Erdinger Brauerei und Kehdinger Gewerbeverein finden eine einvernehmliche Lösung. Gerichtstermin wird abgesagt

Nordkehdingen. Es schien so, als seien Hopfen und Malz verloren. Die Bierbrauerei Erdinger zog gegen den Nordkehdinger Gewerbeverein "Die Kehdinger" vor Gericht, weil sich die Namen angeblich zu sehr ähneln. Ja, san's denn olle narrisch g'worden? Der Vorsitzende des Gewerbevereins, Detlef Hammann, stand dem Ganzen fassungslos gegenüber und erklärte lapidar: "Die haben doch nicht alle Latten am Zaun." Die Realität sprach gegen ihn, für den 13. April war ein Gerichtstermin angesetzt.

Der kann jetzt aber abgesagt werden. Denn nachdem das Abendblatt den Streitfall in der vergangenen Woche publik gemacht hatte, haben die beiden Parteien ganz plötzlich eine einvernehmliche Lösung gefunden.

Gewerbeverein streicht die Markenregistrierung für Bier

"In vollem Umfang einverstanden" steht auf dem Fax, das Hammann am Freitag an den von Erdinger beauftragten Rechtsanwalt Andreas Rau von der Münchner Anwaltskanzlei Rau und Rau geschickt hat. Damit stimmt der 44 Jahre alte Chef des Elbe-Therapiezentrums in Freiburg dem Vorschlag des bayerischen Juristen zu, die Markenregistrierung für Bier und alkoholfreies Bier zu streichen. Die Kehdinger hatten die entsprechenden Warenverzeichnisse vor vier Jahren gewählt, als sie ihre Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen ließen. Rein vorsorglich, wohlgemerkt, denn damals wie heute gehört Bier nicht zum Angebot des Gewerbevereins, der lediglich Apfelsaft vertreibt. "Wir können und wollen auch gar nicht brauen", sagtDetlef Hammann.

Die Drohung, dass der gesamte Name "Die Kehdinger" gelöscht werden müsse, ist mit der jetzigen außergerichtlichen Einigung vom Tisch. Bereits vergangene Woche hatte Rau erklärt, dass es Erdinger reichen würde, wenn die Gewerbetreibenden die Registrierung für Bier und alkoholfreies Bier streichen. Jetzt sagt er: "Wir freuen uns, dass unsere Interessen befriedigt sind." Er frage sich nur, warum das nicht viel früher möglich war.

Ja, warum eigentlich nicht? Vielleicht liegt es daran, dass man sich zunächst einmal ganz grundsätzlich fragen kann, wie die bayerischen Bierbrauer auf die Idee kommen, dass zwischen den beiden Worten "Erdinger" und "Kehdinger" eine Ähnlichkeit besteht. Auch Detlef Hammann und die fast 80 Mitglieder des Gewerbevereins haben sich diese Frage gestellt. Eine Antwort darauf haben sie während der drei Jahre, die sich der Markenstreit schon zieht, nicht gefunden.

Besitzer der Erdinger Brauerei kündigt seinen Besuch in Kehdingen an

Dabei hatten die Norddeutschen eigentlich immer das Recht auf ihrer Seite. Ein erstes Gerichtsverfahren gegen die Kehdinger hatte Erdinger verloren. Dennoch gab die Brauerei nicht auf und legte weitere Rechtsmittel ein.

Für den Kehdinger Gewerbeverein war das nicht nur eine mentale, sondern auch eine finanzielle Belastung. Den Anwalt, den die Geschäftsleute zunächst mit der Angelegenheit betraut hatten, konnten sie sich nämlich irgendwann nicht mehr leisten. Zu dem Termin am Bundespatentgericht am 13. April wäre Hammann ganz allein mit dem Zug gefahren.

Warum die Brauerei so hartnäckig gegen die Kehdinger zu Felde gezogen ist, hat Rau mit der Gefahr der "Markenverwässerung" begründet. Man müsse seine eigene Marke sauber halten. Wenn Erdinger das nicht tue, könnten eines Tages Dritte mit einem ebenfalls ähnlich klingenden Namen kommen und dem Unternehmen vorhalten, dass es gegen die Namensähnlichkeit zu "Kehdinger" ja auch nichts unternommen habe. Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen, die Erdinger jahrelang darauf verwendet habe, um die Marke "Erdinger" aufzubauen und bekannt zu machen.

In Kehdingen ist nach der ganzen Aufregung erst einmal Aufatmen angesagt. "Das war alles einfach nur nervig", sagt Detlef Hammann. Werner Brombach, der Erdinger-Chef, habe ihm in einem persönlichen Gespräch gesagt, dass er sehr gerne einmal nach Kehdingen kommen wolle, um Land und Leute kennen zu lernen. Und vielleicht habe Hammann ja auch Lust auf eine Führung durch die Brauerei? "Da würd' ich glatt hinfahren", sagt er. Ganz cleverer Geschäftsmann, hat der Freiburger dem Bayern auch gleich vorgeschlagen, ein "Kehdinger Weißbräu powered by Erdinger" zu produzieren. Die Idee habe Brombach positiv aufgenommen.

Aus aller Welt schrieben Leute, sie wollen bald kein Erdinger mehr trinken

Dass der Bericht über den Bierstreit hohe Wellen schlug, habe vielleicht auch seinen Teil zu der jetzigen guten Stimmung beigetragen, vermutet Hammann. "Mir haben Leute aus aller Welt geschrieben, wie lächerlich das Ganze ist und dass sie bald kein Erdinger mehr trinken wollen." Einige Mails habe er, ohne mit der Wimper zu zucken, an das bayerische Anwaltsbüro weitergeleitet. Wenn die Bierbrauer Glück haben, nehmen ihnen selbst die Kehdinger den Markenstreit nicht übel und greifen statt zum Franziskaner oder Paulaner in Zukunft ohne Bedenken zum Erdinger. Einen Bewährungstest könnte es an diesem Wochenende geben, wenn der Gewerbeverein zum zweitätigen Kehdinger Markt im Herzen von Freiburg lädt.