Die Anwohner im Berliner Viertel in Reinbek klagen über Schimmel und falsche Abrechnungen. Politiker bremsen Immobilien-Investor.

Reinbek. Undichte Dächer und Fenster, Schimmel in den Wohnungen, doppelte Mietabbuchungen, unbegründete Mieterhöhungen, falsche Betriebsabrechnungen und eine Hausverwaltung, die nie zu erreichen ist. Die Mieter im Berliner Viertel in Reinbek haben in den vergangenen Jahren viel hinnehmen müssen. Ihre Wut hat sich mehr und mehr aufgestaut und nun auf einer Sitzung des Bau- und Planungsausschusses im Rathaus entladen.

Gut 90 Mieter machen ihrem Ärger am Dienstagabend Luft, als die Deutsche Invest Immobilien GmbH (DII), die erst Ende 2010 rund 170 Wohnungen im Berliner Viertel gekauft hat, ihr Aufwertungsprojekt dem politischen Gremium vorstellen will.

Insgesamt neun Wohnhäuser plant die DII aufzustocken, die Satteldächer abzutragen, drei Meter zu erhöhen, um 30 neue Wohnungen zu bauen. Auch neue Doppelgaragen und unterirdische Garagen sind vorgesehen. Doch das Projekt kann der Hamburger Architekt Olaf Gibbens kaum vortragen. Immer wieder wird er durch wütende Zwischenrufe und Fragen der Mieter unterbrochen. "Wozu neue Wohnungen, wenn andere nicht saniert werden und seit Jahren leer stehen? Das ist doch Kommerz. Sie wollen doch nur einen Grund, die Mieten noch weiter zu erhöhen. Es ist ein Unding, dass wir hier auch in Reinbek schon so weit sind", unterbricht ein aufgeregter Herr. Ein anderer ruft: "Heuschrecken-Methoden sind das." Ludwig Söhngen von der DII versucht zu beschwichtigen. Er kündigt an, die Probleme weiterzuleiten und beheben zu lassen.

Die Mitglieder des Bau- und Planungsausschusses verfolgen erschrocken den Wortwechsel. Am Ende schmettern sie die Baupläne ab, in dem sie der dazu nötigen Änderung des Bebauungsplans geschlossen ihre Zustimmung verweigern. Denn sie fürchten durch den Zuzug weiterer Mieter eine höhere Verkehrsbelastung. Auch Bürgermeister Axel Bärendorf erklärt: " Es ist bereits einer der am höchsten verdichteten Bereiche in Reinbek mit erheblichen Verkehrsbewegungen. Das würde die Lebensqualität dort weiter beeinträchtigen."

+++ Wohnen muss bezahlbar bleiben +++

Vom Schimmel und den übrigen Klagen hört er wie viele der Stadtverordneten zum ersten Mal. "Die Deutsche Invest hat in der Vergangenheit nicht immer für positive Nachrichten gesorgt. Viele Mieter wurden vergrätzt, Mieten erhöht. Am Ende mussten Kommunen mit Wohngeld unterstützen", kritisiert Heinrich Dierking von der Wählergruppe Forum 21 und fordert Söhngen von der DII auf, die Schimmelprobleme sofort zu beheben. "Sie haben auch eine soziale Verpflichtung dazu. Erledigen Sie ihre Aufgaben als Vermieter und behelligen sie uns nicht mit so halbseidenen Projekten", schimpft er.

Dass die DII dem nachkommen wird, daran glauben indes viele der betroffenen Mieter nicht. Yvonne Müller wohnt seit Dezember 2010 mit ihrem Mann Marco und ihrer kleinen Tochter Ricarda in der Dreizimmerwohnung. Ein Glücksgriff, dachten sie damals noch. 68 Quadratmeter, 630 Euro Warmmiete, Balkon. "Und dann konnten wir drei Monate mietfrei wohnen. Bedingung: Wir sollten die Wohnung selbst renovieren. Im Nachhinein aber haben wir uns geärgert, dass wir nicht stutzig geworden sind - auch weil uns die Wohnung immer nur bei Dämmerung gezeigt wurde", erinnert sich die 31 Jahre alte Mutter. Nur drei Monate später sei er dann durchgebrochen, der Schimmel. "Der hat regelrecht geblüht", erzählt Müller. Nach etlichen Telefonaten und Briefwechseln sei irgendwann ein Maler aufgetaucht, der den Schimmel übergepinselt habe und großflächig eine Chemikalie versprüht habe. "Seitdem wacht unsere Tochter nachts regelmäßig auf. Sie hat Hustenanfälle", berichtet die Mutter, die mittlerweile einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat und parallel auf Wohnungssuche geht.

Auch ihre Nachbarn klagen, nicht nur über Schimmel, auch über undurchsichtige Miet- und Betriebsabrechnungen. "Bei uns wurde mit dem Konto gespielt", sagt Hannelore Beucher. Kein Einzelfall. Mehrere Mieter haben das gleiche Problem. Und ebenso dicke Aktenordner wie Hannelore Beucher und ihr Lebenspartner Dietrich Esdorf. Ein aufgeregtes Rentnerpaar, das seinen Namen nicht öffentlich machen möchte, läuft seit November jeden Monat zur Bank, um Lastschriftwidersprüche einzulegen. "Bei uns wird ständig die doppelte Miete abgezogen. Aber es fühlt sich niemand zuständig." Auch der Hausmeister habe mittlerweile gekündigt. "Es wird erzählt, dass er nicht mehr bezahlt wurde", berichtet die Frau. Wie viele ihre Nachbarn ist sie nun in den Mieterschutzbund eingetreten. Bürgermeister Bärendorf will nun prüfen, ob der Fall etwas für die Bauordnung und das Gesundheitsamt ist.