Interview mit dem Stormarner Polizeichef Wolfgang Becker. Er fordert eine schnellere Bestrafung und hält die neue Einsatzzentrale in Lübeck für wegweisend

Hamburger Abendblatt:

Hinter vorgehaltener Hand hören wir oft Kritik von Polizisten, die sagen: Wir schnappen die Täter, und die Justiz lässt sie wieder laufen. Sprechen Sie mit Ihren Leuten darüber?

Wolfgang Becker:

Das ist immer wieder Thema. Auch die Frage, ob die Justiz im Einzelfall nicht härter durchgreifen sollte. Besonders bei Intensivtätern. Eine besondere Problematik ist dabei die häufig zu lange Verfahrensdauer, die zu Unmut führt. Oft verstreicht zu viel Zeit zwischen Tat und Verurteilung. Insbesondere bei jugendlichen Kriminellen muss die Strafe auf den Fuß folgen, wenn sie Wirkung zeigen soll.

Gibt es in Stormarn Jugendbanden, politisch motivierte Kriminelle?

Nein. Zwar bilden sich gelegentlich Gruppen, wie in Bargteheide, wo links- und rechtsorientierte Jugendliche aneinander gerieten. Dies sind jedoch keine festen Gruppen. Formt sich ein Lager, gibt es häufig sofort einen Gegenpol. Doch beides löst sich in der Regel schnell wieder auf.

Glauben Sie, dass es gewalttätige Übergriffe gibt, von denen die Polizei nichts erfährt, weil die Opfer aus Angst vor den Tätern von einer Anzeige absehen?

Es gibt sicher ein Dunkelfeld. Wenn wir von einer Straftat erfahren, müssen wir ermitteln. Das hält unter Umständen leider den einen oder anderen davon ab, eine Straftat anzuzeigen, weil das Opfer Angst vor Repressalien durch den Täter hat. Natürlich kann die Polizei niemandem umfassenden Schutz für alle Lebenssituationen bieten, aber es gibt Möglichkeiten, Folgetaten vorzubeugen. Letztendlich muss aber jeder für sich entscheiden, ob er Straftaten zu seinen Lasten anzeigt. Wir kennen das Problem insbesondere von Schutzgelderpressungen im Gaststättengewerbe.

Im Februar sollen die Leitstellen von Stormarn, Ostholstein, Herzogtum Lauenburg und der Stadt Lübeck zusammengelegt werden. Derzeit hat Stormarn eine eigene Leitstelle mit ortskundigen Mitarbeitern. Birgt das neue Modell Gefahren?

Es gibt keinen Beamten in der Stormarner Leitstelle, der jeden Winkel des Kreises kennt. Und das System ist veraltet. Mit dem neuen können wir den Einsatzort zum Beispiel mit modernem Karten- und Bildmaterial aufrufen und sehen, dass es zum Beispiel mehrere Anfahrtswege gibt. Streifenwagen entsprechend besser durch ein Gelände leiten und den Einsatz mehrerer Fahrzeuge besser koordinieren. Auch sind im neuen System Synonyme oder Spitznamen für Orte und Gebäude hinterlegt. Das ist eine deutliche Verbesserung.

Hohe Anforderungen, wachsender Spardruck, Beförderungsstopps - wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?

Erst einmal glaube ich, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine hohe Grundmotivation haben, die aus der Aufgabe erwächst. Auch haben die meisten Polizisten mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ein gewisses Grundverständnis dafür, dass die Rahmenbedingungen nicht immer optimal sind und sein können. Ich glaube, in jedem Beruf gibt es Momente, in denen man mit bestimmten Dingen unzufrieden ist. Dazu gehört sicher auch das Warten auf eine Beförderung oder der Frust, zum wiederholten Mal am Wochenende Dienst machen zu müssen, weil wieder kurzfristig für eine Sonderlage zusätzliche Kräfte benötigt werden. Als Vorgesetzte können wir nur versuchen, die Belastungen so gerecht wie möglich auf alle zu verteilen.

Wenn Sie von einem jungen Menschen gefragt werden, ob der Polizeiberuf erstrebenswert sei, was antworten Sie?

Unser Beruf hat mit Menschen zu tun. Er ist sehr vielseitig und abwechslungsreich. Von der Drogenfahndung bis zur Mordkommission über die Verkehrsüberwachung, Streifen- und Ermittlungsdienste, Stabs- und Führungsaufgaben, Diensthundeführer und Einsatztrainer - viele Aufgaben gehören zur Polizeiarbeit. Die Beamten können sich entsprechend spezialisieren und sich fortentwickeln.

Herr Becker, wir danken Ihnen für das Gespräch.