Babys infiziert: Fachleute arbeiten mit Hochdruck daran, den Weg der Erreger auf die Stader Intensivstation nachzuvollziehen.

Stade. "Allen acht Frühchen geht es gut", sagt Dr. Martin Zellerhoff, Leiter der Intensivstation für Neugeborene der Stader Elbekliniken. "Wir hoffen, dass keines der Babys, bei denen die multiresistenten Keime nachgewiesen wurden, daran erkrankt." Inzwischen läuft die Ursachenforschung weiter auf Hochtouren. "Die Keime werden jetzt typisiert und wir untersuchen ihren Weg in die Intensivstation und wie sie in Kontakt mit den Frühchen kamen", sagt Dr. Gerhard Pallasch, Leiter des Gesundheitsamtes des Landkreises Stade zum aktuellen Stand auf der Neonatologie. Dort waren vor einer Woche zunächst bei einem Frühchen MRSA-Keime entdeckt worden, die besonders widerstandsfähig gegen Antibiotika sind.

"Wir müssen die Ursachen kennen, damit sich so ein Fall nicht wiederholen kann." Keine leichte Aufgabe für die Mediziner, Wissenschaftler und die Leitung der Elbekliniken Stade. Denn sie lauern überall, aber vor allem in Krankenhäusern: Keime, gegen die viele Antibiotika nicht mehr wirksam sind.

Schuld daran sind besondere Enzyme, die mit der Abkürzung ESBL definiert werden. Keime, die diese "Extended-Spectrum Beta-Lactamase"-Enzyme als besondere Eigenschaft haben, sind für gesunde Erwachsene und ausgereifte Babys unter normalen Umständen kein Problem, für sehr unreife Frühgeborene allerdings eine Gefahr.

"Bei den auf der Stader Intensivstation aufgetretenen Keimen des Darmbakteriums E. coli handelt es sich um so genannte MRSA-Keime, die offensichtlich auch die gegen einige Antbiotika resistenten Enzyme in sich tragen", sagte der ärztliche Direktor der Elbekliniken, Professor Benno Stinner.

Dr. Matthias Pulz, Leiter des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA) erklärt im Gespräch mit dem Abendblatt, dass der nicht gegen Antibiotika resistente, im Krankheitsfall mit Antibiotika gut behandelbare "normale" Staphylococcus aureus bei etwa 30 Prozent der Bevölkerung den Rachen- und Nasenraum besiedelt.

"MRSA steht für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, der ebenfalls nicht automatisch zu Krankheiten führt", sagt Dr. Pulz. Der so genannte "Livestock associated MRSA" besiedele derzeit in der Schweinehaltung etwa 80 Prozent der Tiere, so der Experte für Mikrobiologie und Infektionsschutz. Auch Menschen, die sich in diesem Arbeitsfeld bewegen, sind vielfach Keimträger, zumeist aber ohne zu erkranken.

Der klassische MRSA führt außerhalb von Krankenhäusern eher selten zu Erkrankungen. Im Krankenhaus führt sein Auftreten zu einer völlig anderen Situation und erfordert ein besonderes Hygienemanagement. Stationär behandelte Patienten, die häufig zahlreiche Grunderkrankungen und ein hohes Lebensalter aufweisen, haben ein erhebliches Risiko, eine MRSA-Erkrankung zu erleiden, die auch tödlich verlaufen kann.

Falls diese Resistenzen der Keime gegen mehrere Antibiotika vorhanden sind, sie also multiresistent sind, lassen sie sich besonders schwer bekämpfen und werden bei jeder weiteren Übertragung zur Gefahr.

"Wir wissen darüber hinaus, dass in den vergangenen zehn Jahren Nachweise von resistenten Darmkeimen deutlich angestiegen sind und zunehmend mehr von diesen Keimen gegen Antibiotika resistent sind", sagt Dr. Pulz. "Ursachen können übermäßige Gaben von Antibiotika in der Tier- wie auch der Humanmedizin sein." Pulz sieht diese deutliche Zunahme der Antibiotikaresistenz mit Sorge und plädiert für einen sensiblen und sparsamen Umgang mit Antibiotika. "Antibiotika sind wertvolle Medikamente, aber unsachgemäßer und übermäßiger Einsatz schürt das Problem der Antibiotikaresistenz", sagt Dr. Pulz.

"Untersuchungen und Langzeitstudien, unter anderem von niederländischen Wissenschaftlern, belegen, dass dieselben ESBL-bildenden Keime bei Hähnchen in Massentierhaltung und bei Menschen gleichermaßen nachgewiesen wurden." Demnach sei davon auszugehen, dass diese resistenten Keime durch übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tiermast entstehen und dann auf den Menschen übertragen werden. Übertragen werden die Bakterien durch direkten Kontakt.

"In deutschen Kliniken infizieren sich jährlich etwa 800 000 Menschen mit Keimen, etwa 30 000 sterben daran", sagt Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin Berlin und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Er sieht Hygienefehler bei Ärzten und Schwestern als Hauptursache bei Infektionen mit Krankenhauskeimen.