Krankenhaus Buchholz geht neue Wege. Single-Port-Operation verursacht weniger Schmerzen, geringen Blutverlust und kaum sichtbare Narben.

Buchholz. Dies ist einer der heikelsten Momente. Ein falscher Schnitt, und der Harnleiter wird verletzt. Michael Scheruhn, Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Krankenhauses Buchholz, muss jetzt den entzündeten Teil des Darms seiner 59-jährigen Patientin entfernen. Der Schnitt geschieht auf akrobatische Art und Weise, weil der 49-jährige Chirurg nur eine vier Zentimeter große Öffnung im Bauchnabel zur Verfügung hat. Das ist in etwa so, als würde er durch ein Schlüsselloch operieren. Durch diese Öffnung werden alle Instrumente geschoben: Kamera, Zange, Schneidegeräte. "Der aktuelle Operationstrend", sagt Scheruhn. Im Fachjargon: Single-Port-Operation. Am Ende bleibt nur eine kleine Narbe am Bauchnabel zurück, kaum sichtbar für den Patienten.

Die Buchholzer Patientin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, war zunächst unentschlossen. Sollte sie sich operieren lassen oder nicht? Im November hatten sie mehrere Tage lang hohes Fieber geplagt. Sie vermutete, dass ein Infekt dahinter steckte. Die Beschwerden blieben. Es folgte die Einlieferung ins Krankenhaus. Die Diagnose: schwere Entzündung des Dickdarms. Chefarzt Scheruhn empfahl eine Antibiotika-Behandlung und dann die Single-Port-Operation.

Im Vergleich zur herkömmlichen offenen Operation prophezeite er weniger Schmerzen nach dem Eingriff, einen geringeren Blutverlust und kaum sichtbare Narben. Der ästhetische Aspekt war für die Patientin eine angenehme Nebensache. Viel bedeutsamer fand sie den kürzeren Heilungsprozess. "Je weniger geschnitten wird, desto weniger muss abheilen und desto geringer die Infektionsgefahr", dachte sie sich.

Seit anderthalb Stunden liegt die Buchholzerin jetzt auf dem Operationstisch. Das medizinische Überwachungsgerät macht ein gleichmäßiges "Biep", "Biep", "Biep". In dieser Zeit hat Scheruhn in Millimeterarbeit das abgetrennt, was der Patientin so starke Schmerzen bereitet hat. Denn die Entzündung ist so stark fortgeschritten, dass sich der Darm mit der Bauchwand, und der Dünndarm mit dem Dickdarm verklebt hatten. "Schlimmer Befund", kommentiert Scheruhn.

Es ist dunkel im Operationssaal. Nur ein Lichtkegel fällt auf den Bauch der Patientin. Fünf Bildschirme übertragen die Reise ins Ich. Und die hat etwas vom Besuch einer Tropfsteinhöhle, in der eine dicke rosa- und gelbfarbene Wurst - der Darm - liegt. Das Körperinnere wird so stark vergrößert, dass auch die feinste Organschicht sichtbar wird. Was, wenn die Kamera mal ausfällt? "Das ist zum Glück noch nie passiert", sagt Scheruhn. Doch zur Sicherheit gibt es sie in zweifacher Ausführung.

Der Bauch der Patientin ist mit Kohlenstoffdioxid aufgeblasen, damit die Ärzte mehr Platz zum Operieren haben. Dennoch ist alles sehr eng. Scheruhn muss in einem schmalen Winkel operieren, und dabei ist ein hohes Maß an Fingerfertigkeit gefragt. Ständig kreuzen sich seine Arme und Hände mit denen von Oberarzt Oliver König, der direkt links neben ihm steht. Scheruhn und König arbeiten seit 15 Jahren zusammen und sind so etwas wie ein eingeschworenes Team. Nahezu wortlos läuft die Operation. König führt die Kamera. Scheruhn schneidet. "Ich bin das Auge und muss wissen, wo Dr. Scheruhn hin will, ohne dass er es ständig sagen muss", sagt König, 45.

Rechts von Scheruhn steht Schwester Stephanie Ellguth, 49, und reicht die Instrumente. Und dann sind da noch der Chefarzt der Anästhesie Peter Plantiko, 58, der auch schon seit mehr als zehn Jahren mit dem Chefarzt zusammenarbeitet, die Operationsschwester Heike Scheibe, 45, und die Gesundheitskrankenpflegerin Christin Meyer, 21. Der Chefarzt gehört nicht zu den Göttern in Weiß, die befehlen. Er bittet. Seine Sätze beginnen mit Worten "Ich hätte gerne" und "Ich brauche bitte". Nur als die Linse der Kamera ständig beschlägt, entfährt ihm ein "Ich hasse das".

Bevor Scheruhn jetzt den entscheidenden Schnitt macht, also den Darm durchtrennt, sagt er noch: "Jetzt noch einmal voll konzentrieren." König und er schauen unentwegt auf den Bildschirm. Scheruhn drückt den Hebel des Instruments. Ein Klappern und Ratschen ertönt aus dem Schneidegerät, schon ist der Darm durchschnitten. Fast. "Ein halber Zentimeter fehlt noch", sagt König und zieht seine dunklen Augenbrauen nach oben. Zweites Magazin ins Instrument. Noch mal Ratsch. "Geschnitten und verschlossen", sagt König. "Jetzt brauchen wir Licht."

Kurze Zeit später zieht er einen rot- und gelbfarbenen langen Strang aus dem Bauch. Noch einmal ein Schnitt und der etwa 30 Zentimeter lange entzündete Teil des Darms ist entfernt. Doch wie werden nun die beiden Enden im Körper der Buchholzerin wieder zusammengefügt, ohne dass der Darm seine Schlauchform verliert? Dafür nutzen die Chirurgen eine zweite Öffnung im Körper: den After. Und das zirkuläre Klammernahtgerät, ein spezielles Werkzeug, kommt zum Einsatz.

"Wer sich das ausgedacht hat, ist ein Genie", sagt Scheruhn. Das Instrument besteht aus zwei Teilen und funktioniert wie ein Steckgerät. Ein Teil wird am oberen, das andere Teil am unteren Darmende angebracht. Später werden beide zusammengesteckt, und eine kreisförmige Naht verbindet die Darmenden miteinander.

Das eine Teilstück, das einem Nagel mit einem großen Kopf gleicht, am oberen Darmende zu platzieren, ist eine leichte Übung für den Chefarzt. Als er damit fertig ist, lässt er das gesunde Darmende in den Körper fallen. Flupp. "Wieder weg", sagt er. Zwei Stunden sind inzwischen vergangen. In der Küche auf der Station gibt es Frikadellen mit Kartoffeln und Krautsalat. Jetzt geht das Operationsteam dazu über, den Darm wieder miteinander zu verbinden. Dabei kommt es erst recht auf Teamarbeit an. Scheruhn verlässt seinen Platz neben der Patientin und setzt sich auf einen Hocker.

Vor ihm das Gesäß der Patientin, links ein Bein, rechts ein Bein. Scheruhn ist für das untere Ende des Darms verantwortlich, und Oberarzt König, der neben der Patientin steht, für das obere Ende.

"Was jetzt kommt, ist das Heikelste", sagt Scheruhn. Mit der rechten Hand führt er das eine Teilstück des zirkulären Klammernahtgeräts in den After ein. König dirigiert ihn mit Halbsätzen wie "Fahr ein bisschen zur Seite", "Da in die Mitte", "Da oben möchten wir ihn gerne haben". Und eine Minute später durchsticht der Chefarzt mit seinem Gerät das untere Darmende. "Ah, perfekt", sagt König und schiebt das obere Darmende in Richtung Nadelspitze von Scheruhn, so dass die Teilstücke des Instruments ineinander gesteckt werden können. Scheruhn zieht das Gerät zusammen mit dem zweiten Teilstück aus dem After heraus. Darm verbunden.

Am Ende folgt die Fahrradschlauchnummer: Die Chirurgen spülen Wasser in den Bauch und blähen den Darm mit Luft auf. "Keine Blasen", heißt das Fazit. Ein letzter prüfender Blick auf Milz, Magen und Leber. "Alles unauffällig", sagt Scheruhn und lässt sich Nadel und Faden geben. "Die Naht muss auch schön aussehen", sagt er. Das ist schließlich das, was die Patientin sieht."

Schon am nächsten Tag verlässt die Buchholzerin ihr Krankenbett und isst Joghurt. Vier Tage nach der Operation schwingt sie sich auf einen Heimtrainer und verträgt Gemüse und Würstchen. Sie ist froh, dass sie sich für die Operation entschieden hat. "Mir geht es wirklich blendend", sagt sie.