Nina ist zehn, als sie das erste Mal missbraucht wird. Wer hilft einem Mädchen, dem das geschieht?

Die Mutter tut es nicht, die schaut weg. Der Stiefvater tut es nicht, der ist der Täter. Das Jugendamt? Anfang 2005 geht Nina dorthin und erzählt, was ihr zu Hause angetan wird. Endlich, denken wir, endlich hilft jemand. Aber das Jugendamt erstattet nicht etwa Anzeige, sondern will Beweise, um sicher zu sein, dass das Familiengericht zustimmt, Nina vom Täter zu trennen. Aber Nina liefert diese Beweise nicht. Kann sie nicht liefern, denn sie ist ein missbrauchtes, ein verunsichertes Kind, dem niemand hilft. Die Mutter schweigt, und der Stiefvater bedroht Nina, um sie zum Schweigen zu bringen. Gegenüber dem Jugendamt mauern beide. Nina sitzt nun in der Sackgasse: Niemand hilft, der Missbrauch geht weiter. Tag für Tag, Woche für Woche. Dann klaut Nina, wird von der Polizei erwischt und erzählt, was man ihr antut. Die Polizei hilft sofort: Nina wird in einem Jugendheim untergebracht, muss nie wieder zurück zu dem Verbrecher, der sich Stiefvater nennt. Dann aber schlampen die Behörden. Ein Urteil kann erst drei Jahre später gesprochen werden, weil die Akte verloren geht.

Man ist sprachlos angesichts dieses Mangels an Entschlossenheit, einem schutzbedürftigen Menschen zu helfen. Hätte der Missbrauch nicht zumindest verkürzt werden können, wenn das Jugendamt frühzeitig Anzeige erstattet hätte? "Das ist reine Spekulation", sagt der Amtsleiter Wilhelm Hegermann.