Stades Bürgermeister Rieckhof will die Zuständigkeiten neu regeln. Buxtehudes Bürgermeister Badur kritisiert Höhe der Kreisumlage.

Stade/Buxtehude. Ein Knirschen im Getriebe ist zu hören, und das schon seit einiger Zeit. Nicht nur das ständige Gerangel um die Zuständigkeiten zwischen Buxtehude und dem Landkreis Stade, etwa beim Zubringer zur Autobahn 26 oder den Hähnchenmastställen in Hedendorf, zeigt, dass es bei der Aufgabenverteilung zwischen Stadt und Landkreis nicht immer glatt läuft. Auch die Diskussion um die Zusammenlegung von zwei Samtgemeinden zu einer oder die Umwandlung von Samtgemeinden in Einheitsgemeinden wie in Oldendorf, Himmelpforten und Apensen ist ein Zeichen dafür, dass das gesamte kommunale System in Niedersachsen derzeit in Frage steht.

Nicht umsonst wird im sogenannten Hesse-Gutachten, das Professor Joachim Jens Hesse im Auftrag des Niedersächsischen Innenministeriums erstellt hat und das im Mai veröffentlicht wurde, die Frage untersucht, ob der Landkreis Stade nicht mit dem Landkreis Cuxhaven oder Harburg fusionieren könnte, um ein schlagkräftigeres kommunales Konstrukt zu bilden.

Hesses Fazit: Während eine Zusammenlegung von Stade und Cuxhaven wenig Vorteile bietet, weil sich Cuxhaven stärker nach Bremerhaven orientiert als nach Hamburg, räumt er einer Fusion von Stade und Harburg bessere Chancen ein. Mit der Bildung des sogenannten Kragenkreises, der sich direkt an das Hamburger Stadtgebiet anschließt, würde sich unter anderem der regionale Arbeitsmarkt vereinen, und die beiden Landkreise könnten auch von den jeweils guten Standortfaktoren des anderen profitieren.

All diese Überlegungen zeigen, dass sowohl außerhalb des Landkreises Stade, auf überregionaler Ebene, als auch innerhalb des Landkreises, bei den Kommunen, die Zeichen auf Wandel stehen. Fusionen, Zusammenlegungen, Umstrukturierungen und Zusammenarbeit sind die Gebote der Stunde. Etwas ist in Bewegung geraten.

Bei den betroffenen Akteuren stößt das nicht immer auf große Begeisterung. "Diese Diskussionen gibt es immer wieder", sagt Landrat Michael Roesberg. Anlass dafür sei aktuell, dass es im ganzen Land Niedersachsen sehr viele kleine kommunale Ebenen gibt, deren Finanzlage nicht immer rosig ist. Was den Landkreis Stade angeht, mache er sich aber keine Sorgen. "Wir erledigen unsere Aufgaben solide und sind leistungsstark."

Überlegungen zu Fusionen mit anderen Landkreisen stuft Roesberg deshalb als "absurd" ein, die Ideen Professor Hesses seien die Vorschläge eines Theoretikers, zumal ein Landkreis Stade/Harburg rund 450 000 Einwohner hätte - nach Roesbergs Ansicht viel zu viele, um effektiv arbeiten zu können.

Stades Bürgermeister Andreas Rieckhof hingegen ist der Diskussion gegenüber aufgeschlossener. Bevor man über territoriale Gliederungen reden könne, müsse man jedoch die örtlichen Zuständigkeiten betrachten. "Das wichtigste ist eine Funktionalreform", sagt er. Damit meint er sinngemäß: Wer erledigt welche kommunalen Aufgaben und bekommt dafür welches Geld? Bei allen Veränderungen dürfe man aber nicht die regionalen Besonderheiten und historischen Verflechtungen der Orte vergessen, sagt Rieckhof.

Damit rückt der Mensch in den Mittelpunkt, der Bewohner der Kommune. Aber dessen Wahrnehmung sieht Buxtehudes Bürgermeister Jürgen Badur durchaus kritisch: "Ob Stadt, Gemeinde oder Landkreis, welcher Bürger kennt schon den genauen Unterschied?" Hinzu komme eine weitere Frage: Wann hat ein Bürger überhaupt mit seiner Verwaltung zu tun? Vieles sei in unserer Zeit auf elektronischem Wege möglich, der Standort spiele gar keine so große Rolle mehr.

Dabei war die Idee der kommunalen Selbstverwaltung ursprünglich auch darin begründet, das Interesse der Bürger am Staat zu wecken. All das besagt die vom Freiherrn vom Stein geprägte preußische Städteordnung von 1808. Der Gesamtstaat hat der Gemeinde bestimmte Aufgaben übertragen, etwa das Ausstellen eines Personalausweises, und dafür bekommt die Gemeinde Geld. Landrat und Bürgermeister sind die ausführenden Organe.

Dennoch hat die Kommune auch eigene Aufgaben zu erledigen, die sie bis zu einem gewissen Grad selbst ausführen kann. Was zu groß ist, zu teuer oder zu viel Fachkompetenz verlangt, gibt sie an den Landkreis ab, etwa das Gesundheits- und Veterinärswesen, den öffentlichen Personennahverkehr oder das Rettungswesen. Anders als den Landkreisen ist den Gemeinden zur Finanzierung ihrer Aufgaben ein eigenes Steuerrecht zugesprochen worden. Damit auch der Landkreis seine Zuständigkeiten finanzieren kann, gibt es die Kreisumlage.

Genau hier sieht Jürgen Badur einen Knackpunkt in der bisherigen Regelung. Buxtehude zahlt jährlich im Schnitt 16 bis 17 Millionen Euro Kreisumlage und zieht in etwa die gleiche Summe als Einkommensteuer von seinen Bürgern ein. "Für dieses Geld könnten wir rund 340 Leute einstellen, die bei uns dann die Aufgaben des Landkreises erfüllen." Der Landkreis wäre somit theoretisch überflüssig.

Eine gute Lösung, um noch mehr kommunale Strukturen zu reformieren? Badur weiß sehr wohl, dass solche Gedankenspielereien nur für leistungsstarke Städte in Frage kommen, nicht aber für kleinere Kommunen. Das bestätigt auch Rainer Schlichtmann, Harsefelder Bürgermeister und zugleich Vizepräsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. "Es wird nicht so weit kommen, dass wir keine Landkreise mehr brauchen", sagt er. "Aber niemand kann Aufgaben besser und mit mehr Nähe zum Bürger erledigen als Gemeinden." Dennoch geht das in seinen Augen nur, wenn die Kommune leistungsstark ist, und damit schließt sich wieder der Kreis zu den geplanten Fusionen von kleinen Samtgemeinden zu einer größeren Einheit.

Schlichtmann sagt, er sei sich sicher, dass sich gerade in dieser Hinsicht im Landkreis Stade in den kommenden fünf, sechs Jahren sehr viel tun werde. "Wir befürchten, dass derjenige, der sich jetzt nicht bewegt, später unter Zwang stehen wird", sagt Schlichtmann. Damit meint er vor allem Apensen, wo die Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde am Beckdorfer Veto scheiterte.