Rechtsextreme Partei will ab Ende März mit Lautsprecherwagen Landtagswahlkampf machen. Kirche und Politiker reagieren empört.

Kiel/Ahrensburg. Lautsprecherwagen, die in brüllender Lautstärke rechte Parolen in die Wohnzimmer schleudern - diese unerfreuliche Vorstellung wird zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein Realität. Die NPD hat beim Land eine Genehmigung für solche Fahrten beantragt, und sie wird diese Genehmigung auch bekommen. Es gibt offenbar keine rechtliche Möglichkeit, sie zu verbieten.

Zuständig für den Antrag ist der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) in Kiel. Dessen stellvertretender Direktor Bernd Käding bestätigt, dass die NPD auf diese Weise für sich werben will. "Der Antrag wird zur Zeit bearbeitet", sagt er. Und weiter: "In der Vergangenheit wurden ähnliche Anträge der NPD genehmigt. Die straßenrechtlichen Voraussetzungen sind gegeben."

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Die Werbefahrten der Neonazis sorgen bei Politik und Kirche für Empörung. "NPD-Propaganda aus Lautsprechern im öffentlichen Raum - das ist für mich ein Übergriff auf unsere demokratischen Werte", sagt Kirsten Fehrs, Bischöfin des Sprengels Hamburg und Lübeck. "Rechtsextremem Gedankengut auf diese Weise ausgesetzt zu sein, empfinde ich als Zumutung, insbesondere für Bürger mit Migrationshintergrund."

Robert Habeck, der Fraktionschef der Grünen im Landtag, sagt: "Die Vorstellung, dass die NPD mit Lautsprecherwagen durchs Land fährt und ihre menschenverachtenden Parolen laut verbreitet, ist entsetzlich." Ralf Stegner, der SPD-Landesvorsitzende: "Ich finde das nicht gut. Wir wollen die Nazis nicht auf unseren Straßen haben. Aber ich glaube, solche Propagandamethoden verfangen nicht." Zurückhaltender reagierte die CDU. Der Spitzenkandidat Jost de Jager wollte sich nicht äußern. Eine Parteisprecherin sagte, man habe das Vorhaben der NPD "zur Kenntnis genommen". Die CDU werde solche Art der Werbung nicht betreiben.

Die rechtsextreme, aber nicht verbotene NPD will ihre Fahrten vom 31. März bis zum Wahltag 6. Mai im gesamten Land durchführen. Der Landesvorsitzende Jens Lütke erklärt die Werbeidee auf Anfrage so: "Die NPD ist eine relativ kleine Partei. Mit den Lautsprecherfahrten ist es uns möglich, auch in den Gebieten, in denen unsere Strukturen noch nicht so stark ausgebaut sind, eine große Zahl von Menschen zu erreichen." Man könne so "flexibel auf die jeweilige Tagespolitik reagieren". Die NPD habe, so Lütke weiter, bereits vor der letzten Landtagswahl mit Lautsprecherfahrten geworben. "Schwerpunkt war der Raum um Hamburg." Dies sei eine Aktion von "wenigen Tagen" gewesen. Dieser Rahmen werde diesmal "deutlich erweitert". Auf die Frage, zu welchen Tageszeiten die Wagen unterwegs sein werden, antwortete er, "Sichtwerbefahrten" seien nur bei Tageslicht sinnvoll. "Weitere Einschränkungen ergeben sich aus unserer Sicht nicht."

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Aus Sicht der Genehmigungsbehörde schon. Die Freiheit auf Schleswig-Holsteins Straßen ist nicht grenzenlos. Der Landesbetrieb hat schon in der Vergangenheit zeitliche und räumliche Einschränkungen ausgesprochen - und wird es wohl auch diesmal wieder tun. In der Regel, so der LBV, sind die Lautsprecherfahrten nur werktags in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 20 Uhr erlaubt. Außerdem gibt es Sperrzonen: Innerhalb von circa 200 Metern um Kirchen, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen und Friedhöfen sind Durchsagen verboten. Gebührenfrei ist die Genehmigung ebenfalls nicht. Die NPD wird rund 400 Euro an die Staatskasse zahlen müssen.

Weil die Kommunen bei der Genehmigung des Antrags angehört werden müssen, holt der LBV derzeit Stellungnahmen von allen Städten und Kreisen ein. Die könnten einzelne Straßen von der Genehmigung ausnehmen - wenn es dafür einen zwingenden Grund gibt. "Ein pauschales Verbot ist nicht möglich", sagt Dieter Bock vom LBV.

Doch in den Kommunen regt sich Widerstand. "Ich finde das unerträglich, dass so etwas möglich ist", sagt Stefan Kehl, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stormarner Kreistag. "Das ist ja eine gruselige Vorstellung. Wenn es volksverhetzend ist, was da gesagt wird, dann muss die Polizei einschreiten." Heiko Winckel-Rienhoff von der Kreistagsfraktion der Linken sagt: "Ich werde im Hauptausschuss nachfragen, wie der Lautsprecherwahlkampf der NPD in Stormarn verhindert werden kann." Er findet: "Die NPD zeigt sich als demokratiefeindlich und verfälscht die deutsche Geschichte. Ihre fremdenfeindlichen Parolen gefährden das friedliche Zusammenleben."

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Dass die NPD schon in der Vergangenheit solche Fahrten vornehmen durfte, ist in der Öffentlichkeit weithin unbekannt. "Davon habe ich noch nie etwas gehört", sagt Martin Habersaat, der SPD-Landtagsabgeordnete aus Barsbüttel. "Die Vorstellung ist schon unangenehm. Aber so lange die NPD nicht verboten ist, kann man dagegen offenbar nichts unternehmen."

Ein Verbotsverfahren gegen die Partei war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Mittlerweile sind viele Politiker für ein neues Verfahren. Auch der Landesinnenminister Klaus Schlie (CDU) befürwortet das. Nach seinen Erkenntnissen hatten NPD-Funktionäre enge Kontakte zur rechtsterroristischen Zwickauer Zelle, der zahlreiche Morde zur Last gelegt werden. Schlie hatte deshalb unter anderem dafür plädiert, die von der NPD beantragte Demo in Lübeck zu untersagen. Am vergangenen Freitag hat der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe den für den 31. März geplanten "Trauermarsch" tatsächlich verboten - unter anderem wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des Verdachts der Volksverhetzung.

Volksverhetzung ist kein Begriff, der in der Straßenverkehrsordnung vorkommt. Doch genau auf Grundlage dieses Gesetzes entscheidet der Landesbetrieb Straßenbau. Bernd Kädisch vom LBV sagt: "Was aus den Lautsprechern kommt, darf bei unserer Abwägung keine Rolle spielen." Bisher habe es auch noch keine Beanstandungen von Bürgern gegeben. Kädisch: "Wenn wir erfahren hätten, dass die Partei die Genehmigung in der Vergangenheit missbraucht hat, dann hätten wir das natürlich in unsere aktuelle Entscheidung einfließen lassen können."