Forscherprognose: Der Klimawandel wird Estepegel weiter steigen lassen und höhere Deiche nötig machen. Ein Polder könnte die Lage entspannen.

Buxtehude. Das Szenario, das Edgar Nehlsen zeichnet, ist nicht gerade positiv für die Stadt Buxtehude. Nehlsen, der an der Technischen Universität Harburg im Forschungsprojekt Klimzug-Nord die Auswirkungen des Klimawandels auf die Este untersucht, rät der Stadt dazu, eine Kombination von Schutzmaßnahmen anzugehen. Denn die Schutzdeiche allein, so wie sie derzeit diskutiert werden, würden in einigen Jahrzehnten nicht mehr ausreichen, um die Stadt vor den Folgen eines Hochwassers zu schützen.

"Der Klimawandel wird dazu führen, dass es in der Region im Sommer weniger Niederschlag geben wird. Im Winter wird es dagegen deutlich stärkere Niederschläge geben, auch weil die Temperatur um etwa 1,5 Grad Celsius ansteigen wird", sagt Nehlsen. Das hätten die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie ergeben. Im Winter würden die Niederschläge um bis zu 37 Prozent zunehmen, im Sommer dagegen um bis zu 22 Prozent geringer als bisher ausfallen. Das bedeutet, dass gerade im Winter die Stadt Buxtehude in besonderem Maße von Hochwasser bedroht wäre - der stärkere Niederschlag würde sich mit dem allgemein steigenden Meeresspiegel kombinieren.

Käme eine Sturmflut oder anhaltender Starkwind hinzu, der ein längeres Schließen der Schleuse an der Estemündung nach sich zieht, könnte es dramatisch werden. Vom Oberlauf der Este würde das Niederschlagswasser mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit als im Normalfall nach Buxtehude fließen, bis zu 40 Prozent mehr Wasser würden in derselben Zeit durch das Flussbett gedrückt.

Wenn die Schleuse an der Estemündung 30 Stunden lang geschlossen wird, würde es zu einem Rückstau kommen, der die Este unterhalb des Mühlenteiches um 76 Zentimeter ansteigen lassen würde. Oberhalb des Mühlenteiches in Richtung Moisburg würde der Wasserpegel um 50 Zentimeter ansteigen und etwa an der Estetalstraße zahlreiche Gebäude unter Wasser setzen, wenn keine langfristig wirkenden Schutzmaßnahmen ergriffen würden.

"Wenn sich Buxtehude bis zum Jahr 2100 mit Deichen schützen will, müssten diese Deiche unseren Berechnungen zufolge bis zu 80 Zentimeter höher als bisher geplant gebaut werden", sagt der Forscher. Das bedeutet, dass die niedrigsten Deiche aufgrund der prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels einen halben Meter hoch geplant werden müssten, die höchsten Schutzbauten würden dann bis zu zwei Meter hoch sein.

Das wiederum würde die Stadt vor erhebliche Probleme stellen. "Buxtehude wäre dann mit deutlich sichtbaren Deichen durchzogen, teilweise könnte man die Este nicht mehr sehen. Solche Deiche würden sich also stark auf das Stadtbild auswirken", sagt Nehlsen. Zudem müssten die Spundwände sehr viel höher geplant und deutlich tiefer in der Erde verankert werden, um den Fluten standhalten zu können. "Anders als bei den Deichen wäre eine nachträgliche Anpassung der Spundwände extrem kompliziert, das müsste also frühzeitig angegangen werden", meint der Klimaforscher. So oder so wären die baulichen Auswirkungen auf und für die Stadt enorm.

Ein weiteres Problem für die Stadt: Selbst wenn die Deiche aufgestockt würden, müsste die Stadtverwaltung mit Blick auf einen reibungslosen Verkehr weitere Baumaßnahmen in Angriff nehmen. Denn damit der Verkehrsfluss bei Hochwasser nicht unterbrochen wird und das Wasser zur Elbe abfließen kann, müssten laut Nehlsen mehrere Brücken höhergelegt werden.

Doch nicht nur in Buxtehude müssten die Schutzbauten aufgestockt werden. Auch die Deiche zwischen Buxtehude und Cranz müssten auf einer Länge von 24 Kilometern von vier auf 4,80 Meter erhöht werden, um die Wassermassen zu bändigen.

Daher plädiert Edgar Nehlsen dafür, eine Kombination von Maßnahmen ins Auge zu fassen. Neben der Renaturierung könnten Stauflächen oberhalb und unterhalb der Este geschaffen werden. Der Bau einer Talsperre unter Einbeziehung des B 73-Damms wäre eine Option, dann müsste das Wohngebiet an der Estetalstraße aber mit einem vier Meter hohen Deich geschützt werden.

Laut Nehlsen könnten vor allem Polderflächen zwischen Buxtehude und Cranz für eine Entlastung sorgen. So könnte Buxtehude im Idealfall sogar auf den Bau von Deichen und Spundwänden bis zum Jahr 2100 verzichten, wenn die Polder groß genug geplant und mit Rückstauflächen am Oberlauf der Este kombiniert würden.

Eine mögliche Fläche für einen solchen Polder hat Nehlsen bereits herausgepickt. Bei Neuland gebe es eine zwei Quadratkilometer große Fläche, die nicht für den Obstbau genutzt werde und daher für einen Polder mit Schöpfwerk ideal sei. Diese Fläche, mit einem Deich eingegrenzt, könnte bis zu sechs Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen, das vom Oberlauf der Este in Richtung Cranz fließt.

Buxtehudes SPD-Ratsherr Horst Subei begrüßt die Idee, dort eine Polderfläche einzurichten. "Die Fläche läge an der A 26-Trasse, wäre damit für die Landwirtschaft auch nicht interessant", sagt Subei. Zudem könnte das Wasser, das dort eingelagert würde, unter dem Aspekt der Elbvertiefung doppelt interessant werden. "Der Polder könnte uns einerseits bei Hochwasser schützen, zudem könnte er das Beregnungsproblem für die Altländer Obstbauern mindern. Es wäre ein ideales Süßwasserreservoir", sagt Subei.

SPD-Fraktionschefin Astrid Bade meint, dass für einen solchen Polder Gespräche mit der Gemeinde Jork aufgenommen werden sollten, denn wenn, dann müsste gemeinsam gegen die Folgen von Hochwasser und Elbvertiefung vorgegangen werden. "Wir müssen in Buxtehude natürlich die ersten Schritte für den Hochwasserschutz in Angriff nehmen. Wir müssen aber auch ganzheitlich denken und die anderen Gemeinden mitnehmen", sagt Bade.

Das meint auch Michael Lemke, Fraktionschef der Grünen. "Die Polderlösung ist praktisch, weil sie auch das Alte Land langfristig entlasten würde. Wir müssten uns aber überlegen, wie das finanziert werden könnte. Vielleicht könnte man es auf mehrere Schultern verteilen."