In einem weltweit einmaligen Projekt fertigt Arno Christian Schmetjen aus dem Carbonfaserverbundstoff echte Kunst

Deinste. Dass es Arno Christian Schmetjen noch einmal in seine alte Heimat verschlagen würde, damit hätte der renommierte Künstler nicht gerechnet. Doch das Angebot, das ihm der Geschäftsführer des Unternehmens CFK Valley Stade Recycling unterbreitete, war zu verlockend. Oliver Grundmann engagierte den gebürtigen Helmster kurzerhand für ein weltweit einmaliges Kunstprojekt namens "Carbonia". Die Ergebnisse sollen noch im Frühjahr der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Im Mittelpunkt steht dabei der moderne Carbonfaserverbundstoff (CFK), der Stade bereits einen Namen als europäisches Forschungs- und Ausbildungszentrum eingebracht hat. Er gehört zu den teuersten Werkstoffen der Welt, ist dabei leichter als Aluminium, aber härter als Stahl. CFK wird beispielsweise für den Bau von hochwertigen Yachten und Flugzeugen wie den Airbus oder die Boeing sowie für die Fertigung von Automobilen wie Bugatti-Veyron und Ferrari verwendet. Besonders macht ihn vor allem seine außergewöhnliche Beschaffenheit: So kann ein einziger Faden aus Carbonfaserverbundstoff ein Gewicht von etwa zwei Tonnen halten.

Dass er auch künstlerisch durchaus wertvoll ist, soll nun ein ehrgeiziges Kunstprojekt beweisen. "Die Idee dazu lieferte ursprünglich meine Frau. Doch es hat lange gedauert, bis wir einen geeigneten Künstler fanden, mit dem wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen konnten. Denn wir wollten unbedingt einen, der etwas Einzigartiges entstehen lassen kann", sagt Grundmann. "Mit Arno Schmetjen haben wir einen Glücksgriff gemacht."

Der mit zahlreichen Kunstpreisen und Stipendien ausgezeichnete Helmster ließ sich schnell für die Idee begeistern. Und das, obwohl er seiner Heimat eigentlich den Rücken kehren wollte. "Ich hatte erst kurz zuvor mein Atelier im Havelland aufgelöst und wollte nach einem kurzen Besuch in Deinste eigentlich zurück in den Elsass, wo ich seit einiger Zeit arbeitete", erinnert sich Schmetjen. "Aber die Verlockung war dann doch zu groß."

Nach einem intensiven Gespräch mit dem Stader Geschäftsmann im vergangenen Jahr willigte er schließlich nach kurzer Bedenkzeit ein und kehrte nach Deutschland zurück. "Ich wollte mich unbedingt der Herausforderung stellen, mit dem wertvollen Material zu experimentieren und daraus Kunst werden zu lassen. Es ist für mich ein schöner Anknüpfungspunkt an meine bisherigen Arbeiten aus verschiedenen Kohlenstoffmaterialien", erklärt er.

Außerdem habe er bereits als Kind auf dem Gutshof gespielt. "Das weckt natürlich besondere Erinnerungen. Und das Ambiente ist wirklich hervorragend." Einzige Bedingung: Schmetjen forderte genügend Platz und Ruhe, um seiner Arbeit intensiv und vorerst hinter verschlossenen Türen nachzugehen. Beides konnte ihm die Familie Schulte-Steffens bieten, die vor einiger Zeit die Leitung des alten Deinster Gutshofes übernahm. Kurzerhand räumten sie einen ehemaligen Dachboden eines 110 Jahre alten Gebäudes neben dem Herrenhaus frei und richteten ein Atelier ein. Seit April arbeitet Schmetjen nun auf 400 Quadratmetern an neuen Bildern und Skulpturen. "Ich habe mich sofort kopfüber in die Arbeit gestürzt", sagt der Künstler. "Für mich war es sehr spannend zu erleben, auf wie vielfältige Art und Weise sich das Material in meine Kunst einfügt." In den vergangenen neun Monaten entstanden so bereits mehr als 130 Werke. Die größte Arbeit nimmt ganze zwei Quadratmeter Platz in Anspruch. Das kleinste Werk hat die Größe einer Postkarte. Kaum eines trägt übrigens einen Titel. "So bleiben sie vielfältig interpretierbar", sagt der Künstler, für den das Projekt auch persönlich einen ganz besonderen Stellenwert eingenommen hat. Er habe damit immerhin künstlerisches Neuland betreten. "Die Bilder sind allesamt sehr farbenfroh geworden. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung."

In der Kunstszene im Landkreis Stade machte Schmetjen zuletzt im Jahr 2006 von sich reden. Damals arrangierte er einen viel beachteten Skulpturenpfad, indem er sechs Monate lang die Stader Innenstadt mit modernen großformatigen Kunstskulpturen verschönerte.

Grundmann ist von den bisherigen Ergebnissen des neuen CFK-Projektes überzeugt: "Es sind schon jetzt fantastische Werke entstanden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur Kunstliebhaber begeistern werden."

Einen sehr prominenten Platz hat ein Schmetjen aus CFK übrigens bereits gefunden: Ein erstes Werk aus der Reihe hängt mittlerweile in der Staatskanzlei im Büro des niedersächsischen Ministerpräsidenten. David McAllister nahm es im Zuge der Eröffnung des CFK-Forschungszentrums vom Vorsitzenden des CFK Valley Stade, Professor Axel Hermann, entgegen. "Das erfüllt uns natürlich mit besonderem Stolz", sagt Grundmann. Das Erstlingswerk bleibt übrigens im Landkreis Stade: Eigentümer ist die Sparkasse.

Damit Schmetjens Arbeiten künftig auch überregional Früchte tragen, sollen sie in verschiedenen Städten des Landes gezeigt werden. Eine erste Ausstellung wird noch im Frühjahr an exponierter Stelle in Hannover eröffnet. Selbst in New York ist eine Ausstellung in Vorbereitung. Grundmann sagt: "Mitte des Jahres sind die Ergebnisse dann auch in Stade zu sehen. Im Februar findet vorab eine kleinere Vernissage mit zum Teil älteren Werken des Künstlers in der Hansestadt statt. Es ist also vieles im Fluss."