Beim Internetdienst Google Street View klicken die Stader ins Leere. Doch Konkurrent Microsoft rollt mit neuen Wagen an

Stade/Buxtehude. Wer sich einmal in New York, Barcelona oder Tokio umsehen möchte, braucht dafür längst nicht mehr das Flugzeug zu besteigen. Mit Hilfe der Funktion "Street View" des Internetkonzerns Google kann er in vielen Straßen solcher Städte bequem virtuelle Spaziergänge machen. Für Stade, Buxtehude, Harsefeld und Horneburg hingegen wird diese Funktion nicht angeboten - und das wird wohl auch künftig so sein. Denn Google hat im Landkreis Stade zwar Straßen und Häuser gefilmt, sieht von einer Veröffentlichung der Daten aber ab.

"Wir haben im vergangenen November die 20 größten deutschen Städte online gestellt. Darüber hinaus planen wir derzeit nicht, Orte in unseren Dienst aufzunehmen", sagt die Google-Pressesprecherin Lena Wagner. Zwischen Sommer 2008 und Frühjahr 2010 seien spezielle Autos mit Kameras auch in bisher nicht gezeigten Regionen unterwegs gewesen, darunter der Landkreis Stade. Diese Bilder würden jedoch nicht mehr für den Street-View-Dienst verwendet werden. "Wir benutzen die Bilder jetzt teilweise noch zur Verbesserung von Google Maps", sagt Lena Wagner. Sie würden aber nicht online gehen, sondern nur die digitalen Landkarten ergänzen. Sollte sich Google eines Tages doch noch entschließen, etwa Bilder aus Stade in "Street View" zu zeigen, dann würden neue Fotos gemacht werden. Das würde auch entsprechend angekündigt werden, so Lena Wagner.

Die Entscheidung ist der vorläufige Schlusspunkt einer Diskussion, die im vergangenen Frühjahr mit einiger Heftigkeit geführt wurde. Denn wie in vielen Städten und Dörfern bundesweit nahmen Bürger im Landkreis Stade Anstoß daran, dass ihre Häuser gefilmt werden sollten, und legten bei Google Widerspruch ein. Mittels dieses Einspruch können Hauseigentümer, aber auch Mieter, verfügen, dass die Fotos ihres Wohnortes im Netz unkenntlich gemacht werden.

Auch die Gemeinde Jork machte davon Gebrauch. Nach kontroverser Debatte im Rat reichte die Verwaltung bei Google den Wunsch ein, bestimmte öffentliche Gebäude wie Schulen zu pixeln. In der Hansestadt Stade kam man auf eine andere Idee: Die Veröffentlichung der Bilder sollte zwar nicht verhindert, wohl aber lukrativ genutzt werden. So entschied der städtische Ausschuss für Sicherheit und Ordnung im März, von Google eine Gebühr für das Abfilmen der Straßenzüge zu nehmen.

So sollten rund 20 000 Euro zusammenkommen. Einen entsprechenden Ratsbeschluss gab es aber nicht. "Das Vorhaben wird auf der Ebene des Städtetages geprüft. Wir haben davon nichts mehr gehört", sagt dazu der Erste Stadtrat Dirk Kraska, der kommissarisch die Verwaltung leitet.

Kann der Landkreis also weiterhin ein friedliches Dasein fristen, unbehelligt von virtuellen Spaziergängern aus Japan, den USA und aus Hamburg? Nicht ganz. Denn mittlerweile schickt sich ein zweiter Medienkonzern an, weltweit Städte und Landstriche zu fotografieren und die Bilder ins Netz zu stellen. Das Unternehmen Microsoft plant, unter dem Namen "Streetside" einen Konkurrenz-Dienst zu "Street View" aufzubauen, der ganz ähnlich wie das Vorbild aus dem Hause Google funktionieren soll.

"In London sind schon die ersten Kamera-Autos unterwegs. Am 9. Mai beginnen wir damit, in Deutschland Aufnahmen von Straßen und Plätzen zu machen", sagt Miriam Kapsegger, Pressesprecherin bei Microsoft Deutschland. Zunächst seien süddeutsche Städte wie Nürnberg, Fürth, Erlangen und Augsburg an der Reihe. Bundesweit sollen dann 50 weitere Städte und Regionen folgen. Ob allerdings Orte im Landkreis Stade dabei sein werden, kann Miriam Kapsegger nicht sagen. "Unser primäres Interesse gilt größeren Städten, Sehenswürdigkeiten und Plätzen", sagt sie. Zudem informiere Microsoft jeweils vier Wochen vor den Kamera-Fahrten auf einer speziellen Informations-Webseite.

Welche Stadt und welche Region auch immer ins Visier von Microsoft kommt - Ärger wird es wohl in jedem Fall geben. Datenschützer kritisieren besonders die Tatsache, dass ein Widerspruch gegen ein veröffentlichtes Bild erst dann eingereicht werden kann, wenn es schon im Internet erschienen ist - und nicht schon vorher, wie im Falle von Google Street View.

Die Pressestelle von Microsoft Deutschland verweist dazu auf eine Erklärung des Unternehmens, in der es heißt, dass das Unternehmen den Datenschutzkodex des Branchenverbandes "Bitkom" unterzeichnet habe, der allerdings "keine Möglichkeit des Vorab-Widerspruchs" vorsehe. "Im Rahmen der Selbstverpflichtung werden wir Gesichter, Autokennzeichen, Gewalttaten und Nacktheit von vornherein unkenntlich machen. (...) Nicht unkenntlich gemacht werden Häuserfronten und Straßenschluchten", heißt es weiter. Jenen, die sich von der Veröffentlichung der Bilder beeinträchtigt fühlen, werde aber die Möglichkeit angeboten, diese "auf Wunsch unkenntlich zu machen". Das solle "sehr kurzfristig" geschehen. Als "Ziel" wird in der Erklärung 48 Stunden angegeben.

Reicht diese Erklärung, um einem möglichen Bürgerprotest die Spitze zu nehmen? Zumindest beim Jorker Bürgerverein, der im vergangenen Jahr die treibende Kraft bei dem Vorhaben war, örtliche Gebäude bei Google Street View unkenntlich zu machen, ist man nicht erfreut. "Ich finde es ganz schön heftig, dass jetzt ein zweiter Internet-Konzern kommt", sagt der Fraktionsvorsitzende Klaus Hubert. Besonders stößt er sich an der Tatsache, dass der Widerspruch erst im Nachhinein eingereicht werden kann: "Das ist schon einen Grad krimineller als bei Google", sagt er. Hubert will mit seiner Fraktion besprechen, ob es noch eine politische Initiative, ähnlich im vergangenen Frühjahr, geben soll. Eine Alternative wäre, die Bürger "aufzuklären".

Ob nun Microsoft seine Kamera-Autos schickt oder nicht, und wie auch immer sich die Bürger dazu verhalten - ganz unabhängig davon existieren bereits jetzt viele Bilder aus dem Landkreis im Internet. Wer die Region bei "Google Maps" besucht, findet dort zwar nicht den Dienst "Street View", der dreidimensionale Ansichten ermöglicht. Wohl aber findet er digitale Bilder von Altländer Apfelplantagen und dem Stader Fischmarkt, von Elbinseln und der Wischhafener Autofähre. All dies haben private Internet-Nutzer hochgeladen, über den Dienst "Panoramio", der zum Google-Konzern gehört.

Pressesprecherin Lena Wagner sagt dazu: "Bilder, die bei Panoramio hochgeladen werden, laufen durch einen technischen Filter und werden manuell überprüft. Bilder, die keine Panoramen, sondern hauptsächlich Menschen zeigen, werden aussortiert". Wer trotzdem ein Bild vorfindet, das er lieber nicht im Netz sehen möchte, könne das bei Panoramio melden. "Dann wird das Bild gegebenenfalls herunter genommen", sagt Lena Wagner.

Datenschutz

Marno Bergmann, 31, aus Stade könnte mit einem weiteren Street View leben. "Ich finde das Prinzip, andere Städte sehen zu können, gut. Aber der Datenschutz und die Privatsphäre müssen gewährleistet werden."

Privatsphäre

Jan Petersen, 20, aus Stade mag das neue Angebot Streetside nicht. "Ich finde bereits Google Street View nicht gut, es geht zu sehr in die Privatsphäre. Und es wird derzeit generell zu viel digitalisiert."

Bedenken

Jasmin Lorenz, 38, aus Wischhafen ist wenig begeistert von der Digitalisierungswut: "Ich habe auch weiterhin Bedenken bei der Digitalisierung von Städten. Die Privatsphäre der Menschen wird langsam ausgehöhlt."

Hinfahren

Jörg Schmidt, 60, aus Stade hält nichts von virtuellen Städten. "Ich bin absolut nicht für die Digitalisierung von Städten. Wer eine Stadt sehen will, soll einfach da hinfahren und sich alles vor Ort anschauen."