Mit Andrea Sundemann und Karl-Heinz Augustin sind am Sonnabend gleich zwei Personen für ihre ehrenamtliche Arbeit ausgezeichnet worden.

Jork. Im Erdboden wollten die Veranstalter am liebsten versinken, als im vergangenen Jahr der von der Jury ausgewählte Preisträger des Jorker Bürgerpreises 2010 bei den Lessing-Gesprächen seinen Preis nicht annehmen wollte. Ein Bürgerpreis ohne Preisträger, diese Negativschlagzeile machte zu schaffen. Doch nach der Blamage des vorigen Jahres war diesmal wieder Freude in Jork angesagt.

Und das gleich doppelt, denn in diesem Jahr gibt es zwei Preisträger für den Bürgerpreis 2011, die sich zudem auch noch über den Preis freuten. Das entschädigt für das vorjährige Desaster. "Wir haben uns unter den Vorschlägen, die eingereicht wurden, am Ende für zwei Favoriten entschieden", sagte Bürgermeister Gerd Hubert am Sonnabend vor etwa 100 Gästen, die zu den 20. Lessinggesprächen mit Preisverleihung in das Museum Altes Land gekommen waren. Nur einen von beiden zu ehren, das wäre, so Hubert, ungerecht gewesen.

Die Preisträger des Jahres 2011 heißen Andrea Sundemann und Karl-Heinz Augustin. Sundemann wurde für ihr jahrelanges Engagement um die Gründung und Organisation des Kinderhortes "Tintenklecks" von der Gemeinde geehrt, Augustin wurde für sein langjähriges Engagement als Vorsitzender des Sozialverbands Deutschland in Borstel-Jork-Ladekop geehrt. "Ich habe nie damit gerechnet, eine Auszeichnung für meine Arbeit zu bekommen. Es ist schön, wenn meine Tätigkeit und die Arbeit des Verbands in der Öffentlichkeit wahrgenommen und geehrt werden", sagt Augustin.

Für Sundemann, die vor elf Jahren nach Jork gezogen ist, ist die Auszeichnung auch eine Bestätigung dafür, dass sie nicht nur in Jork angekommen sondern auch ein wichtiger Teil von Jork geworden ist. "Es zeigt, dass die Idee für den Tintenklecks begrüßt und die Arbeit, die ich für die Institution geleistet habe und die die Institution inzwischen leistet, hoch angesehen wird", sagt die 52-Jährige.

+++ Kaum jemand will den Bürgerpreis +++

Für beide Preisträger waren persönliche Erlebnisse die Ursache, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sundemann wunderte sich über eine weitgehend fehlende Kinderbetreuung in Jork, als sie dorthin zog. "Ich war von Frankfurt anderes gewohnt, also wollte ich etwas ändern", sagt sie. Für Augustin war ein familiäres Ereignis die Ursache. Sein Vater kam aus dem Krieg nicht zurück, die Mutter war Krank. "Da wusste ich, du musst jetzt für dich und andere etwas tun. Das ist dann so geblieben", sagt der 75-Jährige.

Etwas für andere tun und um das tugendhafte Wirtschaften, darum ging es auch bei den Lessing-Gesprächen, zu denen in diesem Jahr Professor Alexander Deichsel von der Universität Hamburg als Gastredner eingeladen war. Er machte in seinem Vortrag deutlich, dass in der derzeitigen Gesellschaft etwas deutlich aus dem Ruder gelaufen ist. "Wenn die Gründer der ersten Discounterkette die reichsten Menschen in Deutschland sind, dann stimmt etwas nicht. Lessing würde sagen, das darf es nicht geben.", sagte Deichsel in seinem Plädoyer gegen die Geiz-Ist-Geil-Mentalität vieler Händler und Verbraucher und für mehr Tugendhaftigkeit.

Preise für Produkte müssten so gestaltet sein, dass die Erzeuger von den Erlösen, die sie für ihre in oftmals aufwendigen oder langfristigen Verfahren hergestellten Waren erhalten, ihren Lebensunterhalt bestreiten und auch eine gleichbleibend hohe Qualität ihrer Waren garantieren können. Gerade Discounter würden ihre Marktmacht missbrauchen und mit dem Argument der großen Marktkonkurrenz die Preise massiv drücken. "Das ist eine Fehlentwicklung, die mit der Aufhebung der Marktpreisbindung seit den 70er Jahren fortschreitet", so Deichsel.

Die Folge des Preiskampfes sei, dass der Markt dauerhaft zerstört werde. Die Qualität der Waren sinke zwangsläufig, denn die Produktion müsse immer günstiger werden, um bei sinkenden Erlösen am Ende keine roten Zahlen zu schreiben. Doch die langfristigen Folgen seien hohe Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Verarmung. "Die Erzeuger müssen sich dem entgegen stemmen", so Deichsel. Er plädiert für ein neues Selbstbewusstsein der Erzeuger. Diese sollten den Händlern ihre Ware nicht unter Wert überlassen. "Nur so kann der Prozess durchbrochen werden", so der Marktexperte.

Die Globalisierung sieht er nicht nur als Übel, sondern auch als Chance. Deichsel: "In der Globalisierung muss das Spezifische gestärkt werden. Die Menschen suchen das besondere, was es nur an diesem Ort gibt. Das müssen sich die Produzenten vergegenwärtigen, denn das sind wichtige Alleinstellungsmerkmale auf dem Weltmarkt."