Ulrike Lenz ist Bargteheides neue Klimaschutzbeauftragte. Die Menschen will sie mit positiven Anreizen überzeugen

Bargteheide. Ulrike Lenz ist die erste Klimaschutzbeauftragte in Bargteheide. Die Stadt übernimmt damit nach Bad Oldesloe und der Kreisverwaltung eine Vorreiterrolle. Was sind die Aufgaben der neuen Rathausmitarbeiterin? Was sind ihre Ziele? Das Abendblatt sprach mit der Ingenieurin, die eine halbe Stelle hat und sich auch um Bauvorhaben der Stadt kümmert.

Hamburger Abendblatt:

Sie sind seit einem Monat im Amt. Gefällt es Ihnen noch?

Lenz:

(lacht) Ja. Es ist spannend.

Ist die neue Aufgabe ihr Traumberuf?

Lenz:

Er passt genau. Ich bin Zimmerin. Und wenn man ein Dach aufmacht, dann dämmt man es auch. Ich habe mich also schon früh mit ökologischem Bauen beschäftigt und als Ingenieurin das Thema vertieft. Meine Diplomarbeit dreht sich um die energetische Ertüchtigung eines Holzhauses.

Leben Sie in einem Holzhaus?

Lenz:

Ja, aber in einem Fertighaus aus den 60er-Jahren. Familienbesitz, kein ökologisches Vorzeigeprojekt.

Und wo steht das Haus?

Lenz:

In Ahrensburg. Wir wohnen dort seit zwei Jahren. Vorher waren wir in Berlin. Aber mein Mann kommt aus Ahrensburg und arbeitet jetzt in Hamburg.

Als sie die Stellenausschreibung gelesen haben, ...

Lenz:

... da dachte ich: Das ist meine. Die hätten über die Anzeige auch gleich 'Liebe Frau Lenz' schreiben können.

Wie viele Kollegen gibt es bundesweit?

Lenz:

Seit der Förderung im Juni 2008 bis Ende 2010 sind 577 Klimaschutzkonzepte bewilligt worden. 24 in Schleswig-Holstein. Spitzenreiter mit 125 ist Nordrhein-Westfalen. Das bedeutet aber nicht, dass auch immer ein Klimaschutzbeauftragter eingestellt wurde. Das Konzept entwickelt oft ein Ingenieurbüro, auch in Bargteheide.

Aber was machen Sie denn?

Lenz:

Ich arbeite mit dem Ingenieurbüro CDM zusammen und sammle Daten für eine Ist-Analyse. Wo wird in Bargteheide wie viel Energie verbraucht? Wie viele Autos gibt es? Wie alt sind die Gebäude? Neue Häuser unterliegen bereits den Energieeinsparverordnungen. Und Bargteheide hat viele Neubaugebiete. Das macht was aus. Wir erheben Daten von Schornsteinfegern, vom Statistischen Landesamt. Einfach alles, damit Bargteheide genau abgebildet wird.

Und was kommt danach?

Lenz:

Die Potenzial-Analyse. Die Frage für diesen zweiten Schritt lautet: Wo kann ich mit geringen finanziellen Mitteln den größten Energieeinspareffekt erzielen. Das Ingenieurbüro macht zehn oder 20 Vorschläge. Ich begleite die Verwaltung bei der Umsetzung.

Öko-Spinner war ein Schimpfwort. Das waren Leute, die angeblich den Teebeutel in drei Containern entsorgten.

Lenz:

Ja, Aluminium, Papier und Tee (lacht). Aber die Menschen haben jetzt verstanden, dass es eine Aufgabe ist, bei der alle mitmachen, auch Verwaltungen, Firmen und Schulen.

Wo wollen Sie ansetzen?

Lenz:

Bargteheide hat schon viel gemacht: Gebäudesanierungen, die Förderung des Radverkehrs und den Austausch der Straßenbeleuchtung mit Energiesparlampen und LED. Das ist alles sinnvoll. Entscheidend aber ist, eine wirkliche Veränderung anzustoßen. Dazu müssen wir die Auswertung der Daten abwarten. Wo gibt es hier konkret in Bargteheide Einsparpotenzial? Danach müssen wir suchen. Sonst sind wir angreifbar. Nach dem Motto. Warum macht ihr dies und nicht das. Danach setzen wir uns Ziele. Und dann kommen die Bargteheider ins Spiel.

Wie wollen Sie die Bürger einbeziehen?

Lenz:

Im November wird es eine Veranstaltung mit Workshops geben, eine Art Klimawerkstatt. Jeder kann mitbestimmen, wo die Stadt aktiv werden soll.

Die Kommunen sollen Vorbild sein und regulierend eingreifen. Aber müssen sie nicht eines Tages Kontrolle ausüben und beispielsweise sagen: Drei Autos pro Haushalt sind zuviel, eins muss genügen.

Lenz:

Wir leben schon lang über unsere ökologischen Verhältnisse. Aber sie erreichen ihr Ziel bestimmt nicht über Zwang, sondern nur über positive Anreize. Ich wette, sehr viele würden umsteigen, wenn alle zehn Minuten eine S-Bahn nach Hamburg fahren und eine Tageskarte drei Euro kosten würde.

Bargteheide erhält für das Klimaschutzkonzept vom Forschungszentrum Jülich einen Zuschuss von 37 700 Euro. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 58 000 Euro. Aber wie geht es weiter?

Lenz:

Das wird die Politik entscheiden, die aber sicher weiter mit staatlichen Zuschüssen rechnen kann.

Was halten Sie von Biogasanlagen? Das Projekt in Bargteheide ist gescheitert.

Lenz:

Biogasanlagen sind dann sinnvoll, wenn möglichst vorhandenes Material verbraucht, also Mais nicht extra angebaut wird, wenn Fruchtfolgen eingehalten werden und ein vernünftiges Wärmekonzept existiert. Dies wäre in Bargteheide der Fall gewesen. Entscheidend ist aber auch die Gesamt-Energiebilanz. Wenn Flächen für den Anbau von Lebensmitteln nicht mehr zur Verfügung stehen, wird Soja aus Südamerika importiert, wo dafür Flächen abgeholzt werden. Dann wird es problematisch.

Große Energieversorger wollen verstärkt private Blockheizkraftwerke bauen.

Lenz:

Die Blockheizkraftwerke haben einen Wirkungsgrad von mindestens 90 Prozent, weil sie Strom aus Gas produzieren. Es gibt in Bargteheide schon drei große Blockheizkraftwerke. Diese Technik ist sinnvoll. Sie funktioniert allerdings nur, solange Gas da ist.

Also auf erneuerbare Energien setzen?

Lenz:

Solar- und Windenergie sind im Hinblick auf den CO2-Ausstoß wesentlich besser. Aber es ist ein Irrglaube, dass uns die erneuerbaren Energien nichts kosten und wir im weitesten Sinne damit keine Umweltzerstörung in Gang setzen. Das zeigt, dass es in Zukunft vorrangig darum gehen muss, den Energieverbrauch zu drosseln.

Werden Sie mit der Bargteheider Klimaschutzinitiative zusammenarbeiten?

Lenz:

Ja. Es gibt selten Kommunen, in denen das Thema Klimaschutz von Bürgern schon so gut aufgestellt ist.

Haben Sie ein übergeordnetes Ziel?

Lenz:

Ich möchte Klimaschutz positiv in den Köpfen verankern. Jeder weiß, wie wichtig er ist. Aber jeder hat Angst, dass er sich einschränken muss. Es wäre toll, wenn die Bargteheider sagen würden: Hej, wir machen ein cooles Leuchtturmprojekt für Stormarn. Klimaschutz bedeutet jedenfalls nicht, dass alle in Sack und Asche gehen müssen.