Zu wenig männliches Personal - Jungen fehlen die Vorbilder, bemängelt Bildungsexperte Frank Beuster. Sonnabend, 2.6., hält er einen Vortrag.

Ahrensburg. Der Bildungsexperte Frank Beuster rät Stormarner Grundschulen, Kitas und Horten, stärker als bisher spezielle Angebote für Jungen zu schaffen. Derzeit wird in mehreren Orten im Kreis über eine Ausweitung des Nachmittagsangebots der Grundschulen diskutiert, etwa in Ammersbek. In anderen Kommunen geht es um neue Kita- und Hortplätze, etwa in Bargteheide, Trittau und Ahrensburg. Diese Situation bietet aus Sicht von Frank Beuster eine gute Gelegenheit, auch über die Inhalte der pädagogischen Angebote zu diskutieren.

"Sinnvoll sind zum Beispiel Gruppen an Grundschulen, in denen sich Väter nachmittags nur mit den Jungs beschäftigen, mit ihnen etwas bauen und basteln oder kochen", sagt Frank Beuster. Er rät auch dazu, stärker auf sportliche Angebote zu setzen - in Schulen, Kitas und Horten. So werde dem Bewegungsdrang vieler Jungen entgegengekommen, der sonst oft im Schul- und Kita-Alltag zu kurz komme.

+++ Ein Tag im Leben eines ... Erziehers +++

Frank Beuster, der selbst eine Grundschule in Hamburg leitet, ist der Autor des Buches "Die Jungen-Katastrophe", in dem er eine gesellschaftliche Analyse zur Situation von Jungen vornimmt.

Kernthese seines Buches ist, dass Jungen in Schulen und Kitas immer stärker ins Hintertreffen geraten, weil sie immer weniger männliche Bezugspersonen haben. Die Pädagogen, im Regelfall Frauen, wüssten hingegen häufig nicht, wie sie auffällige Jungen einbinden sollen. "Jungen haben häufig sehr viel Energie und Forscherdrang, fügen sich aber schwieriger in soziale Systeme wie in eine Schulklasse ein", sagt Frank Beuster.

+++ Modellprojekt "Mehr Männer in Kitas" auf Erfolgskurs +++

Zudem hinken sie, biologisch bedingt, den Mädchen in ihrer Reife hinterher. "Jungen werden oft als Störenfriede und als defizitär wahrgenommen. Wenn sie sich aber in so eine Ecke gestellt fühlen und keine Erfolgserlebnisse haben, die gerade Jungen so sehr brauchen, dann verweigern sie sich irgendwann den Bildungsangeboten", so der Pädagoge.

Schulabschlüsse von Mädchen durchschnittlich eine Note besser

Dass das vermeintlich starke Geschlecht immer mehr ins Hintertreffen gerät, belegten auch die Zahlen. Beuster: "Die Abschlussnoten von Mädchen sind am Ende einer Schullaufbahn im Durchschnitt eine Note besser als die der Jungen. Frauen studieren und promovieren häufiger als Männer." In Gegensatz dazu würden 90 Prozent aller Kriminaldelikte von Jungen und Männern begangen.

Beuster sieht die Gefahr, dass immer mehr Jungen und junge Männer abdriften, die Schule ohne Abschluss verlassen und auch durch andere soziale Raster fallen. Er fordert: "Es müsste mehr männliches Personal in Kitas geben, außerdem mehr Lehrer in Grundschulen."

Nur etwa fünf bis sieben Prozent des Stormarner Kita-Personals männlich

Auch Stormarn hat in dem Punkt Nachholbedarf - so sieht es Wilhelm Hegermann, Bereichsleiter für Jugend, Schule und Kultur in der Kreisverwaltung. "Es wäre wünschenswert, wenn es deutlich mehr Männer in Schulen und Kitas gäbe", sagt er. Bisher seien nur etwa fünf bis sieben Prozent des Personals in den Kitas männlich, in Grundschulen seien es zehn bis 15 Prozent.

Zu den Ausnahmen zählt Lasse Kruck, der als Erzieher in der Glinder Kita Zwergenwache arbeitet. Auch er sagt: "Es ist wichtig, dass es mehr Erzieher in Kitas gibt. Denn es gibt einfach Kinder, die männliche Bezugspersonen besonders brauchen." Zu den Jungen hätten Erzieher in manchen Situationen einen leichteren Zugang, etwa wenn "Ringen und Raufen" gespielt werde.

Auch Frauen, die im Bildungsbereich tätig sind, wünschen sich mehr männliche Unterstützung. Dazu zählt Ute Sauerwein-Weber, Jugendbildungsreferentin und Schulsozialarbeiterin in Bargteheide. "Wir brauchen mehr männliche Identifikationsfiguren für die Kinder. Die sind zum Teil besser dafür geeignet zu verstehen, was bei kleinen Jungs gerade passiert", sagt sie. Sie spricht auch aus Erfahrung mit dem Thema, unter anderem engagiert sie sich in Gewaltpräventions-Projekten an Schulen.

Doch nicht nur Bildungseinrichtungen, auch die Eltern sieht Frank Beuster in der Pflicht. Denn diese könnten bei der Erziehung viel dafür tun, dass kleine Jungen nicht zu schwierigen Schülern werden. "Ganz wesentlich ist das kreative und bewegungsintensive Spiel, insbesondere in der Natur. So machen Kinder früh Körpererfahrungen, die bei der Hirnentwicklung wichtig sind - gerade bei Jungs." Diese müssten zudem früh sozialverträgliches Verhalten lernen, etwa in Sportvereinen.

Eine Erziehung, in der Bewegung, Spiel und Sport in der freien Natur eine Rolle spielt, sei gerade in Stormarn gut möglich, sagt der Vater zweier Söhne, der die Region gut kennt. "Es ist auf dem Land natürlich einfacher, im Wald auf Abenteuerausflüge zu gehen, oder ein Baumhaus zu bauen", sagt Beuster.

Doch leider machten immer weniger Kinder von den vielen Möglichkeiten Gebrauch, sondern säßen stattdessen vor dem Computer. "Die visuellen Reize und die Schnelligkeit, die Computerspiele haben, sind gerade für Jungs verlockend. Die Natur kann damit nicht konkurrieren", sagt Beuster. Um die kleinen Jungen von den Computern wegzubekommen, sieht Frank Beuster erneut die männlichen Vorbilder als besonders wichtig an.

Morgen, 2.6., ab 11 Uhr spricht Frank Beuster auf Einladung der freien evangelischen Gemeinde Ahrensburg im Marstall (Lübecker Straße 8) über die "Jungen-Katastrophe". Anschließend ist eine Diskussion mit den Gästen vorgesehen. Anmeldungen nimmt Jens Kugler unter Telefon 04102/47 14 90 entgegen. Der Eintritt kostet fünf Euro, Ehepaare zahlen acht Euro.