Kinder in Schleswig-Holstein sitzen pro Tag im Schnitt 103 Minuten vor dem TV - viel länger als in Hamburg und in anderen Bundesländern.

Ahrensburg. 103 Minuten - so viel Zeit verbringen die Drei- bis 13-Jährigen in Schleswig-Holstein einer Studie von Media Control zufolge jeden Tag vor dem Fernseher . Das ist deutlich mehr als in den meisten anderen Bundesländern. In Hamburg sitzen die Kinder durchschnittlich nur 80, in Berlin sogar nur 71 Minuten vor der Flimmerkiste. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 91 Minuten. Länger als in Schleswig-Holstein schauen nur die Kinder in Sachsen-Anhalt (119), Brandenburg (123) und Thüringen (144) fern.

"Es ist gefährlich, wenn Kinder so lange und vor allem allein Fernsehen gucken", sagt Ingo Loeding vom Kinderschutzbund Stormarn. "Da der Fernseher und der Computer sehr individuelle Medien sind, verlieren Kinder die Verbindlichkeit, mit anderen Menschen eine Kommunikationsbeziehung einzugehen." Gemeinschaftliche Erlebnisse seien dringend notwendig für die Entwicklung des Charakters und dafür, dass Kinder einen Platz in der Gesellschaft finden. Loeding: "Wir können nicht wegreden, dass sich mit dem Medienzeitalter das Freizeitverhalten der Kinder verändert hat. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass die Eltern Verantwortung übernehmen und ihren Kindern bewusst Alternativen zur Flimmerkiste bieten."

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Ob Sport, gemeinsames Spielen, Lesen oder einfach nur ein paar Stunden im Wald - wenn die Eltern mitmachen, dann ist der Fernseher schnell vergessen. "Natürlich kann auch mal der Fernseher eingeschaltet werden", sagt Loeding, "kleine Kinder sollten aber nicht allein fernsehen." Die Zeit vor dem TV sollte vielmehr ein Gemeinschaftserlebnis sein. Denn nur dann kann man auch Fragen klären, die die Kinder zu den Sendungen haben. Auch bei älteren Kindern setzt Loeding auf Regeln: "Vorher feste Zeiten oder ein Fernsehkontingent auszumachen gibt den Kindern eine Orientierung und hilft, den Konsum zu steuern."

Viele Stormarner Eltern setzen die Ratschläge der Experten offenbar um. "Bei uns wird nur selten der Fernseher eingeschaltet", sagt Meike Behlau, 38, aus Ahrensburg, "und wenn, dann schauen wir meist eine DVD." Bei ihrer vier Jahre alten Tochter Maire stehen "Die Kinder aus Bullerbü" zurzeit ganz hoch im Kurs. "Aber auf 103 Minuten am Tag kommen wir da bestimmt nicht", sagt die Mutter.

Auch der sechsjährige Johannes aus Ahrensburg schaut zu Hause nur DVDs. "Willi will's wissen" ist seine Lieblingsserie. "Wir schauen gar kein Fernsehen", sagt seine Mutter Ute Behren, "aber einmal in der Woche dürfen die Kinder einen Film auf DVD gucken." Johannes' Freund Max darf jeden Tag zehn Minuten fernsehen. "Dann schau ich immer Pur+. Das ist eine Wissenssendung für Kinder", sagt der Siebenjährige. Amelie, 6, aus Ahrensburg darf nur am Wochenende mal den Fernseher anschalten. "Wenn wir bei Oma und Opa sind, darf ich eine Stunde fernsehen", sagt sie. "Barbie find ich toll", sagt Amelie, "das gucke ich auch gerne als Film." Hermann Meyer aus Bargfeld-Stegen braucht sich über seinen neunjährigen Sohn in Sachen TV keine Gedanken zu machen. "Er liest viel lieber und ist draußen", sagt der 57 Jahre alte Lehrer für Biologie und Englisch am Eckhorst-Gymnasium Bargteheide. "Zusammen sehen wir uns nur die RTL-Nachrichten unter der Woche an und einen Walt-Disney-Film am Freitag", sagt Meyer, "sonst wird Sport gemacht." Er sieht ein Problem darin, dass Kinder lange Zeit allein sind, wenn beide Eltern arbeiten. "Aus Langeweile gucken die Kinder dann Fernsehen", sagt der passionierte Jäger.

Auch Monika Banzhaf, 43, aus Jersbek hat ein Auge auf ihren 13-jährigen Sohn Oskar, wenn es um Medien geht. "Für ihn gibt es nur die Simpsons am Dienstagabend", sagt sie, "und sonst nichts während der Woche."

Am Wochenende darf Oskar zwei Filme schauen. Darüber hinaus kann er sich durch gute Schulnoten extra Fernsehzeit verdienen. "Ab einer Drei bekommt er einen kleinen Zuschlag, aber am liebsten sollen die Kinder raus und spielen", sagt Monika Banzhaf. Wie Kinder in Schleswig-Holstein Tag für Tag 103 Minuten vor dem Fernseher sitzen können, ist auch für sie völlig unverständlich.