Abendblatt-Serie: Im sicheren Hafen befasst sich heute mit dem Wassersportverein Tespe und dem Segel-Club Tespe, die sich einen Hafen teilen.

Motorbootfahrer und Segler verstehen sich nach ungeschriebenem Gesetz ungefähr so gut wie Hunde und Katzen. Begegnen sie einander auf hoher See, in der Mitte eines Flusses oder auch an Land, machen sie oft einen weiten Bogen um den jeweils anderen. Zu unterschiedlich sind die Überzeugungen, die da aufeinandertreffen - entweder "handgemachtes" Schippern, getragen von Muskel- und Windkraft, seit Jahrtausenden bewährt, oder modernes, schnelles, bequemes Fahren mit dem Motorboot. Heutzutage gehen aber Skipper solcher Boote mit regenerativem und solcher mit fossilem Antriebsmittel auch einen Schritt oder zwei aufeinander zu.

Am Sportboothafen Tespe sind es mit Sicherheit einige Schritte mehr - gezwungenermaßen, denn die Steganlagen des Segel-Club Tespe und des Wassersportverein Tespe liegen ungefähr 50 Meter voneinander entfernt. Seit Anfang der 70er-Jahre teilen sie sich eine Bucht.

+++Beginn der Serie: Das große ABC der Hilfsbereitschaft+++

Zuerst gab es große Zurückhaltung, wie Uwe Kloock, 2. Vorsitzender des Wassersportvereins, erzählt. "Man ging sich aus dem Weg. Damals galten Segelsport und Motorbootsport als zwei völlig verschiedene Welten." Heute habe sich das Verhältnis allerdings sehr gelockert. "Viele Segler beginnen im Alter, mit Motor zu fahren. Ihre Gesundheit lässt das anstrengende Segeln einfach nicht mehr zu. Dann merken sie, dass die Unterschiede so groß nicht sind", sagt der 68-Jährige.

Im vergangenen Jahr organisierten die beiden Klubs gar ein gemeinsames Absegeln - oder Abschippern, je nach Antrieb. Dabei fahren die Mitglieder eines Klubs zum letzten Mal in der Saison zusammen auf dem Wasser. Oftmals laufen sie dabei andere Häfen an und feiern ein großes Fest. Nach der Rückkehr zum Heimathafen nehmen dann die ersten Skipper ihre Boote aus dem Wasser und bereiten sie auf das Winterlager vor. Das frühjährliche Pendant dazu nennt sich Ansegeln oder Anschippern.

Ein solches Ereignis gemeinsam mit anderen Vereinen zu begehen zeugt meist von tiefer Freundschaft. Offenbar sind die zwei Tesper Klubs tatsächlich nicht nur einen Schritt aufeinander zugegangen.

"Es ist ja auch nicht völlig unpraktisch, sich als Segler gut mit Motorbootfahrern zu verstehen", sagt Frank Wollik. Er ist Mitglied im Segel-Club Tespe. "Bei Flaute zum Beispiel. Wenn dann ein Motorbootfahrer in der Nähe ist und einen in den Hafen zurück schleppt, kann man nur dankbar sein."

Am Steuer einer Motoryacht sieht sich der 60-Jährige in naher Zukunft jedoch nicht. "So schwer muss man als Segler auf der Elbe nicht arbeiten. Auf der See ist das anders. Aber hier auf dem Fluss schaffe ich das noch gut." Trotzdem sei die Elbe nicht immer einfach zu befahren. Es gibt Schleusen, Engpässe, Sandbänke und Berufsverkehr. Außerdem fließe das Wasser nach jeder Elbvertiefung erheblich schneller, sagt Wollik

Die hohe Fließgeschwindigkeit spüren Skipper nicht nur bei voller Fahrt auf dem Wasser, sondern auch beim Ein- und Auslaufen. Denn die Häfen an der Elbe versanden und verschlacken aufgrund der Elbvertiefung zusehends. Und für die Gewährleistung der Befahrbarkeit ist das Schifffahrtsamt lediglich auf der Elbe selbst zuständig, nicht in den kleinen Hafenbuchten.

Das wäre kein Problem, wenn die Tesper Vereine selbst ihre Hafeneinfahrt, der gegenüber das abgeschaltete Atomkraftwerk Krümmel als graues Mahnmal aus der Landschaft hervorsticht, ausbaggern könnten. Sie dürfen - doch das ausgehobene Gut soll weder in die Elbe, noch an Land geschüttet werden. "Etwa alle drei Jahre müssen wir neu ausbaggern. Ein wenig drehen wir uns immer im Kreis", sagt Uwe Kloock.

Der Bäcker Hanspeter Heyden, 52, und sein Lehrling Malte, 17, würden sich indes freuen, wenn sich endlich etwas im Kreis drehen würde - die Winde ihres Trailers, mit dem sie ihr Boot zu Wasser lassen möchten. Doch die Winde klemmt. Uwe Kloock eilt zur Hilfe.

Während auch der vergeblich versucht, die störrische Lösevorrichtung zu bearbeiten, erzählt Heyden: "Der Hafen liegt sehr schön. Außerdem ist es ruhig hier, weil nicht so viele Touristen kommen - wahrscheinlich nicht zuletzt wegen des Atomkraftwerks." Ihn störe der Betonbau am gegenüber liegenden Ufer allerdings nicht.

Auf einmal beginnt er zu schwärmen. "Der Bäckerberuf ist großartig, wenn man gern Boot fährt. Ich stehe um 3 Uhr morgens auf und gehe um 11 Uhr nach Hause. Dann habe ich den ganzen Tag für mich und mein Boot."

Malte nimmt er dann auch manchmal mit. Der Lehrling schätzt das gute Verhältnis zu seinem Meister. "Mein Vater hat selbst eine Bäckerei, aber ich lerne bei Hanspeter, um auch einmal etwas anderes kennen zu lernen. Es ist toll, mit dem Chef auch in der Freizeit etwas machen zu können."

Die Winde hat sich noch kein Stück bewegt, doch Uwe Kloock beeilt sich, zurück zum Steg zu kommen, da gerade ein Boot anlegt. Gleich nach dem Anlegen geht es für Sabine Wunderlich, 50, mit den Hunden Bella und Donna auf die nächste Wiese - Haustiere haben schließlich auch Bedürfnisse. Derweil erklärt Uwe Kloock Mark Wunderlich, 40, wie er sein Schiff an Wasser- und Stromversorgung anschließen kann.

Da ertönt ein lautes Platschen. Malte schaukelt mit dem kleinen Motorboot im Wasser und Hanspeter Heyden zieht den Trailer von der Slipbahn weg - die Winde hat sich doch noch gelöst.

Während für die Wunderlichs nun ein Tag Urlaub am Steg des Wassersportvereins Tespe beginnt, wird Frank Wollik mit seiner Frau Regina, 60, bald vom Steg des Segel-Clubs in Richtung Mecklenburger Seenplatte aufbrechen. Auch ihre Fahrräder nehmen sie zum ersten Mal auf einen Törn mit. Nur Platz müssen sie für die Räder noch auf ihrem Segler finden.

Helmut Hoffmann, 55, ist Kassenwart des Segel-Clubs Tespe. Für ihn macht den Reiz des Hafens aus, dass man als Segler auch im Brack seine Runden ziehen kann. Und mit den Motorbootfahrern versteht er sich blendend. "Obwohl unsere Vereine direkt nebeneinander liegen, ist das Verhältnis wirklich gut."

Morgen sind wir zu Besuch an den Stegen des Campingplatzes Stover Strand