Serie: Das Abendblatt stellt Stormarner und ihre Berufe vor. Wir begleiten die Menschen einen Tag oder eine Schicht, beobachten sie und lassen sie erzählen. Heute: Iwona Dabrowski, Sozialpädagogin an der Ahrensburger Berufsschule

Ihre Tochter ist in der Schule, ihren Sohn hat sie in die Kita gebracht: Es ist 7.50 Uhr, als Iwona Dabrowski die Berufsschule in Ahrensburg betritt. Ihr erster Gang führt die Diplom-Sozialpädagogin die Treppen hinauf zum Lehrerzimmer im ersten Stock. "Ich will wissen, ob gestern noch etwas Aufregendes passiert ist und ob sich die Schüler wieder beruhigt haben, die eine Auseinandersetzung hatten", sagt sie. Die Gespräche mit den Lehrern seien sehr wichtig, denn sie könne nur helfen, wenn sie über die Probleme der Schüler Bescheid wisse.

Anschließend geht es ins Büro, der Computer wird hochgefahren. Der Platz ihr gegenüber ist leer. Ihre Kollegin ist im Mutterschutz, bisher gibt es noch keine Vertretung. Iwona Dabrowski ist deshalb zurzeit allein für die rund 2100 Schüler der Ahrensburger Berufsschule zuständig. Solange es noch ruhig ist, will sie die Zeit nutzen, um die am Vortag geführten Gespräche zu dokumentieren und Vereinbarungen und Termine zu notieren. "Das ist vorgeschrieben und zudem wichtig, um bei so vielen Schülern den Überblick zu behalten", sagt die 40-Jährige, die in ihrem Job genauso wie ein Arzt der Schweigepflicht unterliegt.

Alles, was ihr die Schüler anvertrauen, muss sie für sich behalten. Mit zwei Ausnahmen: "Wenn sich minderjährige Schüler selbst gefährden, zum Beispiel durch Ritzen, oder wenn von einem Jugendlichen Gefahr für andere ausgeht, muss ich es melden", sagt die Schulsozialpädagogin.

8.30 Uhr: Anti-Mobbing-DVDs verteilen und sich nach Schülern erkundigen

Auf dem Tisch liegen zwei Packungen Taschentücher und eine Schale mit Bonbons. "Einige Schüler kommen weinend zu mir ins Zimmer, andere sind so aufgelöst, dass sie erst mal etwas Süßes brauchen", sagt Dabrowski. Sie greift nach den Anti-Mobbing-DVDs und Broschüren, die ebenfalls auf dem Tisch liegen. Die will die Sozialpädagogin nun in einer Klasse verteilen. Im Stehen nimmt sie noch schnell einen Schluck Kaffee. Mehr Zeit hat sie nicht, die Schüler warten bereits. Einige kennt sie aus persönlichen Gesprächen. Mit Lehrerin Sarah Rebmann vereinbart sie, dass der Film der Klasse noch an diesem Tag gezeigt wird.

Nächste Station ist die Lehrküche. Dort werden gerade Kekse gebacken und Waffelteig wird zubereitet. Iwona Dabrowski ist wegen eines bestimmten Mädchens da. Es war in der vergangenen Woche für ein Gespräch in ihrem Büro. Die Sozialpädagogin will wissen, ob mit ihr alles in Ordnung ist und ob sie alle getroffenen Vereinbarungen befolgt hat. Als das Mädchen die Fragen bejaht, ist sie zufrieden.

9 Uhr: Eine besorgte Mutter beruhigen und Telefonanrufe erledigen

Zurück im Büro bekommt Iwona Dabrowski einen Anruf von einer Mutter. Die Frau macht sich Sorgen, weil ihre Tochter bisher noch keinen Praktikumsplatz gefunden hat. Die Schulsozialarbeiterin versucht, sie zu beruhigen. Sie habe mit dem Mädchen bereits geübt, einen Lebenslauf zu schreiben. "Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen", sagt Dabrowski. "Ich denke, dass wir noch etwas Geeignetes finden werden, was Ihrer Tochter gefällt."

Anschließend folgt ein Anruf bei ihrer Kollegin an der Oldesloer Berufsschule. Am Donnerstag treffen sich alle Sozialpädagogen der Berufsschulen aus Schleswig-Holstein bei einer Konferenz in Plön. Die beiden Stormarnerinnen wollen gemeinsam hinfahren. "Die Autofahrt können wir nutzen, um uns auszutauschen", sagt sie. "Das ist wichtig."

Es klingelt zur Pause. Iwona Dabrowski steckt sich noch schnell ein Stück Schokolade in den Mund, dann geht es ins Lehrerzimmer. Bereits auf dem Weg dorthin wird sie von einer Kollegin abgefangen. Sie berichtet von einem Schüler, der böse auf sie ist, weil sie ihm eine schlechte mündliche Note gegeben hat. Ein zweiter Lehrer kommt dazu und fragt, ob sie gleich mal eine Minute Zeit für ihn habe. Und eine andere Lehrerin will wissen, wie die Unterrichtsstunde war, die Iwona Dabrowski in ihrer Klasse gegeben hat. "Manchmal denke ich, ich bräuchte ein Diktiergerät, um mir alles zu merken", sagt die Sozialpädagogin. "Ich muss mir das gleich alles aufschreiben."

Doch im Büro steht erst einmal ein Anruf bei Sabine Leminski von der Ausbildungsbetreuung der Wirtschaftsakademie (WAK) Schleswig-Holstein in Ahrensburg an. Mit der arbeitet die Sozialpädagogin zusammen, wenn es um Schüler geht, die eine Ausbildung machen. Iwona Dabrowski hat von einem Lehrer erfahren, dass eine Schülerin bereits seit mehreren Wochen nicht mehr in der Schule erschienen ist - ohne Entschuldigung. "Ich möchte nicht, dass sie von der Schule fliegt", sagt sie. "Sie soll ihre Ausbildung schaffen."

10.20 Uhr: Einsatz mit zwei Schülern im Trainingsraum

Es klopft an der Tür. Ein Schüler wurde von seinem Lehrer zu ihr geschickt, weil er im Unterricht geredet und die Arbeit verweigert hat. Iwona Dabrowski geht mit ihm in den sogenannten Trainingsraum. Sie will wissen, was vorgefallen ist. Der Junge sagt, er sei unschuldig. Der Lehrer habe ihm sein Handy weggenommen, dabei erwarte er doch einen wichtigen Anruf. Iwona Dabrowski erklärt ihm: "Wenn du dreimal hier im Trainingsraum erscheinen solltest, muss ich deine Eltern zu einem Gespräch in die Schule bestellen." Bis Ende der Stunde soll er sich über sein Fehlverhalten Gedanken machen und dazu einen Zettel ausfüllen.

Im Büro wartet Stefan Wodarz. Der Holztechnik-, Wirtschafts- und Politiklehrer sorgt sich um einen Schüler, der gemobbt wird. Iwona Dabrowski war schon mehrmals in der Klasse, die Situation habe sich jedoch nicht gebessert. "Was können wir da noch machen?", fragt er. Dabrowski schlägt vor, es mit Einzelgesprächen zu versuchen.

Stefan Wodarz liegt noch etwas auf dem Herzen. "Ich habe den Verdacht, dass ein Schüler ein Suchtproblem hat", sagt er. "Die Zeichen sind eindeutig, er gibt es aber nicht zu." Da der Betroffene bereits volljährig sei, könne er sich nicht an die Eltern wenden. Auch die Polizei möchte der Pädagoge ungern einschalten. Die beiden vereinbaren, dass er den Schüler mal für ein Gespräch zu ihr ins Büro bringt. "Im vergangenen Jahr hatten wir zwei Fälle mit Drogen in der Werkstatt", sagt Wodarz. "Das ist wirklich gefährlich mit den schnellen Maschinen. Da müssen wir eingreifen."

In der Zwischenzeit ist ein weiterer Schüler vor dem Büro der Schulsozialpädagogin aufgetaucht. Auch er muss in den Trainingsraum. "Ich habe reingeredet", sagt er. Iwona Dabrowski mustert ihn und stellt fest: "Du warst schon mal hier. Was habe ich dir damals gesagt? Du weißt, was beim dritten Mal passiert." Der Junge nickt und grinst. Er habe versucht, sich zu bessern und ein paar Wochen sei das doch gut gegangen.

11.15 Uhr: Gespräche im Lehrerzimmer und Waffeln probieren

Es klingelt zur zweiten großen Pause. Die beiden Schüler dürfen den Trainingsraum verlassen, und für Iwona Dabrowski ist es wieder Zeit, im Lehrerzimmer vorbeizuschauen. Auf dem Weg dorthin bleibt sie am Kiosk stehen. Dort verkaufen die Schüler aus der Lehrküche ihre selbst gebackenen Waffeln. Die Sozialpädagogin probiert eine und lobt die Schüler: "Sehr gut gemacht."

Im Lehrerzimmer wartet bereits Sarah Rebmann auf sie. Sie hält einen Drohbrief in der Hand, den eine andere Lehrerin einer Schülerin aus ihrer Klasse abgenommen hat. Die beiden Frauen beschließen, das Mädchen nach der Pause aufzusuchen und mit ihr zu sprechen. Vorher muss sich Dabrowski noch um eine andere Lehrerin kümmern. Sie sucht Rat, weil einer ihrer Schüler betrunken zum Unterricht gekommen ist.

12.30 Uhr Anti-Mobbing-Plakate mit den Schülern aufhängen

Aus dem Gespräch mit der Schülerin von Sarah Rebmann wurde nichts. Das Mädchen ist nicht mehr in der Schule. Morgen will Iwona Dabrowski einen neuen Versuch unternehmen. Doch im Büro fällt ihr beim Blick in ihren Terminkalender auf, dass sie dafür gar keine Zeit hat, weil sie zur verabredeten Zeit in einer Klasse Unterricht in sozialer Kompetenz geben muss.

Es ist 12.30 Uhr. Eigentlich hätte Iwona Dabrowski jetzt Feierabend, denn sie hat nur eine Halbtagsstelle. Doch vorher muss sie die Anti-Mobbing-Plakate aufhängen, die sie mit einer Klasse gestaltet hat. Danach geht es noch kurz ins Lehrerzimmer, um einen Computerraum zu reservieren. Im Büro klingelt das Telefon. Iwona Dabrowski wollte gerade nach Hause gehen. Am Apparat ist eine Frau von Pro Familia. Berater des Vereins sollen für einen Tag an die Ahrensburger Berufsschule kommen, um die Jugendlichen aufzuklären. Doch vor Frühjahr 2012 ist kein Termin zu bekommen.

Als Iwona Dabrowski ihre Bürotür abschließt, ist es bereits 13.40 Uhr. Bevor sie nach Hause fährt, muss sie ihren Sohn aus der Kita abholen. Dann wird die Familie gemeinsam Mittag essen. Zeit, ihre geführten Gespräche zu dokumentieren, hatte sie auch heute nicht. Sie sagt: "Das muss ich dann wieder morgen früh als erstes machen."