Stades Erster Kreisrat Eckart Lantz setzt auf stärkere Kooperation von Institutionen, Ehrenamtlichen und Eltern in der Region.

Stade/Buxtehude. Der erste Bildungsbericht für den Landkreis Stade hat gezeigt, an welchen Stellen es in der Region Probleme gibt. Im Abendblatt-Interview spricht Stades Erster Kreisrat und Schuldezernent Eckart Lantz, 40 Jahre, über den Status Quo, erforderliche Maßnahmen und die Rolle des Landkreises.

Hamburger Abendblatt: Herr Lantz, wie bewerten Sie die aktuelle Bildungssituation im Landkreis Stade?

Eckart Lantz: Ganz kurz könnte man sagen, gut aber noch verbesserbar. Wir haben eine vielfältige Schullandschaft. Die Bildungsakteure, von der Krippe bis zur Weiterbildung, leisten gute Arbeit und sind auch innovativ. Aber es könnte noch mehr Miteinander statt Nebeneinander geben. Das Potenzial in der Region könnten wir so noch besser für die Bildung nutzen und damit auch an der Bildungsqualität arbeiten.

Das heißt?

Lantz: Die einzelnen Akteure sind in ihren Bereichen sehr gut. Beispiele sind die Aktivitäten der Stader Gymnasien im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (MINT). Aber man kann noch an der Kooperation beispielsweise zwischen Schulen und Unternehmen, zwischen Schule und Hochschule oder auch zwischen Schule und Jugendamt arbeiten.

Der Bildungsbericht des Landkreises Stade hat ja aber auch einige Defizite aufgezeigt.

Lantz: Der Bildungsbericht liefert eine wichtige Grundlage. Wir haben erstmals auf dieser ganz breiten Basis Zahlen, Daten und Fakten. Das liefert uns naturgemäß zwar nicht die Antworten, aber genau die Punkte, an denen wir arbeiten müssen und wollen.

Etwa fünf Prozent der Jugendlichen im Landkreis Stade haben keinen Schulabschluss.

Lantz: Das ist richtig. Hier sind es 5,1 Prozent, niedersachsenweit sechs Prozent. Wir sind besser als der Durchschnitt, aber noch nicht gut genug. Im Bereich der höheren Schulabschlüsse sind wir zudem unterhalb des niedersächsischen Landesdurchschnitts. Wir müssen jetzt darüber nachdenken, was wir tun können.

Was passiert jetzt?

Lantz: Zum Beispiel sind viele Schüler in der Berufsschule im sogenannten Übergangssystem. In der zweiten Phase von Lernen vor Ort wollen wir eine Bildungsverlaufsstudie machen. Das heißt, wir wollen konkret feststellen, woher die Jugendlichen kommen und wohin sie gehen, vor und nach dem Schulbesuch. Daraus erhoffen sich die Berufsbildenden Schulen, aber auch wir Erkenntnisse, wie man die Arbeit mit den Jugendlichen verbessern kann.

Gibt es weitere konkrete Ansätze?

Lantz: Es gibt einen Fachbeirat zum Übergang von der Schule in den Beruf, wo ganz konkret Themen beraten werden. Es geht zum Beispiel darum, wie Berufsorientierung läuft und wie Unternehmen eingebunden werden. Wir wollen auch die Bildung im Bereich MINT weiter ausbauen. Die Experimentier-AGs und mit unseren Hochschulen umgesetzten Projekte haben ja schon gute Ergebnisse gebracht.

Ein weiteres Ergebnis des Bildungsberichts ist, dass fast 19 Prozent der Kinder bei ihrer Einschulung einen Sprachförderbedarf haben. Wie ist dieser hohe Wert zu erklären?

Lantz: Erstmal ist es wichtig, das so festzustellen, weil wir jetzt daran arbeiten können. Wir müssen jetzt noch näher in die Daten gehen, um es wirklich zu verstehen. Deshalb werden wir im kommenden Jahr eine eigene Erhebung bei Lernen vor Ort durchführen. Wir wissen, dass bei diesen Sprachstandsfeststellungen mit unterschiedlichen Instrumenten und Verfahren gearbeitet wird. Das wollen wir hinterfragen.

Was kann hier konkret getan werden?

Lantz: Die Vergleichbarkeit dieser Verfahren muss verbessert werden. Das ist jetzt schon klar. In einigen Bereichen des Landkreises Stade gibt es bereits Projekte mit Lesepaten, die sich ehrenamtlich um Kinder kümmern. Hier könnte man koordinieren, so etwas an mehr Schulen etablieren und natürlich Eltern einbinden. Das scheint mir ein Schlüssel für die Arbeit in den kommenden Jahren zu sein.

Doch wo kann der Landkreis noch etwas tun, vielleicht auch Geld investieren?

Lantz: Die Rolle des Landkreises ist auch, die Akteure zusammenzubringen, gemeinsam mit ihnen zu arbeiten und zu helfen, dass sie miteinander arbeiten. Das ist eine wichtige Rolle. Dann bleiben natürlich die Aufgaben, die der Landkreis originär hat. Der Landkreis hat in den vergangenen Jahren mehr als 70 Millionen in seine Schulen investiert. Der Landkreis muss seine Aufgaben weiterhin gut wahrnehmen und dann das Thema Bildung koordinieren.

Wird der Landkreis auch über bauliche Maßnahmen hinaus Geld investieren?

Lantz: Es wird im nächsten Jahr auf jeden Fall eine zweite Bildungskonferenz geben. Dort werden wir den Faden wieder aufnehmen und darstellen, was bis dahin passiert ist. In der zweiten Phase von Lernen vor Ort werden wir im Bereich Sprache gemeinsam mit Schulen Dinge ausprobieren. Da können wir dann Engagement reinsetzen, das hängt weniger mit Geld zusammen. Aber die wichtigste Rolle scheint mir zu sein, dass wir alles, was in der Region schon vorhanden ist, so koordinieren, dass viel miteinander passiert.

Wie sieht ihr persönliches Fazit des ersten Bildungsberichts und der ersten Bildungskonferenz aus?

Lantz: Die Ergebnisse sind ermutigend, weil ich sehe, dass wir konzeptionell richtig unterwegs sind. Mit dem Bildungsbericht haben wir eine Grundlage für die weitere Diskussion. Außerdem haben uns die vielen an Bildung beteiligten Menschen im Landkreis gezeigt, dass sie an diesem Thema arbeiten wollen. Das ist aus meiner Sicht das Entscheidende.

Wer von den Beteiligten muss am meisten tun?

Lantz: Die Idee dieser Bildungsregion kann nur auf freiwilliger Kooperation und auf Augenhöhe passieren. Das ist die Grundlage. Sofern kann ich jetzt niemanden nennen, wo noch mehr passieren müsste. Klar ist, ohne Schule geht es nicht, aber Schule ist in der Bildungslandschaft auch nicht alles. Die außerschulische Jugendbildung ist sicherlich ein Bereich, den wir noch verstärkt in den Fokus nehmen werden.