In der Beckdorfer Einrichtung wurde die Chemikalie PCP gefunden. Weitere Gebäude im Kreis könnten betroffen sein

Beckdorf. Für die Kinder der ersten Klasse der Grundschule Beckdorf war es nicht gerade das, was man sich unter einem gelungenen Start der Schulzeit vorstellt. Denn seitdem sie vor wenigen Tagen eingeschult wurden, fahren sie, gemeinsam mit den Kindern der zweiten Klasse, mit einem Bus zum Schulzentrum im Nachbarort Apensen. Sie erhalten Unterricht in Räumen, die ersatzweise zur Verfügung gestellt worden sind. Die Pausen verbringen sie auf einem Schulhof mit Jugendlichen, denn das Schulzentrum beherbergt eigentlich eine Haupt- und Realschule. Weil der Busverkehr sehr kurzfristig organisiert wurde, kommt es zu Verspätungen, die Busse sind nach Aussage der Eltern völlig überfüllt.

Die Kinder klagten im Unterricht über anhaltende Kopfschmerzen

Wie lange diese Situation noch anhalten wird, ist ungewiss. Denn die Grundschule Beckdorf, die eine Außenstelle der Grundschule Apensen ist und nur eine erste und eine zweite Klasse hat, ist wenige Tage vor dem Ende der Sommerferien kurzfristig geschlossen worden. Der Grund: Gutachter der Technischen Universität Harburg haben in zwei Räumen im Holz der Decke den Schadstoff Pentachlorphenol, kurz PCP, gefunden. Die seit 1989 verbotene Substanz, die als krebserzeugend eingestuft ist, wurde im Rahmen einer Untersuchung der Räume entdeckt.

"Unsere Kinder hatten immer wieder über Kopfschmerzen und Müdigkeit geklagt. Dann haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Räume näher untersucht werden", sagt Jörn-Lars Sperling, Vater einer Zweitklässlerin. Im Januar dieses Jahres hat Peter Sommer, Direktor der Samtgemeinde Apensen, die Trägerin der Schule ist, eine Ortsbegehung mit einem Mitarbeiter des Kreisgesundheitsamtes veranlasst. Weil zunächst vermutet wurde, dass Schimmel die Symptome ausgelöst haben könnte, wurden Maßnahmen gegen Feuchtigkeitsschäden eingeleitet. Das Gebäude galt aber weiterhin als unbedenklich.

Zu einer weiteren Ortsbegehung in der Schule, die in einem alten Backsteinhaus und einem Gebäude aus den 70er-Jahren residiert, kam es im Juni. Diesmal war der Leiter des Gesundheitsamtes, Gerhard Pallasch, dabei. Dieser riet zu einer ausführlicheren Untersuchung. Sommer beauftragte die Experten von der TU Harburg. Nachdem auch diese zunächst Entwarnung signalisierten, teilten sie Sommer wenige Tage vor dem Ende der Sommerferien mit, dass sie nun doch PCP gefunden hatten. Sommer reagierte mit der sofortigen Schließung der Schule.

"Wir warten zurzeit noch auf das ausführliche Gutachten, das in einigen Tagen eintreffen soll. Erst dann können wir entscheiden, wie es mit der Schule weitergeht", so der Verwaltungschef. Eine Sanierung für etwa 5000 Euro, aber auch ein völliger Abriss könnten die Konsequenz sein.

Wie groß aber ist das gesundheitliche Risiko für Kinder und Lehrer, die den Giftstoffen jahrelang ausgesetzt waren? "Ich denke, es wird nicht so dramatisch sein", sagt Gerhard Pallasch. Zwar müssten noch die endgültigen Resultate abgewartet werden, aber in den ersten Messungen habe der PCP-Gehalt in der Luft "noch unterhalb der Gefährdungsgrenze" gelegen.

Laut Pallasch habe der PCP-Gehalt in dieser ersten Messung bei 250 Nanogramm pro Kubikmeter Luft gelegen. Der Messbereich, in dem eine gesundheitliche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden könne, liege zwischen 100 und 1000 Nanogramm. Von 1000 Nanogramm an würden Wissenschaftler empfehlen, die Räume zu sanieren. Demzufolge liege die bisherige Messung am unteren Ende der "Grauzone" zwischen Bedenklichkeit und Unbedenklichkeit. Pallasch betont aber auch, dass der Wert zu einer Zeit gemessen wurde, als das Gebäude fünf Wochen lang nicht gelüftet wurde. Deshalb könne die reale Belastung möglicherweise niedriger liegen. Dennoch empfiehlt Pallasch, das Gebäude zu sanieren, wenn dies machbar sei.

21 Jahre nach dem Verbot wird immer noch das Gift PCP gefunden

Bleibt die Frage, wie es sein kann, dass im Jahr 2010, 21 Jahre nach dem Verbot des Stoffes, noch PCP gefunden wird. "Nachdem das Gesetz erlassen wurde, gab es Anweisungen an die Schulleitungen, dass die Gebäude auf solche Stoffe hin untersucht werden sollten", sagt Pallasch. In den 90er Jahren seien viele Gebäude geprüft worden, allerdings habe man daher das Augenmerk auf Bauwerke gelegt, in denen sehr viel Holz verbaut wurde. Deshalb sei es denkbar, dass in einigen Gebäuden "etwas übersehen" wurde.

Peter Sommer kann keine Angaben darüber machen, ob in den 90er-Jahren eine Untersuchung der Schulgebäude stattgefunden hat. Allerdings weist er darauf hin, dass der Unfallversicherungsverbund der Gemeinden die Schulgebäude regelmäßig prüfe. Wie Gerhard Pallasch sagt, mache das Kreisgesundheitsamt zudem alle vier bis fünf Jahre Schulbesichtigungen. Letztlich ist Peter Sommer "froh, dass wir das PCP überhaupt gefunden haben". Jörn-Lars Sperling hingegen ist unzufrieden mit dem Krisenmanagement des Verwaltungschefs. "Der Schulträger hätte früher reagieren müssen. In den Räumen hat es schon jahrelang muffig gerochen." Dazu Peter Sommer: "Wir hätten natürlich früher reagiert, wenn wir von dem Problem gewusst hätten."

Dass eine Schule geschlossen werden muss, weil ein Giftstoff gefunden wurde, ist im Landkreis Stade seit Jahren nicht vorgekommen. Allerdings stehen in vielen Städten und Gemeinden Gebäude, die in einer ähnlichen Zeit wie die Schule in Beckdorf gebaut worden sind. Liegt also auch anderswo eine Gefährdung vor?

"Wir haben keinen Hinweis darauf, dass es hier so ein Problem gibt", sagt Stades Bürgermeister Andreas Rieckhoff. Auch er kann jedoch nicht sagen, ob in den 90er-Jahren entsprechende Untersuchungen gemacht wurden. "Ich hoffe, dass man sich damals mit dem Thema auseinander gesetzt hat", sagt der Verwaltungschef, der seit 2007 im Amt ist.

Einen dringenden Anlass, jetzt alle Schulen in der Trägerschaft der Stadt zu prüfen, sieht Rieckhof wegen des Beckdorfer Falles nicht. Er verweist darauf, dass die Kinder in Beckdorf Symptome zeigten. "Wenn so etwas hier auftritt, würden wir natürlich auch etwas tun." Weiterhin werde eine Schule überprüft, wenn dort ein Umbau geplant sei.

Anders sieht die Situation in Buxtehude aus. Laut Michael Nyveld, dem Bauordnungsleiter der Stadt, seien in den letzten beiden Jahren alle Schulen und Kindergärten von einem Gutachter auf Schadstoffe hin untersucht worden. Aus dieser Untersuchung sei hervor gegangen, dass keines der Gebäude belastet sei. Eine Ausnahme stellte das Buxtehuder Jugendgästehaus dar, das kürzlich für eine Weile geschlossen wurde. Im Rahmen der Untersuchung wurden dort Schadstoffe im Außenbereich festgestellt, die ebenfalls von Holzschutzmitteln stammten. Die weitere Untersuchung ergab dann aber, dass die Innenräume unbedenklich waren. Das Gebäude konnte daraufhin wieder frei gegeben werden.