir fiel es auch lange Zeit leichter, meine Gedanken mit einem Füllfederhalter zu Papier zu bringen, als sie an einem Computer aufzuschreiben." Es sei nachvollziehbar, dass neue Technik für jene, die nicht in der digitalen Welt aufgewachsen sind, eine Herausforderung darstelle. Für den Minister ist die Leitstelle ein Erfolgsmodell: "Die Technik ist deutschland- und europaweit - ich will den Mund ja nicht zu vollnehmen - Vorreiter."