Kreispolitiker entscheiden über Zukunft der Rettungsleitstelle Norderstedt. Im letzten Jahr gingen täglich etwa 1500 Anrufe ein.

Norderstedt. In vier Wochen fällt die Entscheidung, ob Norderstedt die Rettungsleitstelle Holstein an der Stormarnstraße behält. Bis dahin wollen sich die Kreispolitiker ein Bild machen, ob sich die Leitstelle, von der aus Rettungs-, Feuerwehr- und Katastrophenschutzeinsätze für den Kreis Segeberg und Neumünster geleitet werden, finanziell und fachlich rentiert. Bisher haben nur die CDU-Kreistagsfraktion und die für Norderstedt zuständige CDU-Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann öffentlich Stellung bezogen: Sie setzt sich für den Verbleib der Rettungsleitstelle in Norderstedt ein.

Im vergangenen Jahr sind von der Leitstelle, bei der alle 112-Anrufe aus dem Kreis Segeberg und Neumünster auflaufen, 61.967 Fahrten koordiniert worden, die sich auf rund 55.000 Einsätze verteilen. Rund 550.000 Anrufe sind entgegengenommen worden - also etwa 1500 pro Tag.

Norderstedt koordiniert seit 2007 auch die Einsätze in Neumünster

930.000 Euro wurden 2010 für die Rettungsleitstelle Holstein an der Stormarnstraße ausgegeben. 50 bis 60 Prozent davon tragen die Krankenkassen, 250.000 Euro zahlte der Kreis Segeberg an die Stadt Norderstedt - darin enthalten ist auch die Neuausrüstung mit Digitalfunk - , die restliche Summe und das finanzielle Risiko trägt die Stadt Norderstedt. Seit 2007 werden auch die Feuerwehr-, Rettungsdienst- und Katastropheneinsätze in Neumünster von Norderstedt aus geleitet. Dafür hat Neumünster 184 000 Euro in die Technik investiert, außerdem zahlt die Stadt pro Jahr 150.000 Euro an Norderstedt. Zu dieser Maßnahme sah sich die Stadt Neumünster gezwungen, weil die Leitstelle der dortigen Berufsfeuerwehr veraltet war.

Jetzt will Neumünster ausscheren und hat den Vertrag mit der Rettungsleitstelle Norderstedt zum 30. Juni 2012 gekündigt. Die Neumünsteraner wollen ihrerseits eine Rettungsleitstelle organisieren und machen dem Kreis Segeberg ein lukratives Angebot: Die Stadt will die Aufgabe für jährlich 80.000 Euro übernehmen. Für Joachim Seyferth, Leiter des Amtes für den Bereich Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz in der Stadtverwaltung, ist das Angebot der Stadt Neumünster unseriös. Er spricht von einem "Dumping-Angebot ohne Kostentransparenz". Bei einer Schließung der Leitstelle Norderstedt wären 19 Arbeitsplätze betroffen.

Am 10. Dezember beschäftigt sich der Segeberger Kreistag mit dem Thema

Der Landesrechnungshof macht die Situation noch undurchsichtiger: Er empfiehlt dem Kreis Segeberg den Anschluss an die Leitstelle Elmshorn, wo jetzt schon alle 110-Anrufe (Polizei) aus dem Kreis Segeberg auflaufen. Der Rechnungshof kann nur eine Empfehlung aussprechen, an die sich die Politiker bei ihrer Entscheidung nicht halten müssen. Aber er setzt damit die Linie der Landesregierung um: Die nämlich will in Schleswig-Holstein nur wenige große Leitstellen, hat es bisher aber versäumt, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Also müssen sich die Kreispolitiker auch nicht an die Vorgabe des Landes halten.

So gehen die Kreispolitiker jetzt vor: Aus den Mitgliedern des Ausschusses für Ordnung, Verkehr, Gesundheit wurde eine Arbeitskreis gebildet, der sich unter Vorsitz von Rosemarie Jahn (FDP) intensiv um eine vorbereitende Entscheidung bemüht. Die Leitstellen in Norderstedt, Elmshorn und Bad Oldesloe haben ebenso wie die Stadt Neumünster einen Fragenkatalog zugeschickt bekommen. "Wir wollen Fakten über Personal, Technik und Kosten bis Anfang November auf dem Tisch haben", sagt Rosemarie Jahn, die auch Vorsitzende des Ausschusses ist. "Erst dann können wir uns ein Bild machen und zu einer Entscheidung kommen." Am 28. November tagt der Ausschuss, am 10. Dezember der Kreistag, der dann die endgültige Entscheidung trifft. "Natürlich wird auch die gute Zusammenarbeit seit 2003 mit der Leitstelle Norderstedt in die Entscheidung einfließen."

Für die CDU-Fraktion und die CDU-Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann ist allerdings jetzt schon klar, dass die Stadt Neumünster ein ihrer Ansicht nach "unrealistisches und bisher nicht durchkalkuliertes" Angebot abgegeben hat. Die Christdemokraten wollen den Vertrag mit der Leitstelle Norderstedt zu den bisherigen Konditionen um fünf Jahre verlängern. Damit werde die Sicherheit für die Bürger, die Feuerwehren, den Rettungsdienst, den Katastrophenschutz und die Mitarbeiter der Leitstelle auch für die Zukunft gewährleistet, heißt es in einer Presseerklärung. Auch wegen des partnerschaftlichen Umgangs solle die Leitstelle in Norderstedt verbleiben.

Mindestens ein Mitglied der CDU-Kreistagsfraktion wird vermutlich anders entscheiden. Der Landtags- und Kreistagsabgeordnete Wilfried Wengler aus Henstedt-Ulzburg empfiehlt, über den "Kirchturm" hinwegzublicken und keine reine Norderstedter Interessenpolitik zu betreiben. "Niemand sollte wegsehen, wenn Neumünster es günstiger machen will."