Helgo Matthias Haak predigt über Vertuschung im Ahrensburger Missbrauchsskandal und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kirchenleitung.

Ahrensburg. Sonne fiel durch die Fenster der Ahrensburger Schlosskirche. Die Gottesdienstbesucher sprachen kurze Gebete, bevor sie Platz nahmen, und hörten die Glocken läuten. Sonntäglicher Friede in der Kirche. Für Pastor Helgo Matthias Haak ist dieser Friede seit dem Bekanntwerden des Ahrensburger Missbrauchsskandals vor zwei Jahren gestört, die Stille trügerisch. Er erhob in seiner Predigt schwere Vorwürfe gegen die Kirchenleitung, die bisher nicht aufgeklärt habe. Haak: "Dafür beschuldige ich Vorgesetzte, Kirchenbeamte, Kirchenleitung. Es lässt sich heute von niemandem mehr abstreiten, dass im Ahrensburger Missbrauchsskandal höchste Persönlichkeiten der Nordelbischen Kirche im Zwielicht stehen."

Der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen in den 80er-Jahren durch Dieter Kohl, dem ehemaligen Pastor im Kirchsaal Hagen, war 2010 öffentlich geworden. Jetzt, einen Monat, nachdem das Kirchengericht ihm erlaubt hatte, seine Sicht zumindest teilweise darzustellen, und eine Woche, bevor Bischöfin Kirsten Fehrs und Bischof Gerhard Ulrich in Ahrensburg darüber predigen werden, wiederholte Haak seine Forderung, sich den Geschehnissen zu stellen. Zugleich beklagte er, dass die Akten komplett verschwunden seien. Haak: "Der Ahrensburger Missbrauchsskandal ist zum nordelbischen Aufklärungsskandal geworden." Es gebe viele Jahreszahlen, und jede Jahreszahl stehe für eine Vertuschung. Er bezweifle, dass die Kirche wirklich wissen wolle, was geschehen sei. Haak: "Ich nenne das Verantwortungsvakuum." Ahrensburg stehe exemplarisch für die Verleugnung sexuellen Missbrauchs in der Gesellschaft. Haak: "Wie viel Gott, wie viel Jesus ist in dieser Kirche noch drin?"

+++ Missbrauchsopfer können auf Entschädigung hoffen +++

Es gehe um die Anerkennung des Leids der Opfer und die Anerkennung und Feststellung der Schuld. Und die liege bei den "Pastorentätern" und nicht bei den missbrauchten Jugendlichen oder deren Eltern. Haak: "Was man ihnen vorwerfen könnte, wäre vielleicht, dass sie Vertrauen in die Kirche gehabt haben." Was Dieter Kohl getan habe, sei unfassbar. Dass sein unmittelbarer Kollege Pastor H. davon gewusst und selbst Liebesbeziehungen zu jungen Frauen geführt habe, sei noch unfassbarer. Haak: "Kann man unfassbar noch steigern?"

Bis heute habe die Kirche zu den Opfern keinen Kontakt auf Augenhöhe aufgebaut, noch immer liege kein konkretes Angebot zur Entschädigung vor. Haaks Appell an die Bischöfe: "Nach zwei Jahren keine leeren Worte mehr. Denn ein Glaube ohne Taten ist tot."

Nach der Predigt brandete Applaus auf. Rund 120 Menschen hatten Haak zugehört und bedankten sich für die "offenen Worte" und den "Mut".

+++ Nach Missbrauchskandal: Streit um die Aufarbeitung +++

"Ich bin froh, dass er sich einsetzt", sagte eine Frau, die mit den Tränen kämpfte, "als Psychologin weiß ich, wie zerstörerisch es ist, wenn Sexualität als Kraftquelle durch Übergriffe versiegt."

"Das musste alles mal gesagt werden, wenn schon von der Nordelbischen Kirche keine klaren Worte kommen", sagte Ruth Wölber. "Ich stehe völlig dahinter", sagte auch Horst Klingspor, Pastor im Ruhestand, "ich war ja dabei und habe mit den betroffenen Kollegen zusammengearbeitet. Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber ich habe wirklich nichts gewusst." "Die Predigt hat mir aus dem Herzen gesprochen", sagte Sabine Zienkiewicz vom Kirchenvorstand, "die Pastoren hier leisten ganze Arbeit. Ich stehe hinter der Gemeinde, aber nicht mehr hinter der Kirche."

Frank Zabel, Sprecher der Nordelbischen Kirche, weist den Vorwurf zurück, die Kirche sei nicht an Aufklärung interessiert: "Die Kirchenleitung wird wie angekündigt mit dem Kirchenkreis Hamburg-Ost eine unabhängige Expertenkommission einsetzen, die an der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle arbeiten soll. Gespräche mit möglichen Kommissionsmitgliedern laufen längst." Von "verschwundenen" Akten könne keine Rede sein, nur von Fehlern in der Dokumentation. "Bereits im Mai 2011 hat Bischof Ulrich öffentlich gesagt, dass die Dienstaufsicht im Fall Kohl nicht so funktioniert hat, wie es hätte sein sollen. Ein externes Gutachten hat dies seinerzeit bestätigt."