“Bitte ein Dessert-Menü!“ - Was den Spitzenköchen Michael Herold, Michael Röhm und Daniel Rundholz bei so einer Bestellung einfällt.

Nachtisch geht immer. Ein gutes Dessert rutscht nicht nur in Richtung Magen, sondern bleibt auch im Kopf. Eine Woche voller Sonntage? Geht nicht. Aber ein komplettes Dessertmenü? Wir haben Michael Herold, Michael Röhm und Daniel Rundholz um Ideen gebeten. Die drei zählen zu den besten Köchen südlich der Elbe.

Seabreeze Restaurant

Schiff ahoi in alter Grundschule! Das Buxtehuder Unternehmen NSB gehört zu den führenden Reedereien weltweit. Über 100 Schiffe fahren auf den Weltmeeren unter seiner Flagge - mit 3800 Seeleuten. Ursprünglich sollte das Gebäude aus der Kaiserzeit zum Boarding-House für Mitarbeiter werden. Immerhin betreibt NSB ganz in der Nähe einen der größten Schiffsführungssimulatoren. Doch dann wurde entschieden, den roten Backsteinbau allen zugänglich zu machen. 2008 eröffnete ein 32-Zimmer-Hotel mit maritimem Flair.

Seit Anfang November steht hier ein neuer Mann am Ruder: Andreas Möcker. Der Direktor kommt aus dem Sylter Budersand-Hotel und war bereits für den Michelinführer als Restauranttester im Einsatz. Im Kellergewölbe namens Seabreeze ist er sich nicht zu schade, mitunter in die Kellnerrolle zu schlüpfen. Gästekontakt hautnah. Sein junger Küchenchef Michael Herold setzt hier ambitionierte Akzente und steht auf unverfälschte Produkte, vorzugsweise mit regionaler Note.

Wir wollen Herolds süße Seiten kennenlernen und werden zum Auftakt gleich mit einer seiner Stärken beglückt: Backwerk. Gereicht werden selbst gemachte Minimilchbrötchen und Zimtstangen, dazu köstliche Früchtebutter mit Pflaumen und Aprikosen. Als Ouvertüre schmeckt ein Zitronen-Quarkparfait auf buntem Kräuter-Melonen-Orangensalat und altem Balsamico. Der Küchenchef hat offensichtlich ein feines Händchen für Farbkompositionen. Keine Stück liegt unbedacht auf dem Teller. Im Hauptgang kommen Schokofans auf ihre Kosten. Das Moelleux ist ein kleines Küchlein mit Valrhona-Schokolade, dessen Kern warm und flüssig zerläuft. Der Nachtisch des Dessertmenüs lässt uns die weiße Flagge schwenken. Dreierlei von Tiramisu (klassisch, Mango und Schwarze Johannisbeere) sind etwas zu großzügig geraten. Wir entscheiden uns spontan für Dreierlei von Rohmilchkäse, eine legitime Alternative aus der herzhaften Dessertecke, und strahlen: 24,50 Euro für drei Gänge inklusive Brotauswahl und Gruß aus der Küche sind den Spaß wert.

+++ Adressen und Öffnungszeiten +++

Zum Heidkrug

16 Punkte im Gault Millau, seit 18 Jahren ein Stern im Michelinführer für Feinschmecker bedeuten: Was hier gekocht wird, hat Niveau. Das historische Giebelhaus in der Altstadt beherbergt Lüneburgs am höchsten bewertetes Restaurant. Umgeben von über 550 Jahren Geschichte kocht Michael Röhm immer noch mit viel Liebe zum wiedererkennbaren Produkt. Ohne Schnickschnack. Ohne Modeeinflüsse. Seit jeher regional mit mediterranen Einflüssen. Die Jakobsmuschel gehört zu seinen Favoriten, ebenso wie frisches Wild aus der Umgebung.

Wir wollen aber nur Nachtisch. Was fällt dem Sternekoch als Dessertfolge ein? Aus der Küche grüßt er vorweg mit einem Quittensorbet an Schaum von weißer Schokolade. Der knisternde Überraschungseffekt sind die Peta-Zeta-Streusel obendrauf. Danach erinnert die süße Vorspeise äußerlich an den Harburg-Tower im Binnenhafen, ummantelt mit weißer Schokolade, innen Champagnermousse, daneben Glühweineis und Orangen. Der Hauptgang beschert ein intensives Aromenspiel. Cassis, Mandarine und Himbeere sind "Dreierlei vom Sorbet". Erfrischend fruchtig und spektakulär dekoriert mit feinem Karamellgitter, Schokostange und einem Rhönrad aus Gebäck. Das Dessert-Dessert zum Finale besteht erneut aus Eis, diesmal mit Passionsfrucht, dazu ein gehaltvolles Stück Karamellkonfekt. Auf der Rechnung erscheinen für die Speisefolge 34 Euro, ein angemessener Preis. Nachspeisen machen meistens mehr Arbeit als herzhafte Gänge.

Trotzdem beeindruckt das Menü nicht im Gesamtpaket. Jeder Gang für sich ist stimmig, geschmackvoll und schön anzuschauen, aber viermal Sorbet und zweimal Eis sind wenig abwechslungsreich. Schade, wir hätten uns eine etwas raffiniertere Dramaturgie gewünscht.

Wachtelhof

Seit 21 Jahren ist das exklusive Landhaus in Rotenburg eine Klasse für sich. Für viele Gäste ist es weniger ein Hotel als ein Lebensgefühl. Sie kommen regelmäßig und bleiben nicht selten eine ganze Woche. Wer im Restaurant L'Auberge einen Tisch reserviert, sollte wenigstens eine Übernachtung dranhängen, denn allein der Spa-Bereich mit Schwimmbad und Saunalandschaft ist auf 1000 Quadratmetern einen Besuch wert und für Hotelgäste kostenlos. Gastfreundschaft findet hier auf höchstem Niveau statt. Fünf Sterne versprechen gediegenen Luxus.

Findet hier unser Wunsch nach einem Dessertmenü überhaupt Gehör? Und wie! Daniel Rundholz verspricht, sich etwas auszudenken. Der Meister steht seit der Eröffnung 1991 für Kontinuität und Kreativität. Gemeinsam mit seiner zehnköpfigen Küchenbrigade kümmert er sich um das leibliche Wohl der Gäste. Denen wird gleich zu Beginn am Tisch viel Kraft abverlangt. Die überdimensionale Speisekarte wiegt 1,3 Kilogramm. Die Weinkarte bringt es mit 300 Positionen sogar auf mehr als zwei Kilogramm. Vorweg steht eine Wasserkarte, die ihresgleichen sucht. 56 Sorten Wasser aus aller Welt werden darin beschrieben - von der nahen Vilsa-Quelle für 7,20 Euro pro Flasche bis zum stillen Fillico "Jewelry Water" aus Japan. Mit seinen handgearbeiteten Swarowsky-Kristallen und einer Goldkrone kostet die 0,72-Liter-Flasche 180 Euro. Das erscheint bei den regionalen Ambitionen am Wachtelhof-Herd zwar unzeitgemäß und wirkt ziemlich dekadent, erzeugt aber einen großen Unterhaltungswert. Stellen Sie sich vor, was Ihr Leergutautomat zu einer japanischen Swarowsky-Flasche sagt.

Wir lassen uns beim Dessertmenü von deutschem Wein und Wasser begleiten. Den Auftakt macht ein warmes Süppchen von Tahiti-Vanille (wächst leider nicht hierzulande) mit Quittenkompott und Topfenknödel. Der aromatische, duftende Traum von einem Nachtisch glänzt mit einem flüssigen Nougatkern. Der süße Hauptgang erinnert optisch an Sushi: Karamellisiertes Halbgefrorenes von der Orange an Cassisfeigen. Zum Dessertfinale kommen acht kleine Kostbarkeiten für Schokoholics aufs Porzellan, darunter Crème brulée mit Valrhona-Schokolade und ein Schoko-Malheur samt Blattgold. Überraschender Clou der Komposition ist die weiße Schokolade unter einer halbierten Chilischote, die ihre Schärfe ans Eis abgibt. 42 Euro, die sich lohnen, stehen auf der Rechnung.