Auf den Wochenmärkten der Region ist Topinambur noch ein Nischengemüse. Aber die Knollen, natürliche Appetitzügler, werden wieder beliebter.

Stade. Sie ist knotig und sieht Ingwer zum Verwechseln ähnlich. Dabei ist die Topinambur-Knolle nicht mit der aromatischen Wurzel verwandt, sondern mit der Sonnenblume. Nach dem Siegeszug der Kartoffel geriet der schwerer zu verarbeitende Topinambur in Vergessenheit. Jetzt wird er als natürlicher Appetitzügler wieder neu entdeckt.

Hermann König vom Gärtnerhof "Die Quertreiber" in Frelsdorf verkauft das Nischengemüse auf dem Stader Wochenmarkt. "Topinambur ist das ideale Wintergemüse, denn die Knollen können ordentlich Frost ab", sagt er. Anders als andere Gemüse müsse man die Knollen nicht ernten und einlagern. Sie könnten im Boden bleiben.

Bei Hobbygärtnern ist das Gewächs noch immer als Unkraut verschrien. Diesen Ruf hat Topinambur nicht von ungefähr: Einige Gärtner verzweifeln an der mehrjährigen Pflanze. Denn aus so gut wie jeder Knolle entsteht eine neue Pflanze. Die bildet, wie eine Kartoffel, viele neue Knollen. Die Pflanzen vom Gärtnerhof gedeihen ähnlich. "Anders als Betriebe, die nur Topinambur anbauen, haben wir die Knollen einfach an die Ränder von Äckern und Gärten gepflanzt. Dort sichern sie selbst ihr Fortbestehen", sagt Katharine Hildebrandt. Auch sie bewirtschaftet den Gärtnerhof.

Bevor die ergiebigere Kartoffel die nussigen Knollen in der Mitte des 18. Jahrhunderts verdrängte, waren sie zwei Jahrhunderte lang ein wichtiges Nahrungs- und Futtermittel in ganz Europa gewesen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Pflanze keine großen Anforderungen an Lage oder Boden hat. Außer auf Moorböden gedeiht sie überall. Ende April schießen die Knollen aus. Die zarte Pflanze benötigt zu diesem Zeitpunkt noch etwas Hilfe beim Wachsen: Unkräuter müssen entfernt werden. Später wird der Topinambur selbst mit den "Plagegeistern" fertig: Die mannshohe Pflanze verdrängt und überwuchert sogar selbst die meisten anderen Gewächse.

+++ Überbackener Topinambur +++

Auf dem Bioland-Gärtnerhof bilden die Exemplare keine Blüten aus. "Unsere Pflanzen sind so gezüchtet, damit sie mehr Energie in die Knollen stecken", sagt Hermann König. Die könnte man theoretisch das ganze Jahr über ernten. Tatsächlich wird Topinambur auf dem Gärtnerhof jedoch von November bis Mitte April geerntet. "Dann stirbt die Pflanze wie eine Sonnenblume ab, und die Nährstoffe und Kraftreserven wandern in die Knolle", sagt Katharine Hildebrandt. "Würde man die Knolle im Sommer ernten, wären die Nährstoffe noch in der Pflanze, und die Knolle wäre kleiner."

Unter den Nährstoffen im Topinambur ist besonders der hohe Kaliumgehalt hervorzuheben. Knapp 500 Milligramm kommen auf 100 Gramm Topinambur. Kalium sorgt im menschlichen Körper für einen regelmäßigen Herzschlag, reguliert den Blutdruck und ist wichtig für die Übertragung von Nervenimpulsen. Außerdem steuert es den Wasser-Elektrolyt-Haushalt.

Besonders beliebt ist Topinambur als natürlicher Appetitzügler. Nur 30 Kalorien und schwer verdauliche Kohlenhydrate machen es möglich. Bei Letzteren ist insbesondere Inulin hervorzuheben. Der langkettige Zuckerstoff kann nicht im Magen verdaut werden. Er wirkt als Ballaststoff und quillt im Magen-Darm-Trakt auf. Schon nach kurzer Zeit fühlt man sich satt. Dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel niedrig, und der gefürchtete Heißhunger bleibt aus. Wegen der positiven Wirkung auf den Blutzuckerspiegel ist die Knolle auch bei Diabetikern beliebt.

Erst im Dickdarm wird das Inulin fermentiert. Dort fördert es eine gesunde Darmflora - als Nahrung für die gesunden Darmbakterien. Wenn Inulin regelmäßig mit der Nahrung aufgenommen wird, sollen die Blutfettwerte sinken. Allerdings sinkt auch der Inulingehalt der Knollen während der Saison.

Geerntet werden die Knollen auf dem Gärtnerhof von Hand. "Topinambur ist ein Nischengemüse. Wie viel wir davon verkaufen, variiert", sagt Katherine Hildebrandt. Vor jedem Markttag werden die Knollen ausgegraben und von der gröbsten Erde gesäubert. Ein Kilogramm Topinambur kostet auf dem Wochenmarkt um die fünf Euro.

Woran man frische Knollen erkennt, weiß Verkäufer Hermann König. "Wie Kartoffeln ist Topinambur fest. Wenn er weich und gummiartig ist, sollte man die Finger davon lassen." Lagern könne man die "Topis" wie viele andere Gemüse im Kühlschrank. Dort halten sie jedoch nur einige Tage durch, dann verlieren sie Wasser und schrumpfen. Dieser Prozess verlangsamt sich, wenn die Knollen erst vor dem Verarbeiten gewaschen werden. Die restliche Erde schützt den Topinambur vor dem Austrocknen.

Wer die Knollen sehr lange aufbewahren möchte, legt sich eine "Sandkiste" zu. Dazu die Erde an den Knollen mit der Hand entfernen und die Knollen von den langen, dünnen Wurzeln befreien. Die Knollen dann in die mit Sand gefüllte Kiste legen und etwa fünf Zentimeter hoch bedecken. "Dabei darauf achten, dass der Sand nicht zu trocken ist, dann bleiben die Knollen bis zu drei Monate frisch", sagt Katharine Hildebrandt.

Dass Topinambur trotz Genügsamkeit und Ballaststoffen von der Kartoffel verdrängt wurde, kann Hermann König vom Gärtnerhof "Die Quertreiber" nachvollziehen. "Wegen der knubbeligen Auswüchse ist die Knolle sehr schwer zu schälen. Darum dauert die Zubereitung sehr lange", sagt er.