Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen einen Stader Beamten. Vor Gerichtsvernehmung wollte er eine Kollegin beeinflussen.

Stade. Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein Stader Polizist soll vor dem Landgericht Stade gelogen haben. Außerdem soll er versucht haben, eine Kollegin vor ihrer Vernehmung per SMS zu beeinflussen. Eigentlich wollte der leitende Ermittlungsbeamte zehn mutmaßliche Drogenhändler aus Stade hinter Gitter bringen. Dann war er im Prozess als Zeuge geladen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Stade wegen Falschaussage und versuchter Anstiftung zur Falschaussage gegen den Kriminaloberkommissar.

Die Aussage des Polizeibeamten Reiner D. im Prozess gegen Mitglieder zweier mutmaßlicher Drogenringe sorgte von Beginn an für Wirbel. Eigentlich ist die Vernehmung vor Gericht für erfahrene Polizisten eine Routineangelegenheit. Doch in diesem Verfahren sitzen die Zeugen 20 Verteidigern gegenüber. Auf der Suche nach Entlastung für ihre Mandanten oder Ermittlungspannen nehmen diese jeden Zeugen in die Mangel.

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Der leitende Polizeibeamte hielt diesem Druck nicht stand. Zweimal wurde er von einem Arzt wegen der großen Belastung krankgeschrieben, lange Zeit war er nicht vernehmungsfähig. Doch der Polizist saß bereits mehrere lange Verhandlungstage im Zeugenstand. Am Ende eines dieser anstrengenden Sitzungstage ereignete sich der Vorfall, weswegen nun die Ermittler der Staatsanwaltschaft gegen den Polizisten vorgehen.

In einer Verhandlungspause suchte D. die Toiletten im Gerichtsgebäude auf. Als die Verhandlung fortgesetzt wurde, fragte einer der Verteidiger, Rechtsanwalt Jürgen Meyer, ob D. soeben per Telefon Kontakt mit weiteren Zeugen aus dem Verfahren hatte. Nach Abendblatt-Informationen nutzte ein Angehöriger eines Angeklagten zeitgleich die sanitären Anlagen und gab den Tipp, dass sich D. zwar in der Kabine eingeschlossen, aber den Toilettendeckel nicht angehoben habe. D. stritt den Kontakt mit weiteren Zeugen ab.

Das hat sich mittlerweile jedoch als Unwahrheit herausgestellt. Vor Gericht sagte eine Stader Polizistin aus, sie habe von D. zwei Handy-Kurznachrichten per SMS erhalten. In der ersten habe sinngemäß gestanden, sie solle sich an möglichst wenig erinnern, vor allem nicht an die Russenbilder. Dabei ging es um die Aufzeichnungen der Videoobservation eines Hauses. D. selbst habe, so die Aussage einiger Verteidiger, vor Gericht gesagt, diese Aufnahmen seien bereits gelöscht worden. Aufgrund schlechter Qualität seien sie nicht verwertbar gewesen. In einer zweiten SMS von D. an die Polizistin soll gestanden haben, dass sie die erste SMS löschen solle, was sie auch getan habe.

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Kurz bevor die Polizistin aussagte, packte D. offenbar das schlechte Gewissen. Nach Informationen des Abendblatts soll er bei der für das Verfahren zuständigen Oberstaatsanwältin unter Tränen angerufen und ihr mitgeteilt haben, dass er einen Fehler begangen hätte. Anschließend soll er die SMS-Vorwürfe eingeräumt haben. Deshalb ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Es laufe ein Ermittlungsverfahren wegen "uneidlicher Falschaussage", bestätigte Sprecher Kai Thomas Breas auf Anfrage.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, würde es ein gesondertes Gerichtsverfahren gegen den Polizisten geben. Im Falle einer Verurteilung droht dem Beamten eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren. Bei einer Verurteilung zwischen drei und sechs Monaten kann die Freiheitsstrafe auch in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Für drei Monate wären 90 Tagessätze fällig, 120 bei vier und 150 bei fünf Monaten. Eine Verurteilung zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe kann auch in 180 Tagessätze umgewandelt werden. Die Höhe dieser Tagessätze richtet sich nach dem Einkommen. Darüber hinaus könnten dem Polizeibeamten disziplinarische Konsequenzen drohen.

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Auf Nachfrage äußerte sich die Stader Polizei nicht zu den Vorwürfen gegen Reiner D., mit der Begründung, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Zwischenzeitlich wird der Stader Drogenprozess fortgesetzt. Hierbei handelte es sich ursprünglich um zwei Verfahren, die jedoch verbunden wurden, weil derselbe Hauptbelastungszeuge auftritt. Nach knapp 80 Verhandlungstagen wurde dieser jedoch noch nicht befragt.

Derzeit wird erneut Polizist D. befragt. Er ist wieder vernehmungsfähig, sitzt aber den Verteidigern nicht mehr gegenüber. Er wird per Videoübertragung vernommen. Diese wird normalerweise zum Opferschutz eingesetzt, zum Beispiel beim Missbrauch von Kindern. Zu den Vorwürfen äußert D. sich nicht, er beruft sich auf sein Aussageverweigerungsrecht.