Kreistags-Mehrheit will die Vorgabe aus Kiel, Eltern an Schulbuskosten zu beteiligen, nicht umsetzen
Bad Oldesloe. Stormarns Politik probt den Aufstand gegen das Land. Eine große Kreistagsmehrheit scheint fest entschlossen zu sein, eine Machtprobe mit Kiel zu riskieren. Stein des Anstoßes ist die geplante Beteiligung der Eltern an den Kosten für die Busfahrkarten. Ein Dauerbrenner. Doch diesmal ist die Situation eine andere. Das Land hat den Kreisen per Gesetz vorgegeben, Elternbeiträge zu erheben. SPD, Grüne, FDP und Linke aus Stormarn wollen nichtsdestotrotz die Gefolgschaft verweigern.
Auf verlorenem Posten: die CDU. Joachim Wagner, Chef der größten Fraktion im Kreistag, ist stocksauer. "Hier geht es nicht um die Schülerbeförderung allein", sagt er, "hier geht es um ein Gesetz, das der Landtag beschlossen hat." Ein Gesetz allerdings, über das selbst Wagner sagt, es sei dilettantisch gemacht, und man könne nicht viel damit anfangen. Allein diese Einschätzung ist konsensfähig.
Die derart gescholtene Regelung steckt in Paragraf 114, Absatz 2 des Schulgesetzes in seiner ab 1. August gültigen Fassung. Darin heißt es: "Die Kreise bestimmen durch Satzung, welche Kosten für die Schülerbeförderung als notwendig anerkannt werden. (...) Die Satzung hat vorzusehen, dass die Eltern (...) beteiligt werden." So sollen sich die Kreise Geld von den Eltern zurückholen, das ihnen das Land als Zuschuss streicht. Für Stormarn waren das 2010 gut 462 000 Euro. Wie hoch die Elternbeteiligung ausfallen soll, lässt das Land offen. Die Kreisverwaltung hat 30 Prozent vorgeschlagen (siehe Kasten).
Doch das wollen die meisten Fraktionen nicht mittragen. SPD-Fraktionschef Reinhard Mendel sagt: "Der Schwarze Peter soll bitte nicht uns zugeschoben werden." Hedda Bluschke (FDP) hat darüber hinaus Probleme mit der Formulierung des Textes: "Im Gesetz steht 'hat'. Das ist nicht gleichbedeutend mit 'muss'." Dazu CDU-Fraktionschef Wagner: "'Hat' heißt aber auch nicht 'hat nicht'."
Im Hauptausschuss am Mittwochabend hat Wagner angekündigt, heute im Kreistag die Bildung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe anzuregen, die Lösungen finden soll. Dass die anderen Parteien daran Interesse haben, scheint aber fraglich. Und Joachim Wagner äußert einen Verdacht, woran das liegen könnte: Die anderen Fraktionen wollten das Thema bis zur Landtagswahl aussitzen - in der Hoffnung, dass es anschließend neue Mehrheiten in Kiel gibt. Das macht den CDU-Politiker richtig wütend. Er sagt: "Zu Zeiten der rot-grünen Landesregierung hatte die CDU im Kreistag eine absolute Mehrheit. Trotzdem haben wir uns an die Gesetze aus Kiel gehalten." Und Wagner droht: Dann werde sich die CDU eben künftig auch stur stellen. Zum Beispiel bei den Haushaltsberatungen. Es ist in Stormarn bislang gang und gäbe gewesen, dass sich alle Fraktionen kompromissbereit zeigen, um das Zahlenwerk einmütig zu beschließen. Das berühmte Stormarner Modell. Gehört es bald der Vergangenheit an? Der Ton unter Stormarns Politikern ist ungewöhnlich scharf geworden.
Und der CDU-Fraktionschef liegt mit seiner Landtagswahl-Theorie offenbar gar nicht so falsch. Joachim Germer (Grüne) plädiert ebenfalls dafür, vorerst nichts zu machen: "Wenn bei der Landtagswahl andere Mehrheiten zustande kämen, müsste alles wieder zurückgedreht werden." Und Heiko-Winckel-Rienhoff (Linke) sagt mit Blick auf die nach richterlicher Rüge der Sitzverteilung im Landtag geplanten vorgezogenen Neuwahlen: "Ich habe Schwierigkeiten mit Gesetzen, die von rechtswidrigen Mehrheiten verabschiedet worden sind."
FDP-Fraktionschef Karl-Reinhold Wurch betrachtet die Situation nüchterner. Der Jurist sagt: "Gesetze sind zu befolgen. Wenn sich der Kreistag aber nicht in der Lage sieht, ein Gesetz umzusetzen, muss das Land sehen, wie es damit umgeht." Kiel aber werde, davon ist Wurch überzeugt, "nicht viel machen können". Landrat Klaus Plöger sieht das ähnlich. "Das Gesetz ist, wie es ist", sagt er. "Eine Fraktion kann nun 20 Prozent Elternbeteiligung vorschlagen, eine andere 30 und eine dritte zehn. Alle werden keine Mehrheit bekommen. Und was macht man dann? Man hat sich zumindest bemüht."
Einem Gespräch mit Innenminister Klaus Schlie (CDU) habe er entnommen, das die Kommunalaufsicht auch noch nicht wisse, wie sie sich in diesem Fall verhalten solle. Plöger: "Das Land hat offenbar kein scharfes Schwert."
Thomas Giebeler, Sprecher des Innenministeriums, kündigt auf Anfrage an, dass das Land handeln werde. Einzig wie, das könne er noch nicht sagen. Giebeler: "Zu dem gesamten Themenkomplex wird derzeit in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium ein Informationsschreiben des Innenministeriums an die Kreise vorbereitet, das in Kürze fertig sein wird. Dieses Schreiben wird die allgemeine Rechtslage darstellen und insbesondere auf die Rechte und Pflichten des Kreistags und des Landrats eingehen. Ich bitte um Verständnis, dass dieses Schreiben abzuwarten ist, bevor das Innenministerium oder das Bildungsministerium auf die Fragen inhaltlich eingehen können."