Der Historiker Malte Koop bereitet für das Kreisarchiv Stormarn Interviews mit Zeitzeugen auf. Diese werden so für die Wissenschaft festgehalten.

Bad Oldesloe. Zweieinhalb Stunden sitzt die 87-Jährige auf ihrem Holzstuhl, umgeben von Betonmauern und Schränken mit alten Akten. Vor ihr steht ein Mikrofon. Toska Auerbach erzählt von ihrer Vergangenheit, wie sie 1943 aus dem ausgebombten Hamburg nach Bad Oldesloe kam, wie sie die Singakademie der Kreisstadt aufbaute und wie sie den Oldesloern als Malerin bekannt wurde. Ihr gegenüber macht sich Geschichtsstudent Malte Koop Notizen und fragt nach.

Das Interview ist Teil eines Projektes des Kreisarchivs in Bad Oldesloe, das Lebensläufe von ausgewählten Stormarnern für die Wissenschaft und damit die Nachwelt festhalten soll. "Das Zeitzeugeninterview ist eine sehr individuelle Form der Quelle. Mich fasziniert daran besonders der Gegenwartsbezug", sagt Koop. Der 31-Jährige studiert an der Universität Hamburg Geschichte und hat nicht nur selbst Interviews für das Kreisarchiv geführt. Auch Tonbandkassetten mit Interviews, die das Kreisarchiv in seinem Bestand hatte, hat der Hamburger erschlossen. "Ich habe mir 50 Interviews angehört, die zum Großteil in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre geführt wurden", erläutert Koop. Jedes Wort der teils eineinhalbstündigen Gespräche wurde abgetippt. Koop hörte sich die Kassetten nicht nur an, sondern fütterte die Archivdatenbank mit einer Kurzzusammenfassung sowie formalen Dingen wie Gesprächslänge und den Namen der Beteiligten.

***"Gedächtnis der Nation": Zeitzeugen berichten im Internet***

"Herr Koop hat zwei Monate voll gearbeitet, um zum einen die 50 Interviews zu erschließen und knapp zehn Gespräche selbst zu führen", sagt Kreisarchivar Stefan Watzlawzik. "Die Gespräche handeln häufig von der Jugend im Nationalsozialismus, den Auswirkungen des Bombenkrieges auf Stormarn, den Härten der Nachkriegszeit oder den Jahren des Aufschwungs nach der Währungsreform von 1948", erläutert Malte Koop. "Für meine Magisterarbeit werde ich auf einige dieser Gespräche mit Stormarnern zurückgreifen", fügt der Geschichtsstudent hinzu. Sie handle von Denunziation im Nationalsozialismus, einen genauen Titel gebe es aber noch nicht.

Über die Internetseite www.kreisarchiv-stormarn.finbuch.net hat jeder Nutzer Zugriff auf die Kurzbeschreibungen und die Informationen zu den einzelnen Interviews. "So erhalten die Nutzer einen Überblick und können auch eine Wortrecherche machen", sagt der Kreisarchivar, fügt aber auch hinzu: "Nicht alle Gespräche sind schon für die Forschung freigegeben. Weil es teilweise sehr persönliche Sachen sind, müssen wir die Sperrfrist einhalten." Sie dürfen erst zehn Jahre nach dem Tod des Zeitzeugen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. "Dank einer Spende der Heik-Stiftung konnten wir Malte Koop einen Werkvertrag für seine Arbeit geben", sagt Watzlawzik.

Die Stiftung von Wilhelm Heik aus Bad Oldesloe unterstützte das Kreisarchiv auch dabei, drei Amateurfilme zu den Festen des Vogelschießens in der Kreisstadt zwischen 1936 und 1938 zu digitalisieren. "Gerade der Farbfilm von 1938 ist eine absolute Rarität", sagt Kreisarchivar Watzlawzik. "Außerdem ist das Vogelschießen ein zentrales Thema der Stadtgeschichte." Die 16-Millimeter-Filme wurden bei der Spezialfirma Berola im bayerischen Forchheim aufbereitet und digitalisiert. Watzlawzik: "Die Filme haben eine Länge zwischen sechs bis zwölf Minuten lang." Sie zeigen unter anderem den Umzug, tanzende Kinder und das Vogelpicken der Kleinsten. "Im kommenden Jahr wollen wir DVDs der Filme beim Vogelschießen verkaufen", sagt der Kreisarchivar. "Der Erlös soll dem Fest zugute kommen."