Landrat Michael Roesberg hat erst um 6.45 Uhr entschieden, dass der Unterricht ausfällt. Viele Kinder waren da aber längst auf dem Weg.

Stade/Buxtehude. Das erste Mal seit zehn Jahren fällt im gesamten Landkreis Stade die Schule aus - und kaum einer kriegt es mit. Um 6.45 Uhr gestern entschied Landrat Michael Roesberg erstmals in seiner Amtszeit, dass alle Schüler zu Hause bleiben dürfen, um 7.10 Uhr war die Meldung erstmals im Radio zu hören. Zu spät für viele Schüler, was zu Unmut bei den Eltern führte. Die Telefone im Kreishaus standen nicht mehr still.

"Wir haben extra um 6 Uhr und 6.30 Uhr Nachrichten gehört, ob es wie in anderen Regionen Orten auch im Landkreis Stade zu Schulausfällen kommt. Und weil bei so extremen Wetterlagen der Schulbus nicht zuverlässig kommt, habe ich meine Tochter selbst ins Schulzentrum Jork gefahren", sagt Heinrich Stölken aus Königreich. "Ich war gerade wieder zu Hause, da rief meine Tochter an, dass die Schule ausfällt und ich sie wieder abholen kann. Dazu hätte ich mir rechtzeitig eine Information im Radio gewünscht."

Auch Jorks Elternratsvorsitzende Elke Hirschgänger informierte sich selbst in den Schulzentren Lühe und Jork, ob die Schule ausfällt. "Nachdem unsere Kinder vergeblich auf den Bus gewartet haben, rief ich die Schulen an. Dann haben wir Eltern eine Telefonkette gestartet." Es seien zwar Lehrer in den Schulen gewesen, um die Kinder dort zu betreuen. Dennoch sei es für die Eltern wichtig, künftig deutlich früher informiert zu werden.

"Das Ganze ist sehr unglücklich gelaufen, besonders für die Schüler aus dem Umland", bemängelt Uwe Weski, Vorsitzender des Kreiselternrates Stade. "Den ganzen Morgen liefen bei mir die Drähte heiß, die Eltern waren auf 180, weil die Informationen zum Schulausfall viel zu spät im Radio kamen. Da waren die meisten längst auf dem Weg." Weski sagt: "In solchen Fällen müssen die Informationen spätestens um 6 Uhr über den Äther gehen." Zudem habe es viele Beschwerden von besorgten Eltern gegeben, dass zwar die Fahrbahnen eisfrei gewesen seien, aber die Fußwege nicht. So seien viele Kinder auf den Straßen gelaufen, was besonders gefährlich sei, so Weski.

Landrat Roesberg sagt, er könne die Sorgen der Eltern verstehen. Deswegen habe er selbst gestern Vormittag viele Telefonate mit Eltern geführt und ihnen die Situation erklärt. Im Winter muss eigentlich jeden Tag eine Entscheidung getroffen werden. Zwischen 3 Uhr und 4 Uhr sind die Straßenmeistereien unterwegs, kontrollieren die Straßen und streuen. Dann gehen die ersten Meldungen im Bereitschaftsdienst der Kreisverwaltung ein. Dieser steht ebenfalls im ständigen Kontakt mit der Polizei und weiß, was auf den Straßen los ist.

"So läuft es jeden Tag ab", sagt Roesberg. Er selbst sei rund um die Uhr für den Bereitschaftsdienst erreichbar. Wenn in weiten Teilen des Landkreises die Straßen zu glatt sind und eine sichere Schülerbeförderung nicht mehr gewährleistet werden kann, muss der Landrat eine Entscheidung treffen. Gestern klingelte Roesbergs Handy um 6.45 Uhr. Sofort entschied er, aufgrund des Blitzeises die Schule kreisweit ausfallen zu lassen.

"Leider wurden wir nicht mehr in den Nachrichten um 7 Uhr genannt", sagt Roesberg. Warum er nicht früher entschieden habe, fragten ihn viele Eltern am Telefon. "Das erste Blitzeis im Landkreis gab es erst gegen 6 Uhr", sagt Roesberg. In Fredenbeck sei es losgegangen. Dann aber habe sich das Eis in kurzer Zeit immer stärker ausgeweitet. Gegen 6.45 Uhr sei dann der nördliche Teil des Kreises vom Eis bedeckt gewesen. Obwohl es beispielsweise in Buxtehude kein Blitzeis gegeben habe, entschied Roesberg, die Schulen im gesamten Landkreis ausfallen zu lassen.

Zwar habe er auch die Möglichkeit, nur an einzelnen Orten Unterricht ausfallen zu lassen, davon mache er aber keinen Gebrauch. "Das halte ich für nicht sinnvoll, weil es mehr verwirrt", sagt der Landrat. Es bedürfe klarer Entscheidungen.

Roesberg sagt auch, dass der kreisweite Schulausfall eine Ausnahmesituation bleiben müsse. Ob an einzelnen Standorten wegen des Wetters der Unterricht ausfällt, muss nach Aussage des Landrats die Schulleitung vor Ort entscheiden. Außerdem liege es immer im Ermessen der Eltern, ihre Kinder bei Glatteis nicht in die Schule zu schicken.

Die späte Meldung in den Nachrichten sorgte gestern an der Grundschule Rotkäppchenweg in Buxtehude dafür, dass es dort fast wie an einem ganz normalen Schultag zuging. Etwa zwei Drittel der Kinder sei da gewesen, sagt Schulleiterin Heike Welle. Hinzu komme, dass viele Eltern ja auch zur Arbeit müssten, weshalb sie auf die Schule angewiesen seien. Aus diesem Grunde organisiert die Einrichtung eine verlässliche Betreuung, mit dem einzigen Unterschied, dass aufgrund der Wetterlage nicht alle Lehrer von außerhalb kommen konnten. In einer Klasse habe es sogar ganz normalen Unterricht gegeben, weil fast alle Kinder anwesend waren.

So wie Christian (8), Ismail (7) und Daniel (8). "Spielen ist viel schöner als Unterricht", sagen die drei wie aus einem Munde. Die Jungs aus der Klasse 2a haben den Vormittag mit dem Aufbauen eines kleinen Domino-Parcours verbracht und wurden von ihrer Klassenlehrerin Ragne Leverentz um halb zwölf zum Mittagessen, in den Hort oder nach Hause entlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Busverkehr im Kreis auch schon wieder beruhigt. Am Morgen ging hingegen nicht mehr viel. "Bis 10 Uhr waren unsere Busse komplett stillgelegt", sagt Dietmar Marks, Geschäftsführer der Harsefelder Reese Reisen GmbH. Von den zwölf Bussen des Unternehmens seien lediglich zwei in Teilen des Landkreises eingesetzt worden. Von 10 Uhr an hatte sich der Verkehr wieder normalisiert. Die KVG mit Sitz in Stade war ebenfalls in allen Bereichen betroffen. Komplet stillgelegt wurde der Busverkehr nicht. "Die Busfahrer entscheiden selbst und bleiben stehen, wenn es zu unsicher wird", sagt Prokurist Michael Fastert.

Wie rutschig es tatsächlich auf den Straßen war, erlebten gestern aber nicht nur die Kraftfahrer, sondern auch die Fußgänger. Allein am Vormittag seien 40 Glatteis-Opfer in der Notaufnahme gewesen, sagt Gottfried Bruhn, Leitender Arzt der zentralen Aufnahme im Buxtehuder Elbe-Klinikum. "Das sind mehr als doppelt so viele wie an anderen Tagen." Vielen seien auf die Hüfte gefallen, hätte Probleme am Sprunggelenk oder am Handgelenk, wenn sie sich bei einem Sturz zum Beispiel stützen wollten. Sein Tipp: Spikes anziehen, glatte Ledersohlen vermeiden oder einfach zu Hause bleiben, vor allem, wenn man schon etwas älter ist. "Der gesunde Menschenverstand müsste da eigentlich ausreichen."

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