Aspergillus und Co. breiten sich durch unsere heutigen Lebensgewohnheiten aus. Eine Gefahr für die Gesundheit. Richtiges Lüften hilft.

Witten. Der Wohnungsschimmel ist ein echter Asket. Wenn er sich seelenruhig auf den Innenwänden ausbreitet, macht er den Eindruck, als würde er zum Leben nicht viel mehr brauchen als Luft. Und tatsächlich: Er benötigt zwar Kohlen- und Stickstoffverbindungen, doch die holt er sich einfach aus dem Tapetenpapier und -kleister oder, bei untapezierten Räumen, von den feuchten Handabdrücken, die Menschen auf dem Mörtel hinterlassen haben.

Neben Bescheidenheit zeigt der Pilz aber auch noch die Hartnäckigkeit eines Asketen: Seine Fäden verhaken sich so intensiv mit den porösen Wänden, dass man ihn nicht einfach wegfegen kann. Der Hausschimmel braucht also nicht viel zu seinem Glück, zudem zeigt er starke Tendenzen, sich als Dauergast einzunisten - und dieser Trend hat deutlich zugenommen.

Laut Stiftung Warentest leben die mykotischen Mitbewohner bereits in jedem zweiten deutschen Haushalt. Der Mikrobiologe Axel Schmidt von der Universität Witten-Herdecke würde sogar noch weitergehen: "Wenn man genau hinschaut, wird man wohl in jedem Haushalt irgendwo welche finden." Der Grund für diese Epidemie: Der Mensch wohnt heute viel perfekter als noch vor 30 Jahren. So schickt er erheblich mehr Feuchtigkeit durch die Räume, weil er öfter duscht, und die Zimmer werden auf T-Shirt-Temperaturen hochgeheizt.

Problematisch ist aber auch, dass der Innenraum im Bestreben nach Energieersparnis und Lärmschutz geradezu hermetisch von außen abgeschottet wird. "In Studien hat man tatsächlich Wohnungen gefunden, deren Fenster- und Türenabdichtung derart gut war, dass der Luftdruck beim Aufpumpen durch eine Spezialtür immer weiter anstieg", berichtet Schmidt.

Zum pilzfördernden Perfektionismus heutiger Zeiten gehört auch, dass man sich oft extrem um die Akkuratesse des Mobiliars bemüht. "Die Schränke und Bilder werden bis auf Knirschnähe an die Wände herangerückt, sodass eine Luftzirkulation hinter ihnen praktisch unmöglich wird", sagt Schmidt. Auf diese Weise bilde sich dort ein feuchtwarmes Milieu, das für den Wohnungsschimmel geradezu ideale Lebensbedingungen bietet. Wobei es durchaus Schimmelarten gibt, die noch unter Minustemperaturen gedeihen. Einig sind sich jedoch alle Innenraumpilze in ihrem Bedürfnis nach viel Wandfeuchtigkeit, nämlich mindestens 65, am besten aber 85 bis 95 Prozent. Und die bilden sich beispielsweise, wenn der Schlagregen an die Außenwand prasselt und ins Innere drückt. Oder bei Neubauten, wenn die Restfeuchtigkeit im Zement oder Mörtel noch abdampfen muss.

Der bedeutsamste Nässeerzeuger ist jedoch die Temperaturdifferenz. So führen im Winter niedrige Außen- und höhere Innentemperaturen schnell zum Tauwasserausfall an den Innenwänden. Doch auch ein Temperaturgefälle innerhalb der Wohnung kann problematisch sein. "Im Schlafzimmer ist es oft besonders kühl, sodass dort bevorzugt der Wasserdampf aus Küche, Bad und Wohnzimmer kondensiert und für feuchte Wände sorgt", warnt Klaus Sedlbauer vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Bauphysik. Deswegen finde man dort relativ häufig Schimmelpilze.

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Der schmutzig-dunkle Pilzbelag an der Wand ist nicht nur ästhetisch, sondern auch gesundheitlich ein Problem. Seine Sporen gelangen je nach Pilzart unterschiedlich tief in die Atemwege, wo sie zu Allergien und bei immunschwachen Menschen auch zu schweren Infektionen führen können. Am Ende kann es zu einer Entzündung der Lungenbläschen und einer Lungenversteifung kommen: der Fibrose.

Etwa fünf Prozent der Menschen reagieren nach heutigem Kenntnisstand sensibel auf Schimmelpilze. Bei Menschen mit erhöhter Allergieneigung (Atopie) liegt die Quote sogar bei 30 Prozent. Hinzu kommen die psychischen Belastungen: Wer in einem muffigen Zimmer mit schmutzig-verpilzten Wänden leben muss, fühlt sich dort auch ohne Allergie unwohl.

Gründe genug, sich zügig von dem unerwünschten Mitbewohner zu trennen. Doch das ist gar nicht so einfach. Die Wirkung der herkömmlichen Fungizide ist zeitlich und räumlich begrenzt; meistens kehrt der Pilz bald zurück. "Am besten ist: Tapete runter, ein neuer Tiefengrund und dann frisch tapezieren", so Schmidt. Und dann müssten die Bedingungen, die den Schimmel begünstigen, verändert werden.

Dazu gehört, die betroffenen Wände nicht mit Bildern und Möbeln abzudecken - und wenn, dann sollte dies mit einem Abstand von mindestens zehn Zentimetern geschehen. Für Bilder gibt es mittlerweile entsprechende Abstandhalter, während man bei Möbeln nicht nur die Wanddistanz, sondern auch die Distanz zum Boden beachten sollte, um die vertikale Lüftung zu gewährleisten: Omas Möbel mit ihren Füßchen hatten lüftungstechnisch durchaus ihren Sinn.

Was die Raumlüftung angeht, hatten die alten, schlecht dichtenden Fenster den Vorteil, für einen dauernden Luftaustausch zu sorgen. In Zeiten moderner Verglasungen ist Stoßlüften angezeigt: Mindestens zwei-, besser dreimal am Tag für etwa zehn Minuten. Es sollten gleich die Fenster in mehreren Zimmern geöffnet werden, damit in der ganzen Wohnung die feuchte Innenraumluft durch trockene Außenluft ersetzt wird. Wobei dieser Effekt nur dann eintritt, wenn es draußen kälter ist. Wer dagegen im Sommer tagsüber lüftet, lässt warme Luft hinein, die ihre Feuchtigkeit gleich wieder an die vergleichsweise kälteren Wände abgibt. Hier empfiehlt sich also das Lüften während einer kühlen Nacht.

Ansonsten hilft es, die Heizung nachts oder bei Abwesenheit nicht ganz abzudrehen, um ein Auskühlen der Wohnungsaußenwände zu verhindern. Denn wenn dies geschieht, treten beim Aufheizen der Wohnung genau die Temperaturdifferenzen und Tauwasserbildungen auf, die dem Schimmel gefallen. Außerdem vermag nur eine warme und trockene Wand ihre optimale Wärmedämmwirkung zu entfalten.