Dem Chef der Stormarner Polizei, Wolfgang Becker, macht vor allem die Respektlosigkeit der Jugendlichen, auch gegen Beamte, große Sorgen.

Ahrensburg. Er ist Dienstherr von 614 Polizisten in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Er ist erst seit kurzer Zeit im Amt, kennt sich in Stormarn aber bestens aus. Denn Wolfgang Becker, neuer Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, war auch schon Chef der früheren Polizeiinspektion Bad Oldesloe.

Sowohl mit der Personalstärke als auch mit der Ausstattung seiner Beamten sei er grundsätzlich zufrieden, sagt Wolfgang Becker. Doch die zunehmende Aggressivität, mit der Polizisten auch in Stormarn konfrontiert werden, bereitet dem 55-Jährigen Sorge. Allein seit Jahresbeginn sind elf Beamte im Dienst verletzt worden. Das ist für den obersten Polizeibeamten des Kreises ebenso inakzeptabel wie die Tatsache, dass zwischen den Taten von gewalttätigen Jugendlichen und deren Verurteilung oft Monate vergehen. Das führe dazu, dass die Strafe nicht wirkungsvoll sei. Das sorge, wie in anderen Kreisen und Ländern, auch bei der Stormarner Polizei für Unmut.

Hamburger Abendblatt:

In Großhansdorf sind viele Menschen verunsichert, weil die Zahl der Einbrüche im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hat. Und vor allem deshalb, weil die Täter in Häuser und Wohnungen eindringen, während die Bewohner zu Hause sind. Wie bewerten Sie die Situation?

Wolfgang Becker:

Wir nehmen die Einbruchskriminalität sehr ernst. In der Tat registrieren wir derzeit mehr Einbrüche - landesweit. In Stormarn besonders in den Hamburger Randgebieten. Großhansdorf ist dabei aber keine Insel, auf der besonders viel passiert. In jeder Gemeinde und Stadt des Kreises sind die Zahlen gestiegen. Unsere Erfahrung ist, dass die Täter nicht daran interessiert sind, auf Hausbewohner zu treffen. Insgesamt betrachtet, geschieht dies selten. Passiert das aber, sollten die Opfer einer Auseinandersetzung möglichst aus dem Wege gehen.

Immer wieder wird Kritik laut, die Polizei zeige zu wenig Präsenz. Besonders in der Waldgemeinde.

Das liegt in der Natur der Sache. Die Bürger bemerken es zum Beispiel nicht, wenn eines unserer zivilen Polizeifahrzeuge Streife fährt. Gerade bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität sind wir aber am erfolgreichsten, wenn wir verdeckt arbeiten.

Haben Sie Erkenntnisse über die Täter, und wie viele haben Ihre Beamten seit Jahresbeginn geschnappt?

Vor Jahren waren zum Beispiel rumänische Banden am Werk. Wenn wir solche Erkenntnisse haben, können wir täterorientiert arbeiten und observieren. Zurzeit gleicht unsere Arbeit eher der viel zitierten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wir haben keine Ansatzpunkte. Trotzdem konnten 17 Täter auf frischer Tat festgenommen werden. Häufig handelt es sich um Einzeltäter und um Beschaffungskriminalität. Das sind Einbrecher, die wenige Taten verüben und wieder verschwinden.

Was unternimmt die Polizei in Stormarn gegen steigende Einbruchszahlen?

Gegen eine flächendeckende Steigerung können wir nur vorbeugend, sprich präventiv tätig werden. Dazu können zum Beispiel Haus- und Wohnungseigentümer selbst eine Menge beitragen, wie Türen richtig verriegeln, Balkontüren schließen, Bewegungsmelder installieren und Fenster nicht auf Kipp stehen lassen.

Das bedeutet, mehr Beamte würden den Menschen in Großhansdorf oder anderen Städten oder Gemeinden nicht helfen?

Nein. Die Erfahrung zeigt, dass ein Mehr an Polizei nicht gleichzusetzen ist mit weniger Einbruchskriminalität. Auch wenn ich fünfmal so viele Kollegen bei der Polizeistation Großhansdorf einsetzen würde, würde es aber vermutlich keinen einzigen Einbruch weniger geben. Bestenfalls gäbe es einen Verdrängungseffekt. Dann wären die Großhansdorfer zufriedengestellt, aber in den Nachbargemeinden würde verstärkt eingebrochen. Nur zum Vergleich: In Ahrensburg wurde seit Jahresbeginn 80-mal eingebrochen, in Großhansdorf 41-mal.

Was können Bürger zu ihrem Schutz tun?

Wie gesagt: Fenster nicht auf Kipp stehen lassen. Nachbarn sollten aufmerksam sein. Und jeder kann an seinem Haus für Sicherungsmaßnahmen sorgen. Stichwort Alarmanlagen, Bewegungsmelder. Wenn die Täter auf Schwierigkeiten stoßen, ziehen sie lieber weiter.

Hat die Polizei überhaupt genug Beamte? Und wie steht es um die Ausstattung?

Zurzeit tun 298 Beamte in Stormarn ihren Dienst. Das ist eine polizeiliche Grundbesetzung, die umfassend in der Lage ist, den Routinebetrieb aufrechtzuerhalten. Die Zahl hat sich seit 2005 nicht verändert. Die Ausstattung dafür ist angemessen und auf die Aufgaben zugeschnitten - auf der Straße und in den Dienststellen. Das geht beispielsweise von der EDV-Ausstattung, die gerade turnusgemäß erneuert worden ist, bis zu neuen Dienstwaffen. Die ersten 93 Pistolen haben wir geliefert bekommen, in den nächsten Jahren sollen alle Polizisten mit der neuen P 99 ausgestattet werden.

Sind Ihre Beamten auch in der Lage, einer wachsenden Internetkriminalität zu begegnen? Sind sie technisch dazu ausgerüstet, entsprechend geschult?

Grundsätzlich ist, wenn auch sicherheitstechnisch bedingt eingeschränkt, jeder Computer auf den Dienststellen mit Internetzugriff ausgestattet. Daneben gibt es entsprechend ausgestattete Dienststellen und geschulte Mitarbeiter für diese Form der Kriminalität.

Unsere Beamten sichern zum Beispiel das Beweismaterial und geben es zur Auswertung an Spezialisten der Kripo Lübeck weiter.

Themenwechsel. Die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten hat deutlich zugenommen.

Diese Entwicklung macht uns große Sorgen. Wir beobachten eine wachsende Respektlosigkeit. Besonders bei alkoholisierten jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Auf solche Probleme stoßen die Beamten besonders am Wochenende und vor Diskotheken und Clubs. Aber sogar bei normalen Verkehrskontrollen eskaliert die Situation häufiger als früher. Die Hemmschwelle für Gewalt ist gesunken.

Sind schon Polizeibeamte in Stormarn verletzt worden?

Das passiert leider regelmäßig. Mal wird ein Finger verbogen, ein Knie verdreht, oder ein Beamter bekommt eine Schramme im Gesicht ab. Gott sei Dank sind bisher keine schlimmeren Dinge geschehen. Dies rechne ich auch der guten Ausbildung und Ausrüstung zu. Bei Einsätzen, bei denen wir wissen, dass wir auf ein besonderes Klientel treffen, schicken wir mehrere Streifenwagen oder auch Diensthunde mit zum Einsatzort.

Wie verarbeiten Ihre Kollegen solche Erfahrungen?

Für viele Polizisten sind die körperlichen Verletzungen nicht so dramatisch. Aber die Seele leidet. Nach manchen Einsätzen denken sich Kollegen: Das hätte auch schiefgehen können. Auch nach psychisch belastenden Erlebnissen wie zum Beispiel bei dem tödlichen Unfall in Bargteheide besteht die Möglichkeit und das Angebot, sich von Experten betreuen zu lassen.

Der Gesetzgeber will die Höchststrafe bei Widerstand gegen die Staatsgewalt von zwei auf drei Jahre anheben. Hilft das?

Das ist zwar eine gesellschaftliche Anerkennung der Problematik. Ob die damit verbundene Signalwirkung die Lage auf der Straße wirklich verbessert, ist abzuwarten. Denn das Höchstmaß wird selten angewandt. Die zunehmende Gewalt ist ein Problem, das sicher nicht eindimensional mit einer Strafverschärfung vollständig zu lösen ist.