Bank-Geheimnisse: Das Hamburger Abendblatt trifft Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Diesmal: den Vorsitzenden des Seniorenbeirats Barbüttel

Barsbüttel. "Man muss miteinander reden, und nicht übereinander", sagt Werner Schlüter. Der Vorsitzende des Seniorenbeirats in Barsbüttel schätzt das offene Wort. Seit 2004 ist er Vorsitzender des Gremiums und wurde gerade für drei weitere Jahre im Amt bestätigt. Er hat für die Seniorenvertreter das Rederecht in den Gemeindeausschüssen erstritten. Früher wurden die Anfragen des Beirats schon mal abgewiesen, weil die Politiker manche Themen als "nicht seniorenrelevant" einstuften. "Seniorenrelevant ist heute eigentlich alles", meint Werner Schlüter.

Wenn er im Gemeinderat spricht, verzichtet er auf das installierte Mikrophon und setzt auf seine kräftige Stimme. "Ich glaube, man versteht mich auch so," sagt er dann, und vertritt seine Positionen hartnäckig und oft mit Erfolg. Ein Beispiel ist der kleine Wanderweg Am Akku, an dem seine Lieblingsbank steht. 2005 wollte der Seniorenbeirat den Bewohnern im dortigen Altenheim einen Spazierweg ins Grüne verschaffen. Doch die Politik lehnte den Antrag mehrfach ab. Schlüter blieb dran. Zwei Jahre dauerte es, bis es mit "Bordmitteln" aus dem Bauhof gelang, den Weg zu errichten, der heute von vielen Spaziergängern genutzt wird.

Der 80-Jährige kennt in Barsbüttel quasi jeden Stein. Nicht nur, weil er das Wachstum der Gemeinde miterlebt hat, sondern auch, weil er sich seit Jahren für Ältere und Behinderte einsetzt. Fast jeder abgesenkte Bordstein im Ort ist einem Hinweis von ihm zu verdanken. Ein Erfolg sind auch der vom Beirat ins Leben gerufene Seniorenfahrdienst und das Seniorenfrühstück an jedem dritten Donnerstag im Monat im Bürgerhaus. "Das hat hier gefehlt. Wir haben jedes Mal 30 bis 40 Teilnehmer." sagt Werner Schlüter.

Dort wird das gepflegt, was ihm so wichtig ist: das offene Gespräch. "Es wird über alles geredet, das ist viel besser als eine Seniorensprechstunde." Eine solche Sprechstunde war 2010 im Gespräch gewesen, als die Politiker versuchten, den unbequemen Beirat durch einen Seniorenbeauftragten zu ersetzen. Im Gemeinderat protestierten damals rund 120 Barsbütteler gegen die Idee und die Politik lenkte ein. Der Konflikt führte dazu, dass die Akteure wieder mehr miteinander redeten.

Heute klappt die Zusammenarbeit besser. So sind sich alle einig, dass es in Barsbüttel mehr Wohnformen für Ältere geben muss. Hinter dem gerade erweiterten Seniorenheim an der Straße Am Akku beginnt noch in diesem Jahr der Bau von mehr als 100 seniorengerechten Wohnungen. Der Seniorenbeirat will nun den Bedarf in allen vier Ortsteilen der Gemeinde ermitteln. Dazu haben alle Einwohner über 60 Jahre einen Fragebogen erhalten. Außerdem unterstützen die Politiker die Senioren, die sich für einen Fußgängerüberweg am Altenheim einsetzen. Die Kreisverkehrsaufsicht ist gegen eine Ampel, einen Zebrastreifen oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung, obwohl das Heim an einer Ausfallstraße zur Ortsumgehung liegt, auf der Tempo 70 erlaubt ist.

Das ärgert Werner Schlüter, der die unsichere Querung als Gefahr für Bewohner und Besucher des Heimes einschätzt - eine Meinung die die lokale Polizeidienstelle teilt. "Es kann doch nicht sein, dass ein Verwaltungsmensch bestimmt, wo Tempo 30 ist. Der wird von unseren Steuern bezahlt und sollte etwas für die Bürger tun.", meint er. Als Kompromiss soll hier nun eine sogenannte "Sprunginsel" entstehen, wenn die Bauarbeiten für das neue Nahversorgungszentrum beginnen.

Schlüters Ziel sind aktive Senioren. "Wir können uns das heute nicht erlauben, dass Menschen vereinsamen", sagt der 80-Jährige. Er selbst ist das beste Beispiel dafür, wie man im Alter aktiv bleibt. Neben seiner Mitgliedschaft im Bürgerverein und in der Freiwilligen Feuerwehr setzt er sich vor allem für die Natur ein. So betreut er als ehrenamtlicher Mitarbeiter der unteren Landschaftsschutzbehörde des Kreises Stormarn alle 30 Barsbütteler Biotope und ist Mitglied der Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt in Stemwarde. Mit einer AG der Grundschule in Willinghusen hat er über 100 Nistkästen für Vögel und Fledermäuse zusammen gezimmert und dazu beigetragen, dass in der Willinghusener Heide wieder Kröten, Eidechsen und ein Bussardpärchen zu finden sind. Außerdem spricht er gerne als Zeitzeuge vor Schülern.

Denn er hat aus seinem bewegten Leben viel zu erzählen. 1932, als Werner Schlüter geboren wurde, war Wandsbek noch die Hauptstadt des Kreises Stormarn und gehörte zu Preußen. Er wuchs in Jenfeld auf und spielte als Kind dort, wo jetzt das Barsbütteler Einkaufszentrum gebaut werden soll. Mit 17 Jahren fand er in Barsbüttel seinen ersten Arbeitsplatz auf einem Bauernhof und trat nach einem Jahr auch in die Freiwillige Feuerwehr ein. Später zog er nach Stemwarde, wo er 25 Jahre als Gerätewart und Hausmeister in der Feuerwache wohnte.

Hausmeister ist er auch heute noch, in seinem Wohnhaus in Barsbüttel, das auf dem Gelände eines ehemaligen Hartsteinwerks steht. "In dem Werk hat früher mein Vater gearbeitet." Vom Bauern ging es für den jungen Werner Schlüter erst zu einem Landmaschinen-Hersteller und dann zu einem Gemüsegroßhändler. 1970 wurde er für die CDU Gemeindevertreter in Stemwarde, doch 1974 war wieder Schluss mit der Politik. Denn der damalige Bürgermeister Dietrich Austermann holte ihn als Vorarbeiter an den Bauhof der neuen Großgemeinde Barsbüttel. Hier blieb er 25 Jahre, zuletzt als stellvertretender Leiter.

Seit 1979 ist er mit seiner zweiten Frau Monika, 70, verheiratet. Von den fünf Kindern stammen drei aus der ersten Ehe mit Renate, die 1972 starb. Mit seiner Frau teilt er die Leidenschaft für das Reisen. Sein größtes Erlebnis: "Wir sind mit dem Heißluftballon über die Serengeti geflogen." Und sie haben zusammen im Sommer 1992 den ersten von 37 Hilfstransporten für Barsbüttels Partnerstadt Keila in Estland organisiert, die er alle begleitet hat. "Wir wollten etwas Gutes tun, weil es uns in Deutschland ja auch mal schlecht ging."