Superstar zu werden ist nicht leicht. Für ihren Traum ließ sich die 18-Jährige vor Millionen von Zuschauern von Dieter Bohlen demütigen.

Irgendwann ahnte Liza-Marie Viebrock, dass Dieter Bohlen leibhaftig in ihr Leben treten würde. Aus der Ahnung wurde eine Gewissheit, die der 18-Jährigen eine gehörige Portion Respekt einflößte. "Weil ich dachte, er könnte vielleicht etwas sagen, das mich verletzt." Und weil dieser Mann aus Tötensen, dem der Spitzname Pop-Titan anhaftet, Ahnung von Musik habe, ja sogar viel Ahnung. Und ein hohes Urteilsvermögen. "Wenn er sagt, etwas ist Käse, dann wird das auch so sein." Sagt Liza-Marie. Es ist der Anfang einer Geschichte, die von großen Träumen und großen Erwartungen handelt.

Und von kleinen Enttäuschungen. Womit das Ende schon vorweggenommen wäre. Denn dann trat der Pop-Titan leibhaftig in das Leben der Liza-Marie Viebrock. Und wenig später, er saß an einem Malediven-Strand unter einer Palme hinter einem Rattan-Schreibtisch, sprach er tatsächlich von Käse, auch wenn das Wort selbst nicht fiel. "Liza", sprach er, "du würdest mich nur blamieren in den Mottoshows. So was brauchen wir nicht." Ob das nun ausschließlich von Ahnung zeugte und Ausdruck des Urteilsvermögens war oder ob es auch verletzend wirkte, da mehr als sechs Millionen Menschen vor den Fernsehbildschirmen zusahen? Liza machte in ihrem weißen Bikini, um die Hüften ein rotes Tuch geknotet, trotzdem eine gute Figur. Aber ihre Mundwinkel hingen hinunter fast bis auf den puderzuckerfeinen Sand.

+++ Seit bald zehn Jahren auf Sendung +++

Aus und vorbei der Traum vom Erfolg bei "Deutschland sucht den Superstar". Die 18-Jährige ist wieder daheim bei ihrer Familie in Salzhausen: bei Vater Sven, 45, bei Mutter Nic, 40, bei Bruder Ray, 17, bei den beiden Schwestern. Lucie-Lemeer heißt die mit 13 Jahren ältere, Lilli-Fee ist acht. Ole, die französische Bulldogge, läuft durchs Wohnzimmer der Doppelhaushälfte. Glamour hat dem Alltag Platz gemacht. Aber Liza-Maries tiefbraune Augen strahlen, wenn sie an die zurückliegenden Monate denkt. Kein böses Wort über den Pop-Titan. Wenn er sagt, dass etwas Käse ist, dann ist das eben so.

In diesem Wohnzimmer in Salzhausen beginnt an einem September-Dienstag im vergangenen Jahr alles. Fernsehabend bei Familie Viebrock. Alle sitzen auf der großen, braunen Sofalandschaft und blicken hinüber zum Flachbildfernseher auf dem Schrank. Plötzlich läuft die Werbung für die neue DSDS-Staffel; Liza-Marie guckt die Sendung seit der ersten Staffel, seit sie neun Jahre alt ist. "Und wie seit Jahren haben wir darüber gesprochen, ob ich nicht mal hingehen sollte."

Sie glaubt an sich, die Eltern glauben an sie. Für eine damals 17-Jährige hat Liza-Marie schon eine ganze Menge Bühnenerfahrung. Mit fünf Jahren sang sie auf der Hochzeit ihrer Eltern "My Heart Will Go On" von Celine Dion - der Titanic-Film war gerade in die Kinos gekommen. Später nahm sie die Titelmelodie der japanischen Zeichentrickserie "Sailor Moon" auf - auf Japanisch. Und sie sorgt damit offenbar immer wieder für Missverständnisse, bis heute. In Internet-Foren wird zurzeit heftig diskutiert, dass sie - zum Serienstart noch nicht mal geboren - es ja gar nicht sein könne, die während des Vorspanns zu hören ist. Das allerdings hat sie auch nie behauptet. Noch später gehörte sie dem Kinder-Quartett "Baadingoo Beat" an. Warum also sollte sie nicht auch ein Superstar werden?

An jenem September-Abend im Wohnzimmer der Doppelhaushälfte beschließt die Familie Viebrock, dass Liza-Marie es unbedingt versuchen solle. Eine Recherche im Internet ergibt: Schon am nächsten Tag ist im Heidepark Soltau ganz in der Nähe ein Vorsing-Termin. Mit ihrer Mutter fährt die 17-Jährige hin. Im Park steht ein Lastwagen, der "DSDS-Truck", davor warten schätzungsweise 100 junge Frauen und Männer, die ungefähr dasselbe Alter haben wie die Salzhausenerin und exakt dieselben Ziele wie sie verfolgen. Liza-Marie und Mama stellen sich hinten an. Warten auf Dieter, den Titan. Und dann...

+++ Liza-Maries Tipps für künftige Bewerber +++

"Er war gar nicht da", sagt Liza Marie, "damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet." Statt seiner sitzen da Juroren, die keiner kennt, und Liza-Marie muss trotzdem singen. Sie entscheidet sich für "Küss mich, halt mich, lieb mich", eine Schnulze nach der Titelmelodie des Films "Drei Nüsse für Aschenbrödel" und für "Je ne sais pas" von Joyce Jonathan. Das Lied kennen die Juroren nicht, Liza-Marie muss aufhören. Sie erzählt, dass sie die "Sailor Moon"-Titelmelodie gesungen habe und muss es prompt im DSDS-Truck noch mal machen, dann das "Ave Maria". Die Juroren sind begeistert. Von viel Ausdruck ist die Rede, von viel Gefühl in der Stimme. Und dann fallen entscheidende Worte: "Wir glauben, dass du Dieter Bohlen gefallen wirst. Das Gesamtpaket stimmt."

"Das Gesamtpaket" darf noch mal antreten, vier Wochen später, im Alten Hamburger Jachtclub auf Finkenwerder. Und da ist sie dann wirklich: die Respektsperson. Dieter Bohlen. Auch Bruce Darnell und Natalie Horler alias Cascada sind dabei. Sitzen da, starren Liza-Marie an, sagen nichts. "Ich bin fast in Ohnmacht gefallen" sagt Liza-Marie heute, "die wollten mich sicher testen." Also erzählt sie, dass sie eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau macht. "Dann kannst du sicher tanzen", sagt Bruce Darnell, packt die junge Frau und wirbelt sie umher. Ja, das sieht gut aus. Cascada sagt, dass ihr Liza-Maries Klamottenstil gefalle. Bruce wirft ein, dass die dicken Schneeboots an ihren Füßen aber total hässlich seien. Ach ja: Und singen muss Liza-Marie auch, noch mal "Küss mich, halt mich, lieb mich". Hat zwar hier und da ein bisschen "quieksig" geklungen, urteilt schließlich der Pop-Titan. "Aber dein Gesamtpaket stimmt."

35 000 junge Menschen sind sie zu Beginn gewesen, 36 dürfen jetzt auf die Malediven fliegen. Liza-Marie ist eine von ihnen. Zuvor unterschreibt sie noch einen Vertrag mit der Produktionsfirma, über dessen Inhalt sie nicht reden darf. Der Rest ist bekannt.

Heute Abend wird die Salzhausenerin wieder vor dem Fernseher sitzen und die inzwischen zweite Mottoshow ansehen. Sie wird sich fragen, ob die anderen wirklich besser sind als sie. Sie wird sich freuen, dass mit der Hamburgerin Silvia Amaru, 21, immerhin noch ein Nordlicht im Rennen ist. Sie wird in ihren Gedanken schon im Herbst sein. "Ich versuche es ein zweites Mal", sagt Liza-Marie, "das ist sicher."

Erst mal steht aber ihre Ausbildung wieder ganz oben auf der Agenda; die Salzhausenerin lernt im Therapiezentrum ihres Vaters. Wenn sie ausgeht, werde sie erkannt, sagt sie. Und sie genieße das. Sie hat Autogrammkarten bestellt. Außerdem liest sie ihre Fanpost, die auf elektronischem Weg immer noch eintrudelt. Ihr durchschnittlicher Fan, sagt sie, sei elf bis 15 Jahre alt. "Was die schreiben, ist niedlich, lieb und klingt sympathisch", sagt sie. Die älteren Jungen und die jungen Männer, die ihr schreiben, die machen ihr hingegen Komplimente. Oder sie wollen sie gleich kennenlernen. Dabei gibt es doch einen Mann in ihrem Leben. Christopher, 20, angehender Programmierer. "Mein Verlobter."

Liza-Marie Viebrock ahnt, dass irgendwann ein anderer Mann, Dieter Bohlen, noch einmal in ihr Leben treten wird. Und sie hofft, dass er dann von etwas anderem sprechen wird als von Käse. Bei allem Respekt.