TUHH-Forscher fordert ein Umdenken von Bauern und Kommunen. Zu viel Erde werde in die Este gespült, die Hochwassergefahr sei groß.

Buxtehude. Rein theoretisch gibt es einfache Wege, wie Buxtehude das Hochwasserproblem an der Este lösen könnte. Eine massive Entsiegelung von Flächen wie Parkplätzen und Fußwegen sowie eine Umstellung des Pflügens auf Äckern - parallel zum Hang statt mit dem Hang - würde die Hochwassergefahr an der Este deutlich mindern. Zu diesem Ergebnis kommt Edgar Nehlsen, Wasserbauingenieur an der Technischen Hochschule Hamburg-Harburg (TUHH), der im Rahmen des Forschungsprojekts Klimzug-Nord die Este untersucht.

Bereits in den ersten Studien zu dem Este-Forschungsprojekt war deutlich geworden, dass die Niederschläge aufgrund des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten im Einzugsgebiet der Este zunehmen werden.

Vor allem im Herbst und Winter wird es demnach erheblich mehr sogenannter Starkregenereignisse geben. Dies hätte nicht nur zur Folge, dass aufgrund der enormen Wassermassen, die von der Este zu bestimmten Zeiten aufgefangen werden müssten, der Pegel des Flusses dramatisch ansteigen könnte. Es würden darüber hinaus immer mehr Sedimente in der Nähe des Flusses weggespült.

"Das Wasser löst Erde und läuft zum Beispiel von Äckern in kleine Gräben, die in Bächen münden. Diese vielen kleinen Bäche voller Schwemmpartikel sammeln sich dann in der Este", sagt Nehlsen. Die Folge: Der Fluss versandet bei Starkregen schlagartig, die Auffangfläche für das Wasser wird geringer und das Wasser wandert entweder stärker in die Höhe oder - geografisch bedingt - stärker in die Breite. Die ohnehin bestehende Hochwassergefahr - bei Starkregen müssen bis zu 60 Prozent mehr Wassermassen als sonst bewältigt werden - werde nochmals zunehmen, sofern nicht regelmäßig der Sand und die Erde aus dem Fluss herausgebaggert würden.

Nehlsen hat untersucht, welche Möglichkeiten es gibt, dieses Problem zu lösen. Und die sind überraschend einfach. Rund 32,3 Prozent der Fläche im Estegebiet werden landwirtschaftlich genutzt. Viele der Ackerflächen grenzen an Entwässerungsgräben und kleine Bäche. Laut Nehlsen pflügen immer noch viele Landwirte in dem Gebiet ihre Äcker in Längsrichtung des Hangs. Das sei einerseits aus landwirtschaftlicher Sicht nicht notwendig und andererseits aus Schutzgründen der Este schädlich.

"Wenn die Landwirte parallel zum Hang pflügten, würde dies verhindern, dass der Regen Teile der Erde hangabwärts in den Fluss spülen kann. Die Erde würde in den Furchen liegen bleiben. Der positive Nebeneffekt wäre, dass die Landwirte so auch weniger fruchtbare Erde in das Esteflussbett verlieren würden", sagt Nehlsen. Und: Diese Art des Hochwasserschutzes wäre kostenfrei.

Weitere Möglichkeiten wären, Mulden in die Flächen zu bringen, in denen sich Wasser sammeln kann, und etwa der Einsatz von Mulch auf Äckern. Dieser würde einen großen Teil des Wassers binden und ein Wegschwemmen der Böden verhindern.

Eine nachhaltigere Landwirtschaft, die unter anderem eine Umwandlung von Ackerflächen in Grünland oder Wald vorsieht, sei gerade in dem wald- und wiesenarmen Gebiet zwischen Hollenstedt und Buxtehude ohnehin zu favorisieren, meint Nehlsen. So würde die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden maximiert und die Wassermengen, die die Este hinunter in Richtung Buxtehude schießen würden, vermindert.

Eine andere Maßnahme, die laut Nehlsen dringend angegangen werden sollte, ist die Entsiegelung von Flächen. "Wenn Flächen im großen Stil entsiegelt würden, gelänge weniger Wasser über die Kanalisationssysteme in die Este und versickerte stattdessen im Boden", sagt er. Fast fünf Prozent aller Flächen im Einzugsgebiet werden von Straßen, Bürgersteigen, Parkplätzen und Stellflächen versiegelt und trennen so den Boden hermetisch von der Oberfläche.

Niederschläge können daher nicht im Boden versickern, sondern werden über Kanalsysteme in die Este geleitet. "In den Kanälen sammeln sich auch immer Schwemmstoffe an. Diese würden bei Starkregen auch in den Fluss gelangen", sagt der Wasserbau-Ingenieur.

Die Kommunen sollten deshalb die Entsiegelung von Flächen verfolgen. Dies würde zu "einer signifikanten Minderung des klimabedingten Anstiegs der Extremabflüsse" führen. Sprich: Die Folgen eines Starkregens wären sehr viel geringer.

"Wenn Supermärkte oder Unternehmen Rasenpflastersteine für ihre Park- und Stellflächen nutzen würden, wäre viel gewonnen", urteilt Nehlsen.

Ein solches Vorgehen würde aber bedeuten, dass die Kommunen stärker gemeinsam arbeiten müssten. "Es muss allen klar sein, dass es nicht bringt, alles überall zu machen. Eine Sandentnahme müsste etwa im Rahmen der Renaturierung der Este immer vor dem Kiesflussbett erfolgen, sonst würde die Renaturierung nicht funktionieren. Und da müssen die Kommunen über die Kreisgrenzen hinweg Maßnahmen koordinieren", sagt Nehlsen. "Was nötig ist, ist ein Plan, der von allen Kommunen getragen wird. Denn die Sedimentproblematik und das Hochwasserschutzproblem lassen sich nicht voneinander trennen."