Nur die schönsten Früchte haben das Zeug zur Topkirsche. Sie werden handverlesen und einzeln fotografiert. 80 Hektar Anbaufläche.

Apensen. Eisige Kälte dringt aus dem Raum hinter dem großen Tor, hinter dem Regina gleich nach ihrer Ankunft zügig verschwindet. Drinnen in der Halle umwabert ein feiner weißer Schleier Kästen voller dunkler, praller Früchte der beliebten Kirschsorte. Jetzt ist keine Zeit mehr zu verlieren. Mit vernebeltem Wasser wird die neu angelieferte Regina auf ein Grad Celsius heruntergekühlt. Eine Stunde dauert das. Dann ist Regina, erst wenige Stunden zuvor vom Baum gepflückt, bereit für ihre weitere Behandlung.

Dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird, ist von immenser Bedeutung für Reginas künftigen Wert. Denn was hier an den riesigen Hallen von Elbe-Obst in Apensen aus dem Alten Land, der Stader Geest und Kehdingen angeliefert wird, ist die Elite der roten runden Früchtchen. Auch Elbe-Obst setzt jetzt verstärkt auf das Premium-Segment.

+++ Hilft eine Handvoll Kirschen gegen Kopfweh? +++

Am Standort Apensen produziert die Erzeugergemeinschaft mit einer der modernsten Kirschensortieranlagen Qualitätskirschen für die höhere Preisklasse. Für rund 90 Cent pro hundert Gramm werden Regina und ihre ausgesucht schönsten, im Durchmesser ab 26 Millimeter großen Kolleginnen noch bis weit in den August hinein in den Geschäften über die Ladentheke gehen. Eine feine Ware, die feine Behandlung erfordert, bei der die Zeit am Anfang eine besondere Rolle spielt.

"Jede Stunde, die die Kühlkette später beginnt, bedeutet einen Tag weniger Haltbarkeit. Aber ab hier haben wir dann etwas mehr Ruhe", sagt Elbe-Obst-Geschäftsführer Stefan Moje und schließt schnell wieder das Tor zu Reginas "Empfangshalle". Die eiskalte Nebeldusche hat dafür gesorgt, dass Regina jetzt erst mal nicht altern wird und ihr Stengel grün bleibt, wenn sie in den Handel kommt, erklärt Moje.

Für die Premium-Kirschen werden nur sogenannte Dachkirschen verwendet - Früchte, die unter Folie gereift sind und geschützt vor allen Witterungseinflüssen in Ruhe ausreifen konnten. Erst in den letzten sieben Tagen vor der Ernte entwickelt die Kirsche Farbe und Aroma voll. Ohne Foliendach können die Obstbauern oft nicht bis zum optimalen Erntezeitpunkt warten, etwa wenn schlechtes Wetter droht.

Bei der Dachkirsche ist das anders. "Durch das Dach können wir auf die letzte Reife warten. Dadurch bekommen wir reife, schmackhafte, einheitlich durchgefärbte Kirschen in perfekter Qualität", sagt Moje.

In der Sortierhalle nebenan tragen die Mitarbeiter Handschuhe, Mütze und Schal. Acht bis zehn Grad herrschen hier, aber für Regina wird es noch mal kälter: Kiste für Kiste werden die Kirschen in ein Eisbad gekippt. Das macht sie fester, den Stängel härter. Von dort aus schwimmen sie in einen Wasserstrudel, der die Früchte säuberlich voneinander trennt.

Auf dem Förderband geht es weiter zur Handverlesung. Mit geübtem Blick greift Sortiererin Silvia Jungmann flink alle Früchte heraus, die nicht komplett makellos sind. Dann endlich rollt Regina aufs eigentliche Herz der Sortieranlage zu. Das High-Tech-Gerät zur fotooptischen Größenerkennung kommt als schlichter Aluminiumkasten daher. In seinem Innern erfährt Regina ein umfassendes Fotoshooting: Vier Kameras fotografieren jede Frucht mehrfach und errechnen ihre Größe auf den Zehntelmillimeter genau. Bei voller Auslastung ist das ein wahrer High-Speed-Bildersturm: "800 bis 1000 Kilogramm können wir pro Stunde mit der Anlage sortieren", sagt Moje.

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Das elektronische Hirn des Geräts speichert die exakte Größe jeder einzelnen Kirsche, kleine Plastikhändchen führen sie anschließend zum jeweiligen Ausgang ihrer Größenordnung. In bis zu zehn Größenklassen im Zwei-Millimeter-Abstand werden die Früchte sortiert. Ob 24 bis 26, 26 bis 28 oder 28 bis 30 Millimeter: Ein sanfter Luftstoß schubst sie vom Band in die Verpackung.

In der Steige wird ein Teil der Kirschen dann noch in sogenannte X-Tend-Beutel verpackt. Sie schaffen genau die Atmosphäre, die Regina zum Frischbleiben braucht. Die Spezialfolie senkt den Sauerstoffgehalt im Innern des Beutels, der Kohlendioxid-Anteil steigt. Ist der optimale Wert dann immer noch nicht erreicht, wird per Schlauch vor dem Verschließen noch ein Extraschuss Kohlendioxid in den Beutel gegeben. Derart verpackt, wird Regina nun vier Wochen haltbar sein.

Die meisten Dachkirschen in diesem Jahr sind Prachtexemplare. Gut die Hälfte der Ernte liege im 28- bis 30 Millimeter-Bereich, sagt Stefan Moje. 200 000 Euro hat sich Elbe-Obst die hochmoderne Kirschensortieranlage kosten lassen. Für Moje eine Investition, die sich rechnet. Die Nachfrage nach Premium-Kirschen wächst, und mit ihr die Anbaufläche im Alten Land. Schon jetzt werden Dachkirschen auf rund 80 Hektar der insgesamt 550 Hektar Kirschplantagen angebaut. Bald werden es 100 Hektar sein. Jetzt, Ende Juli, gibt es kaum noch Kirschen aus anderen Ländern. Aus Apensen werden die großen, dunklen Knubber unter der Marke Naturoyal noch eine ganze Weile in Geschäften in Deutschland und anderen EU-Ländern zu kaufen sein. Im Moment läuft die Anlage von 8 bis 24 Uhr. Stefan Moje freut sich darüber: "Die Nachfrage ist hoch."