Obstbauern in Kehdingen und im Alten Land befürchten, dass das Wasser bald nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden kann

Oederquart/Jork. Kaum ein Thema trennt die Bewohner nördlich und südlich der Elbe, trennt Hamburg und Niedersachsen, Industrie und Landwirtschaft so sehr wie die geplante nächste Elbvertiefung. Während sich Hamburger Reeder von ihr erhoffen, endlich im Wettbewerb mit anderen Häfen Europas gleichziehen zu können, sorgen sich Niedersachsens Obstbauern um ihre Existenz.

Sie befürchten, dass der Salzgehalt in der Elbe nach dem Eingriff weiter steigen könnte. Dann würde das salzige Wasser aus der Nordsee auch in die Elbnebenarme und die vielen kleinen Kanäle eindringen, aus denen die Bauern seit Jahrhunderten das Wasser für ihre Plantagen nehmen. 0,5 Gramm Salz pro Liter Wasser ist der kritische Grenzwert, von dem an das Wasser für die Obstbauern unbrauchbar wird. Wird in den Nebenarmen künftig dieser Wert erreicht, hätten die Bauern einen wichtigen Standortvorteil verloren, der bisher in dem vielen, leicht zugänglichen Wasser besteht.

Staatssekretär Ferlemann glaubt den Aussagen seiner Fachleute

Für neuen Zündstoff in der Debatte haben jetzt Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und Hans-Heinrich Witte, Leiter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD), gesorgt. Bei einer Informationsveranstaltung für die Obstbauern in der Region vertraten sie die Seite der beiden Planungsträger, der Bundesregierung und der Hamburg Port Authority. Deren bisherige Position ist, dass es nach der Elbvertiefung zu keinem nennenswerten Anstieg des Salzgehaltes kommen wird. "Unsere Fachleute sagen, dass es zu dem Problem nicht kommen wird", sagt Ferlemann. Das hätten bisherige Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau ergeben.

Auch die Elbvertiefung im Jahr 1999 habe keinen "signifikanten" Effekt auf den Salzgehalt gehabt, wie Hans-Heinrich Witte meint. "Uns sind keine Fälle bekannt, in denen das Wasser nicht genutzt werden konnte", sagte er zu den Obstbauern.

Seine Aussagen stützen sich auf Messungen, die das Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg (WSA) bereits seit den 70er-Jahren in der Elbe unternimmt. Seit dem Jahr 2001 ist zusätzlich ein Netz aus zehn Messstationen in der Elbe errichtet worden, an denen regelmäßig der Salzgehalt des Wassers gemessen wird. Die Daten stellt das WSA ins Internet.

Die Daten, die die Planungsträger zugrunde legen, sorgen für böses Blut bei den Obstbauern in der Elbregion. Denn die Ergebnisse der Forscher widersprechen den Erfahrungen, die sie seit Jahren machen. Ein Beispiel ist der Obstbauer Thorben Sumfleth, der einen 28 Hektar großen Obsthof in Oederquart betreibt, das rund zehn Kilometer von der Elbe entfernt und rund 50 Kilometer hinter der Elbmündung liegt. Wie auf anderen Höfen müssen die Äpfel im Frühjahr gegen den Frost beregnet werden, im Sommer zur Bewässerung und zur Kühlung. Die großen Wassermengen, die dazu nötig sind, entnimmt Sumfleth aus einem kleinen Kanal, der in den Elb-Nebenarm Oste mündet.

Entgegen aller Forschungsergebnisse habe er an dem Wasser sehr wohl Veränderungen festgestellt: "Wir haben teilweise Probleme, noch brauchbares Wasser aus dem Kanal zu holen. Denn der Salzgehalt erreicht, je nach Tide, teilweise 0,4 bis 0,5 Gramm pro Liter", sagt Sumfleth. Er betont: "Wir haben das Problem seit der letzten Elbvertiefung. Vorher gab es keine Probleme, salzarmes Wasser aus der Oste zu bekommen."

Bereits jetzt, so Sumfleth, verändere der höhere Salzgehalt die Arbeitsweise auf dem Hof. So müssten die Schleusentore zwischen der Oste und dem Kanal für die Bewässerung jetzt nachts geöffnet werden, weil das Wasser während der Ebbe weniger Salz mit sich führt. Und zur Kühlung der Äpfel im Sommer könne er das Wasser teilweise gar nicht mehr verwenden.

Was die Bauern im Alten Land befürchten, ist in Kehdingen Realität

Andere Kollegen, deren Höfe näher an der Elbe liegen, seien noch schlimmer dran: "Die können das Wasser im Sommer nicht einmal mehr zur normalen Bewässerung nutzen." Was in Nordkehdingen bereits Realität ist, wird 80 Kilometer flussaufwärts im Alten Land bisher nur befürchtet. Hartwig Quast, der einen 34 Hektar großen Obsthof in Jork-Borstel betreibt, kann nach wie vor problemlos das Wasser aus dem kleinen Kanal entnehmen, das zwischen seinen Obstbäumen hindurch fließt. Das Wasser stammt derzeit noch aus dem rund zwei Kilometer entfernten Ort Neuenschleuse.

Dort fließt es über den Hafen direkt aus der Elbe in den Kanal ein. Der kritische Wert von 0,5 Gramm Salz wird bisher weder an dieser Stelle noch im Bereich der Obstplantage erreicht. Doch den Aussagen vonseiten der Planungsträger, dass das auch in Zukunft so bleiben werde, schenkt Hartwig Quast wenig Glauben. "Wir haben in der Region Anzeichen dafür, dass auch hier die Elbe salziger wird." Sportbootfahrer würden es am Bug ihrer Boote sehen, außerdem würden Korrosionsschäden an den Schleusentoren in Neuenschleuse dafür sprechen. "Die Forscher vertrauen auf Statistiken und Computermodelle, aber nicht auf die Zeichen, die direkt vor Ort sichtbar sind", sagt Quast.

Ein Augenzeuge für einen gestiegenen Salzgehalt ist der Elbfischer Lothar Buckow aus Jork, der seit 1987 mit seinem Kutter auf der Elbe unterwegs ist. "Ich fange vor der Insel Hanskalbsand neuerdings Heringe, Steinbutte und Seezungen. Das sind Salzwasserfische, die in diesem Abschnitt der Elbe früher nicht vorkamen."

Buckow führt das Phänomen auf die letzte Elbvertiefung zurück - und wie die Bauern in der Region, ist auch er deshalb ein entschiedener Gegner einer weiteren Elbvertiefung, zumal diese seiner Meinung nach auch die Sicherheit der Deiche gefährden würde.

Landwirte sollen ihre Daten den zuständigen Behörden vorlegen

Wie kann es sein, dass die Ergebnisse der Forscher so wenig zu den Beobachtungen passen, die die betroffenen Menschen vor Ort machen? Lothar Neumann, der beim WSA als Projektleiter für die Messungen des Salzgehaltes zuständig ist, hat kaum eine Erklärung dafür. "Ich will die Beobachtungen Einzelner nicht in Abrede stellen. Aber unsere Daten geben eine Steigerung des Salzgehaltes einfach nicht her."

Anstelle der Elbvertiefung könnten auch "saisonale Effekte" für den hohen Salzgehalt verantwortlich sein. Lothar Neumann betont: "Jeder, der andere Daten hat, ist eingeladen, mit uns zu diskutieren."

Eine Befürchtung der Obstbauern kann Neumann dabei kaum entkräften: Dass sie nämlich eines Tages selbst beweisen müssen, welche Nachteile sie von der Elbvertiefung haben.