Vier Missbrauchsfälle sind im vergangenen Jahr in Stade bekannt geworden, bei denen der Kontakt über das Internet entstanden ist.

Stade. Kinder und Jugendliche lieben sie: "Chats", kleine Plaudereien am Computer, die über das Internet übertragen werden. Weil sie aber nicht nur mit Freunden kommunizieren, sondern auch mit Fremden, kann aus Spaß sehr schnell bitterer Ernst werden. Im vergangenen Jahr sind allein in der Stadt Stade vier Fälle von Kindesmissbrauch bekannt geworden, bei denen der Kontakt über das Internet entstanden ist.

Ein großes Problem liege darin, dass die Jugendlichen denken, sie schreiben sich Nachrichten mit Gleichaltrigen, sagt Helga Hanssen von der Stader Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch. Doch das Internet ist anonym. Altersangaben sind kaum zu überprüfen, Betrüger haben oft leichtes Spiel. Helga Hanssen hat die traurigen Fälle noch sehr gut vor Augen. Das Schema war immer ähnlich.

Die Jugendlichen chatteten mit einem Unbekannten, der ihnen vortäuschte, in ihrem Alter zu sein. Sie verabredeten sich. Ein Erwachsener holte sie am vereinbarten Treffpunkt ab, sagte er sei der Vater der Internetbekanntschaft. Anschließend missbrauchte er sein wehrloses Opfer.

Diese sind dann häufig verängstigt, trauen sich nicht, von dem zu erzählen, was ihnen angetan wurde. Doch einige überwinden ihre Angst und öffnen sich. Vier Mal hörte sich Helga Hanssen im vergangenen Jahr die schreckliche Geschichte an. Die Jugendlichen kamen nie allein. Entweder mit ihren Eltern oder mit Freunden. Alles, was sie in der Beratungsstelle erzählen bleibt zunächst vertraulich. Helga Hanssen, seit 16 Jahren in der Beratungsstelle, überlegt gemeinsam mit den Jugendlichen, was zu tun ist.

Doch sie tut auch etwas, damit es überhaupt nicht erst zu diesen Gesprächen kommen muss. Etwa 1200 Schüler der sechsten und siebten Klassen vieler Stader Schulen haben in den vergangenen Tagen das Theaterstück "Click it 2! Gute Seiten - schlechte Seiten" gesehen. Birgit Meermann, Carsten Keller und Wolfgang Becker-Tywker von "Zartbitter", die Kölner Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, zeigen an einem konkreten Beispiel die Gefahren auf, die vom Internet ausgehen.

Nach der Aufführung sprechen die Darsteller mit den Kindern über das, was auf der Bühne gezeigt wurde. Sie beantworten Fragen und erklären die Gefahren des Internets. Sie sprechen Begriffe wie Cybermobbing und Kinderpornografie offen an und verdeutlichen die Gefahren. So geht es beispielsweise um das Hochladen von Fotos.

"Alle Fotos, die ihr nicht an einer Pinnwand in der Schule aufhängen würdet, haben auch im Internet nichts zu suchen", sagte Carsten Keller. Zudem würden alle Fotos in der Regel ins freie Netz gelangen, selbst wenn sie bei Internetplattformen wie "schülercc" oder "Facebook" eingestellt werden, wo nur Freunde die Fotos sehen dürfen.

Till Schröder aus Stade hat sich die Ratschläge der Theaterpädagogen sehr zu Herzen genommen. Der Elfjährige möchte sein Internetprofil noch mal überarbeiten. Er finde es schlimm, dass es so etwas gibt wie Cybermobbing oder Kinderpornografie. Ähnlich sieht es Elisa Krebs aus Stade. "Ich bin schon ein bisschen schockiert, obwohl man ja eigentlich weiß, dass es so etwas gibt", sagt die Zwölfjährige.

Wenn sie so etwas künftig mitbekommt, will sie den Betroffenen raten, es den Eltern zu erzählen. "Sie könnten auch zu einem Beratungslehrer gehen", sagt Björn Pankau aus Oldendorf. Der Zwölfjährige wusste bislang zwar, was für Gefahren vom Internet ausgehen, nach der Theateraufführung sei er jedoch trotzdem ein bisschen erschreckt gewesen. So erging es auch seiner Klassenkameradin Evelyn Bauer.

Auch ihr seien die Gefahren bewusst gewesen. Die zwölfjährige Schülerin vom Vincent-Lübeck-Gymnasium aus Stade überlege sich dennoch, ob sie ihre Profilseite im Internet ein wenig ändere.

Präventionsarbeit ist für die Polizei von besondere Bedeutung. Wenn es zu spät ist, würden viele Fälle bei der Polizei auch gar nicht angezeigt, sagt Klaus Albrecht, Jugendbeauftragter bei der Polizeiinspektion Stade. Die Opfer seien schließlich nicht verpflichtet, Anzeige zu erstatten. Mit Blick auf die große Belastung für die Opfer, zum Beispiel während eines Gerichtsverfahrens, bei dem der Vorfall mehrfach detailliert dargestellt werden muss, verzichten viele auf eine Anzeige.

Wie wichtig Prävention ist, bestätigt auch Andrea Buskotte von der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen. Heutzutage müsse man zur Kenntnis nehmen, dass sich Kinder ab dem Alter von etwa neun Jahren umfangreich im Internet bewegen und mit dessen Hilfe kommunizieren. Deshalb sei es wichtig, den Kindern Regeln mitzugeben und ihnen den richtigen Umgang mit dem Internet beizubringen. Eine der wichtigsten Regeln nennt die Jugendschützerin: "Triff dich nie allein mit jemandem, den du im Internet kennengelernt hast." Bei diesen Themen seien sowohl Eltern, als auch die Schulen erzieherisch gefordert, sagt Buskotte.