Der Rechtsanwalt Michael Günther vertritt tausende von Gegnern der Elbvertiefung. Er könnte das gesamte Projekt juristisch zu Fall bringen.

Stade/Buxtehude. Wer Gegner der Elbvertiefung im Landkreis Stade trifft, begegnet auch immer wieder einem Namen: Michael Günther. Der Hamburger Rechtsanwalt, der unter anderem Vorstandsmitglied bei Greenpeace International war und ein ausgewiesener Experte für Umwelt-, Bau- und Planungsrecht ist, berät seit Jahren Elbfischer, Obstbauern, Bürgerinitiativen, Hobby-Kapitäne und viele andere Menschen, die Nachteile von der Maßnahme befürchten. Insgesamt vertritt Günther mehrere tausend Menschen. Wenn die Planung in die letzte Phase tritt, was bereits in einigen Wochen der Fall sein kann, schlägt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Stunde für ein juristisches Kräftemessen. Ein Interview mit dem Mann, der die Elbvertiefung noch verhindern könnte.

Abendblatt: Herr Günther, viele Ihrer Mandanten bereiten sich darauf vor, gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung vor Gericht zu klagen. Wollen Sie die Vertiefung verhindern?

Michael Günther: Notfalls schon. Unsere Mandanten betreiben aber keine Fundamentalopposition, wie möglicherweise einige Umweltverbände und Vereine. Die Ertüchtigung des Hafens für die Schifffahrt wird nicht infrage gezogen, sofern unsere Mandanten dadurch keine Nachteile haben. Weil viele Befürchtungen nicht ausgeräumt sind, ist die Klagebereitschaft aber sehr groß.

Abendblatt: Wann entscheidet sich, ob es zu Gerichtsverfahren kommt?

Günther: Zunächst müssen wir auf zwei Planfeststellungsbeschlüsse warten. Die Unterlagen werden zurzeit noch in Brüssel geprüft. Wenn der erste Beschluss vorliegt, werden wir prüfen, inwieweit die Einwendungen meiner Mandanten zur Deichsicherheit, zur möglichen Steigerung des Salzgehaltes in den Elb-Nebenarmen, zu den Fangplätzen der Fischer und zu vielen anderen Fragen durch Schutzauflagen oder Ausgleichszahlungen bewältigt worden sind. Dann hätten wir einen Monat Zeit, Klagen beim Bundesverwaltungsgericht einzureichen.

Abendblatt: Würden diese Klagen die Elbvertiefung stoppen?

Günther: Die Klagen allein nicht. Wir müssten gleichzeitig einen Eilantrag für einen vorläufigen Baustopp stellen und ebenfalls innerhalb Monatsfrist nach der Veröffentlichung des Planfeststellungsbeschlusses begründen. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme erhebliche Auswirkungen für unsere Mandanten haben können. Das ist voraussichtlich nicht nur bei den Elbfischern der Fall. Wenn unsere Begründung plausibel ist, dann wird das Gericht die Maßnahme stoppen. Bei der letzten Elbvertiefung im Jahr 1999 haben wir aus ähnlichen Gründen einen vorläufigen Stopp durchgesetzt. Der Vollzug ruhte einige Zeit, in der wegen Nachbesserungen verhandelt wurde.

Abendblatt: Wenn es wieder so kommt - wie lange würde ein Baustopp diesmal dauern?

Günther: Wohl deutlich länger, weil die Maßnahmen jetzt sehr viel umfangreicher sind und auch wesentlich mehr Betroffene ihre Rechte wahrnehmen wollen. Ich denke, dass die Elbvertiefung sechs bis zwölf Monate ausgesetzt wird. Diese Zeit bräuchte das Gericht allein dafür, um einen Eilantrag auf Baustopp zu prüfen und die Parteien anzuhören. Kisten von Anträgen müssen geprüft werden. Wenn es dann zu den Hauptverhandlungen käme, könnten mehrere Jahre ins Land gegangen sein.

Abendblatt: Was müsste passieren, damit ihre Mandanten von Klagen absehen?

Günther: Alle Einwendungen müssten ausgeräumt sein. Für die Bauern im Alten Land müssten zum Beispiel ein Frühwarnsystem zum Salzgehalt und ausreichende Wasserdepots bereitgestellt werden. Wir fordern außerdem, dass die Auswirkungen des Klimawandels stärker bei der Planung berücksichtigt werden. Denn der wird die Wanderung der Brackwasserzone elbaufwärts, also die Steigerung des Salzgehaltes im Bereich des Alten Landes, weiter verstärken.

Abendblatt: Einzelnen Gruppen ist die Stadt Hamburg ja schon entgegen gekommen. Für die Sportboothäfen soll zum Beispiel der Elbefonds aufgelegt werden. Mit dem Geld soll ein Teil der Ausbaggerungen finanziert werden, die wegen der Verschlickung notwendig sein werden.

Günther: Das Problem ist, dass dieser Fonds eine freiwillige Leistung der Stadt Hamburg ist und vermutlich nicht ausreicht. Die Übernahme der Mehrkosten durch Elbvertiefungen müsste verbindlich sein. Dann würde auch nicht allein Hamburg über die Höhe dieses Fonds entscheiden.

Abendblatt: Schwieriger dürfte eine Einigung mit den Elbfischern sein, die ja um den Verlust ihrer Fischgründe fürchten. Könnten die mit einem Fonds oder Entschädigungszahlungen von einer Klage abgebracht werden?

Günther: Bei der letzten Elbvertiefung haben wir in der Tat Entschädigungen ausgehandelt. Die Fischer bekamen sieben Millionen Mark und Garantien zugesprochen. Ein ertragreicher Fischfang auf der Elbe und im Elbmündungsgebiet soll weiter möglich bleiben. Um die Probleme der Fischer zu lindern, sind Verbesserungen dringend notwendig. Für Verluste müssen Ersatzfangplätze geschaffen werden. Dies ist auch möglich, zum Beispiel durch Freigabe von Fangverboten und durch Verbesserung der Wanderwege der Fische.

Abendblatt: Sie sind bereits seit 2007 mit der Planung dieser Elbvertiefung vertraut, haben drei Planänderungen mit erlebt. Hat sich aus Ihrer Sicht auch etwas verbessert?

Günther: Im Bereich der Deichsicherheit hat sich nach der zweiten Auslegung einiges getan. Die Aufschüttungen am Altenbrucher Bogen bei Cuxhaven waren eine richtige Maßnahme. Die von uns vertretenen Deichverbände haben bereits alles erreicht.

Abendblatt: Was ist der größte Schwachpunkt in den gegenwärtigen Planunterlagen?

Günther: Neben der Vermutung, dass viele Folgen der Maßnahme noch immer nicht ausreichend bewältigt werden, ist die Prognose zur Steigerung des Containerumschlags ein großer Schwachpunkt. Denn dies war die Planrechtfertigung. Anfang 2008 wurde behauptet, dass im Hamburger Hafen im Jahr 2015 rund 16 Millionen Standard-Container umgeschlagen werden müssen. Nach einer Elbvertiefung sollten es im selben Jahr sogar 18 Millionen sein. Mit dieser Prognose wurde begründet, dass die Elbvertiefung im Interesse des Allgemeinwohls liege.

Mittlerweile hatten wir allerdings eine Wirtschaftskrise und der Containerumschlag liegt gerade einmal bei acht Millionen. Das heißt, die Prognose von 2008 ist nicht ernsthaft aufrechtzuerhalten. Und damit wackelt auch die ganze Begründung der Elbvertiefung. Wenn die aber nicht im Interesse des Allgemeinwohls liegt, sondern nur in dem einzelner Reeder, stellt sich auch die Frage nach ihrer Zulässigkeit ganz anders.

Abendblatt: Wie kommt es eigentlich, dass sie der Wunschanwalt so vieler Elbvertiefungsgegner sind?

Günther: Ein Grund ist, dass es zu wenige Anwälte gibt, die sich mit solchen öffentlichen Vorhaben befassen. Die Materie ist kompliziert, die Bearbeitung aufwendig und die Verfahren mit ihren engen Fristen und den wenig übersichtlichen Unterlagen sehr bürgerunfreundlich.