Wirtschaftskrise gefährdete den Bau der ersten Recyclinganlage für CFK-Abfälle. Wischhafener Karl Meyer AG investierte mehr als fünf Millionen Euro

Wischhafen/Stade. Norbert Meyer lächelt zufrieden, als die Förderbänder starten. Obwohl die offizielle Inbetriebnahme der ersten Recyclinganlage für Abfälle aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) in Wischhafen eher symbolischer Natur war, wirkt der Inhaber und Vorstand der Karl Meyer AG erleichtert. Schließlich drohte das Millionenprojekt zwischenzeitlich zu scheitern.

Der Kehdinger Unternehmer Meyer spricht rückblickend mehrfach von einem Kraftakt, bis die europaweit erste industrielle Anlage zur Verwertung von CFK in Wischhafen stand. Zum einen lobte Norbert Meyer den unermüdlichen Einsatz von Oliver Grundmann, Geschäftsführer der CFK Valley Stade Recycling GmbH & Co. KG, und Vertriebsleiter Tim Rademacker vor allem in den vergangenen Monaten.

Darüber hinaus sei die neue Anlage aber auch ein Kraftakt für das Unternehmen selbst gewesen. "Das Projekt wäre beinahe noch gescheitert", sagt Meyer. Grund dafür sei die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise gewesen, die zum Zusammenbruch der Recyclingwirtschaft geführt habe. Genau zu diesem Zeitpunkt mussten die Unternehmer in Wischhafen entscheiden, ob die Anlage in Auftrag gegeben wird oder nicht. Das Projekt war allerdings schon weit fortgeschritten.

Bereits im Jahr 2007 erarbeiteten die Experten aus dem Leichtbaunetzwerk CFK Valley Stade gemeinsam mit den Recyclingspezialisten der Karl Meyer Unternehmensgruppe ein Konzept zur nachhaltigen Verwertung von CFK-Abfällen. Nur ein Jahr später wurde eine Pilotanlage auf dem Gelände der Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH in Stade gestartet.

Techniker der Dow unterstützten das Wischhafener Unternehmen mit ihrem Fachwissen im Anlagenbau. Als die Versuche mit der Pilotanlage erfolgreich waren, hatte die Wirtschafts- und Finanzkrise die Recyclingwirtschaft bereits erreicht. Norbert Meyer nennt drei entscheidende Gründe dafür, warum die Anlage letztlich doch gebaut wurde. Erstens habe das Land Niedersachsen dem Unternehmen ein Großteil des Risikos abgenommen, weil es rund 1,7 Millionen Euro aus Landes- und EU-Mitteln zur Verfügung stellte. Zweitens hatte Meyer Gruppe bereits einen Millionenbetrag investiert und drittens waren die Kehdinger Unternehmer nach wie vor von der Richtigkeit des Projektes überzeugt.

Jetzt steht die Anlage in einer unscheinbaren Halle auf dem Meyer-Firmengelände in Wischhafen. Die Hansestadt Stade ist als Standort zunächst auch in Erwägung gezogen worden. Schließlich bestünde dort die örtliche Nähe zum Airbus-Werk, dem Forschungszentrum CFK Nord und dem Kompetenznetzwerk CFK Valley. Ein ausschlaggebender Grund für den Bau in Wischhafen war die vorhandene Halle, die lediglich umgebaut werden musste. Die Größe der Recyclinganlage wurde auf die Halle zugeschnitten.

"Wir haben solange geplant und gebaut, bis es gepasst hat", sagt Oliver Grundmann, Geschäftsführer der CFK Valley Stade, Recycling GmbH. Zunächst können in Wischhafen jährlich 1000 Tonnen CFK verwertet werden. In einem thermischen Prozess wird dabei Harz von dem Verbundstoff CFK gelöst, sodass eine reine Kohlenstofffaser bleibt. Ist die Temperatur dabei zu niedrig, löste sich der Harz nicht raus, ist es zu heiß, schmort der Kohlenstoff.

CFK-Experten wie Professor Axel Herrmann, Vorstandsvorsitzender des Kompetenznetzwerks CFK Valley Stade, bescheinigen dem Endprodukt der Recyclinganlage eine hohe Qualität. Die zurückgewonnenen Kohlenstoff-Kurzfasern werden typischerweise im Bereich der Leichtbauindustrie Verstärkungskomponente in Kunststoffteilen eingesetzt. Doch aufgrund der guten Qualität könnte mit den Fasern beispielsweise auch eine höhere Leitfähigkeit bei Gehäusebauteilen elektrischer Geräte erzielt werden, sagt Geschäftsführer Grundmann.

Doch warum entfernt sich die Karl Meyer AG eigentlich überhaupt so weit von ihrer eigentlichen Kernkompetenz? Schließlich ist das Unternehmen vor allem als Entsorger und Umweltdienstleiter bekannt. "Wir gucken stets rechts und links des Weges, ob da nicht ein kleines Blümchen wächst, das wir pflücke können", sagt Vorstand Norbert Meyer. Gleichzeitig verweist er allerdings auch darauf, dass der Markt für Entsorger enger und der Kampf härter werde. Das liege vor allem an der enormen Entwicklung der deutschen Entsorgungstechnik, die mittlerweile weltweit spitze sei. Innerhalb Deutschlands seien heute deshalb die Standards im wesentlichen gleich.

Jetzt sind die Kehdinger Unternehmer froh darüber, den steinigen Weg trotz aller Schwierigkeiten beschritten zu haben, und sie blicken optimistisch in die Zukunft. Das können sie auch. Schließlich gilt CFK als Leichtbauwerkstoff der Zukunft. Schon jetzt wächst die Anwendung dieses Werkstoffes in allen Bereichen der Leichtbauindustrie zwischen zehn und 20 Prozent im Jahr. Die ersten Automobilhersteller denken bereits laut über den serienmäßigen Einsatz von CFK nach.

So berichtete Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister beispielsweise vom Ein-Liter-Auto von Volkswagen, das kürzlich präsentiert wurde. Dank des Einsatzes von CFK sei das Fahrzeug etwa um ein Drittel leichter als ein Golf. Gerade deshalb wünsche sich der Ministerpräsident auch, dass das Forschungszentrum Nord in Stade noch mehr die Bedeutung von Volkswagen erkennt.